Das Chaos der letzten Tage im Flugverkehr wirft noch viele weitere Fragen auf. Ein unvorhergesehenes Ereignis kommt manchmal nicht allein, also wird die Potenz zum Chaos noch etwas erhöht. Unser Tagesausflug von Wien nach Stuttgart am 12.9.2017 wurde bereits im Juni auf dem Internet-Portal von Eurowings gebucht, ebenso wie in den letzten beiden Jahren für dieses Reiseziel. Beim Web Check-In diesmal die erste Überraschung bei den Bordkarten: Flug "Operated by AIR BERLIN". Es kommt ein mulmiges Gefühl nach der Insolvenz von Air Berlin auf. Ist wirklich alles drinnen, was außen drauf steht? Der Hinflug von Wien war überpünktlich, ein Airbus A319 von Germanwings und die Crew in den violetten Uniformen - so wie es immer war.
Rechtzeitig zurück am Flughafen in Stuttgart staunten wir nicht schlecht: Rückflug nach Wien mit Eurowings gestrichen. Dies war jedoch nicht der einzige an diesem Abend, auch andere EW-Flüge fielen aus. Beim Service-Schalter von Eurowings bekamen wir die Information über den Grund - "Air Berlin" (also doch diesmal wahr, wie es die Bordkarte verriet), und sehr bald eine weitere, dass der Abendflug mit Austrian Airlines ausgebucht ist.
Doch so schnell geben wir nicht auf. Die freundliche Mitarbeiterin fand aufgrund unseres Vorschlags für mögliche Umsteigeverbindungen nach einigen Recherchen Plätze auf Flügen mit Lufthansa über Frankfurt. Nach der Übergabe der Umbuchungsscheine bat sie uns zum Lufthansa CkeckIn-Schalter zu gehen, um dort die Bordkarten zu holen. Dort gab es auch noch einige Schreibarbeit, aber die Damen hatten alles im Griff.
Beim Gate wurde zunächst eine 15-minütige Verspätung angekündigt - Grund Unwetter in Frankfurt und dieser Flughafen vorübergehend gesperrt. Aus der Verspätung wurde jedoch dann leider eine Annullierung. Es wurde Verpflegung und auch eine Übernachtungsmöglichkeit auf Feldbetten versprochen, da wegen der zahlreichen Annullierungen der AirBerlin-Flüge alle Hotels im Raum Stuttgart ausgebucht waren.
Die Dame am Gate schickte uns mit unseren Papieren wieder zum Eurowings-Service. Die schon davor involvierte Mitarbeiterin erklärte uns dort, dass ab Ausstellung der Boardkarte bei LH noch immer Lufthansa zuständig sei. Also gingen wir zusammen wieder zum LH-Schalter - auf dem Weg dorthin erzählte sie uns von dem Umstand, dass Eurowings und "die Mutter" verschiedene Buchungssysteme haben. Beim Lufthansa-Schalter trafen wir auch dieselbe nette Mitarbeiterin wie beim CheckIn. Sie bemühte sich Flüge nach Wien für den nächsten Tag zu finden. Und dann kam der große Auftritt des "Chefs" in perfekter LH-Uniform: "Meine Damen und Herren, Sie können hier nicht umbuchen, alle Hotels im Raum Stuttgart sind ausgebucht, wegen ... ".
Große Verwunderung, Frage aus der Runde: "Wie reden Sie mit Business Class-Passagieren? ..." Antwort: "Wir haben kein Personal."
Schlagartig (wahrscheinlich mit Absicht) wurden zentral alle Computer im Lufthansa-Bereich um 21:40 Uhr ausgeschaltet. Auch unsere "Betreuerin" hatte keine Möglichkeiten mehr, weiter zu suchen. Sie verwies uns weiter an die Flughafeninformation für die nächsten Schritte mit dem Hinweis, dass am nächsten Morgen der LH-Schalter wieder ab 4:30 Uhr geöffnet ist.
Auch mit der Mitarbeiterin bei Flughafen-Information gab es nette Gespräche. Sie versuchte bei drei Hotels ein Zimmer zu bekommen, doch leider tatsächlich alles ausgebucht.
Als wir um 22:00 Uhr nochmals bei den LH-Schaltern vorbeigingen, war dort niemand mehr zu sehen.
Also begann das Warten, bis in einer Stunde die Feldbetten aufgestellt werden sollten. Eine Verpflegung wurde nicht bereitgestellt, diese organisierten wir uns selbst.
Dazwischen fanden wir noch ein Informationsblatt von Eurowings. Ob die alternativen Möglichkeiten für Umbuchungen - Internet, Smartphone App, CallCenter gebührenpflichtig (!) - funktionierten, können wir nicht beurteilen, denn wir hatten dafür wirklich keine Nerven.
Nach weiterem Warten begann die Suche nach den Feldbetten, die jedoch noch immer nicht zu sehen waren. Also besuchten wir nochmals die Flughafeninformation. Wir bekamen eine sehr interessante Nachricht: Lufthansa hat behauptet, dass alle Passagiere des annullierten Fluges Stuttgart - Frankfurt mit Zügen oder sonst irgendwie gut weitergekommen sind. Es wurde daher die Aktion für die Aufstellung der Feldbetten abgeblasen. Dies wurde uns kurz danach auch von einer anderen Flughafen-Mitarbeiterin bestätigt.
Also suchten wir uns auf Empfehlung im oberen Bereich des Terminals eine Sitzreihe zum Ruhen, denn Schlafen ist eigentlich nur schwer möglich. Eigentlich hätten wir mit unseren Boardkarten ein Karten-Spiel beginnen können ...
Um 4:00 Uhr "erwacht" der Flughafen wieder mit der Durchsage zum Thema "Beobachtung der Gepäckstücke". Pünktlich um 4:30 Uhr wird Lufthansa-Schalter geöffnet. Wir schildern alles, doch es kann doch nicht wahr sein - Lufthansa ist in unserem Fall nicht zuständig! Die Mitarbeiterin geht mit uns zum Eurowings-Schalter. Dort gibt es wieder ratlose Passagiere, denn es wurden frühe Eurowings-Flüge gestrichen. Dennoch haben wir Glück, wir bekommen unsere Plätze für den Direktflug nach Wien. Endgültig haben wir alles geglaubt, als das Boarding begann.
Und diesmal war es ein Eurowings Airbus A320 mit Crew von Air Berlin auf der Morgenrotation Stuttgart-Wien; und für alle Passagiere wurden Snacks und Getränke kostenlos serviert.
Fazit
Als Passagier hat man Verständnis für die Piloten bei Air Berlin und Mitleid mit den überforderten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Fall eines derartigen Chaos. Als Passagier wundert man sich über das komplizierte Zusammenspiel der Airlines in der Lufthansa Group. Als Passagier kann man den Umgang eines Herrn "Wichtigus" von Lufthansa mit den Fluggästen und das unprofessionelle Handling des Konzerns bei außergewöhnlichen Ereignissen nicht akzeptieren, dies ist ein gehöriger Image-Schaden für "die Mutter". In unserem Fall wird es im Nachhinein noch sehr interessant sein, bei welcher Airline wir unsere Passagierrechte geltend machen können. Wie wird es nach dem Ende von Air Berlin weitergehen? Das Management von Lufthansa und der gesamten Gruppe haben jedoch noch sehr viel Arbeit, um die internen Prozesse zu verbessern. Das bedeutet auch noch umso größere Anstrengungen, wenn ein großer Teil von Air Berlin vom Konzern übernommen werden soll.
Text: Dr. Ingrid Muhr
Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.