Österreich

Seine Crew überstellte die "Papa Fox" nach Wien: Interview mit AUA-Kapitän Reinhard Lernbeiss

Reinhard Lernbeiss im Cockpit der OE-LPF nach der Landung in Wien

Vor zwei Tagen wurde die OE-LPF von Hong Kong nach Wien überstellt. Die fünfköpfige Crew dieses historischen Fluges stand unter dem Kommando von Flugkapitän Dipl. Ing. Dr. techn. Reinhard Lernbeiss. Wir haben mit ihm über die Vorbereitung und die Durchführung dieser Operation gesprochen und darüber, warum Fliegen mit Passagieren mehr Spaß macht als ohne ...

AW: Als Sie am Dienstag mit Ihrer Crew an Bord der LPF in Wien gelandet sind, was war das für ein Gefühl?

Cpt. Lernbeiss: Ein hervorragendes Gefühl. Es erfüllt einen natürlich mit Stolz, wenn man Teil eines Teams ist, welches dazu beiträgt, dass nicht nur die Langstrecken Flotte von Austrian erweitert wird, sondern der Wirtschaftsstandort damit eine Vergrößerung in der Kapazität der Luftverkehrs-Infrastruktur erfährt. Das klingt jetzt vielleicht etwas steif, und gar nicht typisch Pilot, aber jene, die mich vielleicht kennen, wissen, dass genau das für mich persönlich sehr wichtig ist. Ich versuche genau dann meine Kenntnisse, mein fliegerisches Handwerksgeschick so einzusetzen, um damit zur Stärkung unseres Unternehmens ebenso und vor allem zur Erweiterung des Angebots für unsere Kunden optimal beitragen zu können. Erst später, wenn man die Triebwerke abgestellt hat, wird einem bewusst, dass man hier Teil einer wichtigen Sache war.

Ankunft der "Papa Fox" in Wien - Video: Peter Hollos / ph-otos.at

AW: Wie wir von der AUA erfahren haben, stand ja der Termin für die Überstellung bis zuletzt nicht genau fest. Woran lag das?

Cpt. Lernbeiss: Bei einem Projekt dieses Ausmaßes, durchgeführt in einem engen Zeitrahmen kann es naturgemäß zu Verzögerungen kommen, auch wenn unsere Kollegen vom Engineering der Austrian Technik eine außergewöhnliche Erfahrung auf diesem Gebiet besitzen und so ein Projekt präzise und termingerecht realisieren können. Solche Verzögerungen können technischer Natur sein, an der Wetterlage liegen oder auch verkehrsrechtliche Gründe haben. Grünes Licht von der lokalen Behörde gab es dann auch erst nach dem technischen Abnahmeflug (dem Accpetance Flight) 36 Stunden vor dem geplanten Abflug.

AW: Unterscheiden sich die Vorbereitungen zu einem solchen Flug von denen eines normalen Linienfluges und wenn ja, in welcher Hinsicht?

Cpt. Lernbeiss: Erheblich. Das Flugzeug durchlief bei der Auf- und Umrüstung in Hong Kong auch einen Zertifizierungsprozess. Abhängig mit welcher Zertifizierung dann geflogen wird, ändern sich die zugrundeliegenden Verfahren und damit die Flugvorbereitung. Aber ein ganz anderer wesentlicher Punkt ist, dass man bei so einem Übersteller, wie wir das nennen, keine Passagiere befördert. Das klingt vielleicht auf den ersten Blick danach, also ob wir Piloten, quasi dann ein bisschen fliegen können, wie wir wollen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Der kommerzielle Luftverkehr hat Vorfahrt vor dem Nichtkommerziellen. Man muss sich hinten anstellen und das kann dann auf einem Flughafen wie Hong Kong schon mal zu längeren Wartezeiten, ungeplanten und meist tieferen Flughöhen führen. Auf diese Umstände muss man in der Planung natürlich eingehen. Es kommen eigene Verfahren für Slots zur Anwendung oder aber auch die gesamte Abfertigung unterscheidet sich grundlegend. Ein Flugzeug wie die Triple Seven leer 12 Stunden zu fliegen benötigt daher ein Vielfaches an Vorbereitung als bei einem „normalen“ Flug mit Passagieren. Da können schon mal Monate ins Land ziehen, bis man alle Genehmigungen erhält. Speziell die letzten Stunden vor Abflug sind meist von äußerst intensiver Vorbereitung geprägt. Bei Austrian ist ein Mitarbeiter eigentlich das ganze Jahr über mit Flügen dieser Art beschäftigt, da uns das ja auch bei Flügen im Rahmen von Wartungsarbeiten trifft. Der eigentliche Flug unterscheidet sich dann nicht wesentlich von anderen.

