Reportagen

Fotoreportage: Die IL-18 an der Autobahn

Reich an Geschichte ist unser nördlicher Nachbar Tschechien. Auch der Bereich Luftfahrt bildet hier keine Ausnahme. Neben zahlreichen Flugplätzen und interessanten Museen finden sich auch einige zu Restaurants umgebaute Maschinen in dem Land. Austrian Wings hat eine davon besucht.

Jene IL-62, die in der "Excalibur City" an der österreichisch-tschechischen Grenze steht und als Restaurant genutzt wird, ist wohl vielen Menschen in Österreich bekannt. Ein wahrer Geheimtipp befindet sich jedoch einige hundert Kilometer weiter nördlich im Bezirk Jungbunzlau (Mlada Boleslav). Neben der Autobahn D10, die von Prag nach Reichenberg führt, ist eine viermotorige IL-18 zum letzten Mal "gelandet" und dient heute als Autobahnraststätte.

Die nahe Mnichovo Hradiště abgestellte IL-18D hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Im Jahr 1967 wurde der viermotorige Turboprop als OK-WAJ an die staatliche tschechoslowakische Fluggesellschaft "CSA Československé aerolinie" ausgeliefert und stand dort bis Oktober 1984 im Dienst. In dieser Zeit wurde die Maschine unter anderem auf den Flügen ins kubanische Havanna eingesetzt. Bis zu ihrer Ausmusterung 1984 absolvierte die Maschine laut tschechischen Quellen 23.578 Flugstunden sowie 20.829 Starts und Landungen, was darauf schließen lässt, dass die IL-18 auf den Langstrecken schon bald durch die IL-62 abgelöst und fortan primär innereuropäisch eingesetzt wurde. Dieses Foto hier zeigt die OK-WAJ etwa im Jahre 1984 auf dem Flughafen Zürich, im Hintergrund sind eine TU-154 der Tarom sowie eine Boeing 727-200 der Turkish Airlines zu erkennen.

Zwei Jahre nach ihrer aviatischen Ausflottung, im Herbst 1986, erfolgte die Eröffnung als Autobahnraststätte, zunächst in einer neutralisierten Bemalung. Doch nach einigen Jahren wurde das Lokal geschlossen, die Maschine rottete fortan vor sich hin. 2006 erfolgte die Wiedereröffnung, der optische Zustand der Maschine war allerdings mittlerweile bemitleidenswert, wie diese Aufnahme vom Sommer 2006 belegt.

Erst später erhielt das Flugzeug dann seinen heutigen Anstrich, offenbar gesponsert von Kofola, dem größten tschechischen Konkurrenten von Coca Cola und Pepsi. In der Maschine selbst befinden sich einige Sitze mit Tischen in Konferenzbestuhlung sowie ein Souvenirshop. Bei schönem Wetter laden klassische "Heurigentische", die rund um das Flugzeug aufgestellt wurden, zum Verweilen ein. Besonders interessant für Luftfahrtfans dürfte allerdings ausfallen, dass man das Cockpit ohne störende Plexiglasscheibe vor der Linse bestaunen und fotografieren kann.

Und wenn man schon in der Gegend ist, empfiehlt sich auch ein Besuch der Stadt Jungbunzlau (Mlada Boleslav) - hier ist nicht nur der Sitz der Skoda Werke samt Firmenmuseum, sondern es befindet sich auch ein historischer Flugplatz in der Stadt, samt angeschlossenem Museum mit vielen einzigartigen Fluggeräten, einer Art "tschechischer Hangar 7". Kulturinteressierten sei darüber hinaus ein Besuch der mittelalterlichen Altstadt sowie des jüdischen Friedhofes empfohlen.

Fotoimpressionen:

Die IL-18D wurde von vier AI-20M-Triebwerken mit 3166 kW angetrieben, was zu einem maximalen Startgewicht von 64.000 kg bei einer Startstrecke von 1370 m führte. Zusätzliche Tanks wurde im Tragflächenmittelstück installiert. Die Reichweite erhöhte sich dadurch auf 6.500 Kilometer
Bugfahrwerk
Hauptfahrwerk
Blick auf Seiten- und Höhenleitwerk
In den Anbauten neben dem Flugzeug befinden sich Lager und Kücheneinrichtungen
Heute geht es komfortabel in der Kabine zu. Früher fanden in einer IL-18D bei enger Bestuhlung bis zu 122 Passagiere Platz
Der Arbeitsplatz der Piloten
Mittelkonsole mit den vier Schubhebeln sowie den markanten Trimmrädern für das Höhenleitwerk
Arbeitsplatz des Funkers
Links hinter den Piloten saß der Navigator; die Besatzung der IL-18 bestand aus zwei Piloten, einem Navigator sowie einem Flugingenieur und gelegentlich auch noch einem Funker

Text & Fotos: P. Huber