AW: Sie selbst sind ja technischer Pilot auf der Boeing 777-Flotte der AUA. Was genau bedeutet das beziehungsweise wodurch unterscheiden Sie sich fachlich von anderen Piloten?

Bei der Ankunft in Wien flog die Crew einen low pass samt go around über die Piste 11 - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Cpt. Lernbeiss: Die Führung einer Flotte besteht zumindest aus einem Fleet Manager oder auch Flottenchef genannt, einem Chief Flight Instructor und einem technischen Pilot. Als technischer Pilot stellt man das Bindeglied zwischen der Technik, also zuerst dem Hersteller der Flugzeuge aber auch der MRO, der CAMO, also der Maintenance Organisation, bei uns die Austrian Technik  auf der einen Seite und der Flight Operation auf der anderen Seite dar. Hierzu zählen natürlich die Piloten aber auch die Cabin Crew Organisation. Alle Änderungen, welche der Hersteller dauernd veröffentlicht und welche dann auch umgesetzt werden sollen, müssen dokumentiert und an die Flight Crews aufbereitet kommuniziert werden. Aber auch technische Veränderungen, welche wir dem Hersteller vorschlagen werden über den technischen Piloten weitergereicht. Wir befinden uns in einem Umfeld, in welchem die technischen Ausrüstungen auch ständig verbessert werden müssen, um manche Flugstrecken überhaupt bedienen zu können. Es wird dann zusammen mit dem technischen Piloten diskutiert und letztendlich bestimmt, welche dieser Anforderungen, wie umzusetzen sind. Dabei geht es auch zum Teil um größere Investitionen. Um diese Aspekte abschätzen zu können, ist es von Vorteil und in vielen Airlines auch der Fall, dass man über eine fundierte technische Ausbildung zusätzlich verfügt. Ich selbst bin promovierter Techniker.

AW: Sicherlich gab es viele Flugzeugführer, die diesen besonderen Flug – noch dazu im Jubiläumsjahr – durchführen hätten wollen. Wer entscheidet nach welchen Kriterien, welchen Piloten eine solche Ehre zuteil wird?

Cpt. Lernbeiss: Eigentlich fällt so eine Entscheidung recht pragmatisch. Bevor die 777 Lima Papa Fox überhaupt nach Wien überstellt werden konnte, musste sie im Rahmen eines Acceptance Flights quasi auf Herz und Nieren überprüft werden. Für einen Flug dieser Art benötigt man im Gegensatz zu einem Maintenance Flight nach Wartungsarbeiten eine eigene Ausbildung und das schränkt den Kreis der in Frage kommenden Flugzeugführer schon einmal sehr ein. Wir haben diesen Acceptance Flight 2 Tage vor dem Übersteller durchgeführt. Er hat insgesamt 4 Stunden gedauert. Dabei wird das Flugzeug in seinem gesamten Envelope im Normal ebenso wie im Non Normal Verfahren getestet. Das reicht dann vom Erfliegen der Höchstgeschwindigkeit bis zu Stall, vom Ablassen des Kabinendrucks bis hin zum Fliegen lediglich mit Batterie und Ram Air Turbine. Eine sehr spannende Angelegenheit. Nachdem das gesamte Team dafür schon angereist ist, liegt es auf der Hand, dass dieses Team auch das Flugzeug nach Wien überstellt.

AW: Insgesamt befanden sich drei Piloten und zwei Techniker an Bord. Welche Aufgabe hatten die beiden Techniker während des Fluges?

Fliegen ist Teamarbeit: Cpt. Reinhard Lernbeiss mit dem Rest der Crew, den Ersten Offizieren Markus Benesch und Maurice Herzog sowie den beiden Technikern Christoph Gruber und Martin Neuhold

Cpt. Lernbeiss: Martin Neuhold ist projektverantwortliche Techniker, der das Flugzeug, die letzten 18 Monate, so lange dauert es, um eine Tripple in den Liniendienst zu stellen, betreut hat. Auch am Ferry Flight werden noch Tests und Verifications durchgeführt, Martin Neuhold ist damit sofort in der Lage auf etwaige Complaints zu reagieren und muss damit nicht bis nach der Landung warten. Der zweite Techniker Christoph Gruber ist zertifizierter Flight Engineer und kann etwaige Werte sofort aus dem System auslesen und dokumentieren. Er ist letztendlich dafür verantwortlich das Flugzeug „klarzuschreiben“, hätten wir in Hong Kong noch ein Problem technischer Natur gehabt. Aber vor allem ist ein Flight Engineer notwendig für den Acceptance Flight, da dieser das Programm bestimmt, das gemacht wird. Wie schon erwähnt braucht es für diese Art von Flügen eine besondere Vorbereitung, Maurice Herzog der Flottenreferent, hatte die Aufgabe diese Vorbereitung zu tätigen. Es ist daher unabdingbar, F/O Herzog bei diesen Flügen dabei zu haben, denn er kennt die Leute, die man anrufen muss, damit etwa entsprechende Genehmigungen abgeändert werden können.

AW: Gab es aus fliegerischer oder technischer Sicht irgendwelche Besonderheiten oder unvorhergesehenen Ereignisse während der Reise?

Cpt. Lernbeiss: Das Wetter in Hong Kong, das vorhergesagte Wetter in Wien und das Wetter in Zeltweg, war uns nicht gnädig, und das hat das Rahmenprogramm etwas durcheinander gebracht, was sehr schade ist. Wir werden es nachholen, versprochen.

AW: Normalerweise haben Sie 300 Passagiere sowie eine komplette Kabinencrew an Bord – dieses Mal war das Flugzeug quasi leer. Macht das fliegerisch „mehr Spaß“, wenn man so will?

Cpt. Lernbeiss: Wie schon gesagt, eigentlich ist es genau umgekehrt. Ich liebe es mit Passagieren zu fliegen. Das Feedback, welches wir täglich bekommen, macht es einzigartig, macht es erst zu dem wofür wir hier stehen. Unsere Fluglinie, unsere Austrian, hat immer schon eine ganz besondere Verbindung zu ihren Passagieren gehabt. Wenn man hier arbeitet bekommt man das irgendwann in seine Gene. Es fühlt sich fast etwas „leer“ an, mit einem leeren Flugzeug zu fliegen. Da fehlt der Duft von Kaffee, das Lächeln unserer Flugbegleiter. Mit Passagieren macht es mehr Spaß.

About
Für Flugkapitän Reinhard Lernbeiss ist es nach eigener Aussage eine "Gnade", Pilot sein zu können. 1984 begann er mit seiner Flugausbildung, drehte sprichwörtlich jeden Schilling um: "Drei Tage Schichtarbeit waren nötig, um mir eine Flugstunde leisten zu können." 1988 absolvierte der Technikfan schließlich erfolgreich die Aufnahmeprüfung bei Austrian Airlines und beschreibt den Entschluss zur Bewerbung als "beste Entscheidung in meinem Leben" - und noch immer sei es "etwas Besonderes, für dieses Unternehmen zu arbeiten". 

Insgesamt 58 verschiedene Muster hat Lernbeiss in seinem Flugbuch stehen, bei der AUA flog er bereits die MD-80, den A320, den A330, den A340 und aktuell die Boeing 777. Mittlerweile hat der Flieger aus Leidenschaft 18.000 Flugstunden absolviert, 10.000 davon als Kapitän. Auf der Boeing 777 saß Lernbeiss 3.000 Flugstunden im Cockpit.

(red HP)