Samstagnachtmittag gegen 16:50 Uhr stürzte die Junkers Ju 52/3m, HB-HOT, der Ju Air, beim Piz Segnas in Graubünden ab. Etwa 10 Minuten später hätte die Maschine auf dem Flugplatz Dübendorf landen sollen. An Bord befanden sich 17 Passagiere, zwei Piloten und eine Flugbegleiterin, die seit 2002 für Ju Air flog.
Die Schweizer Einsatzkräfte haben umgehend eine Such- und Rettungsaktion gestartet, bei der das zertrümmerte Wrack der "Tante Ju" in einer Höhe von 2.540 Metern entdeckt wurde. Neben einem Großaufgebot an bodengebundenen Rettungskräften standen auch fünf Helikopter im Einsatz.
"Das Flugzeug ist nahezu senkrecht abgestürzt. Alle 20 Insassen sind dabei ums Leben gekommen. Es gab nach dem Absturz keinen Brand."
Daniel Knecht, Unfallermittler der SUST
Ju Air selbst bestätigte den Verlust der Maschine: "Wir haben die traurige Pflicht, darüber zu informieren, dass am Samstagnachmittag, 4. August 2018, eine Ju-52 der JU-AIR im Kanton Graubünden verunfallt ist." Über Opfer beziehungsweise mögliche Überlebende wurden bisher keine Angaben gemacht. Aufgrund des Zerstörungsgrades des Wracks dürfte es nach derzeitigem Stand mit hoher Wahrscheinlichkeit jedoch keine Überlebenden geben. Die Angehörigen und Freunde der Passagiere und der Crew werden zur Stunde von einem Kriseninterventionsteam betreut.
Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) eine Luftraumsperre über der Absturzstelle angeordnet. Die Unglücksursache ist noch völlig unklar, Ju Air hat den Flugbetrieb vorerst eingestellt. Ob beziehungsweise wann der Betrieb wieder aufgenommen wird, war vorerst unklar. Ju Air CEO Kurt Waldmeier: "Das können wir noch nicht abschätzen." Das Luftfahrtmuseum auf dem Flughafen Dübendorf bleibt bis auf weiteres ebenfalls geschlossen, die Fahnen auf dem Flugplatz wehen auf Halbmast. Flugkapitän Waldmeier war Mitbegründer der Ju Air und verfügt auf der Ju 52 über eine Flugerfahrung von rund 5.000 Stunden.
Der letzte Flug
Auf einer Pressekonferenz gaben Andreas Tobler von der Schweizer Exekutive sowie Daniel Knecht von der Flugunfalluntersuchungsstelle SUST vor rund 50 Journalisten den aktuellen Ermittlungsstand bekannt.
Demnach war die Maschine am Freitag, 3. August, von Dübendorf nach Locarno geflogen. Der Rückflug nach Dübendorf startete um 16:10 in Locarno. An Bord befanden sich 9 Frauen und 11 Männer, darunter auch die dreiköpfige Besatzung, bestehend aus zwei Luftfahrzeugführern und einer Flugbegleiterin. Unter den Insassen war laut Polizeisprecher Tobler auch ein Ehepaar aus Österreich mit seinem Sohn. Kurz vor 17 Uhr stürzte die Ju 52 dann ab, ein Aufschlagsbrand brach nicht aus. Über die Ursache konnten weder Tobler noch Knecht konkrete Angaben machen. Knecht betonte aber, dass sich die Ermittlungen aufgrund des Fehlens eines Flugschreibers und eines Cockpit Voice Recorders "schwierig" gestalten werden.
"Es wurde kein Notruf vor dem Absturz empfangen."
Andreas Tobler, Schweizer Exekutive
Knecht: "Allerdings lässt sich aufgrund des Schadensbildes vor Ort bereits jetzt sagen, dass die Maschine nahezu senkrecht und mit hoher Geschwindigkeit auf dem Boden aufgeschlagen ist. Wir haben keine Hinweise für eine Kollision mit einem anderen Luftfahrzeug oder einem sonstigen Hindernis, wie etwa Kabel." Auch deute nichts darauf hin, dass sich vor dem Absturz Teile vom Flugzeug gelöst hätten.
Einige Schweizer Medien zitierten einen Augenzeugen, der gesehen haben will, dass die Maschine kurz vor dem Absturz eine 180-Grad-Kurve geflogen, dabei abgekippt und senkrecht abgestürzt sei. Dazu befragt, äußerten sich die Ermittler nicht. Polizeisprecher Andreas Tobler: "Ja, es gibt mehrere Augenzeugen, doch zu deren Angaben äußern wir uns derzeit noch nicht." Die Beobachtung des zitierten Zeugen deckt sich jedoch mit dem Schadensbild, wonach die Ju senkrecht abgestürzt ist. Für Piloten ist dies ein Indiz für einen möglicherweise beim Kurvenflug erfolgten Strömungsabriss (Stall).
Auch der bekannte Schweizer Aviatik-Journalist und Chefredakteur von "SkyNews" ist dieser Meinung. Der Unfallhergang und die Wracklage lassen für ihn nur einen Schluss zu: "Das deutet darauf hin, dass das Flugzeug einen Strömungsabriss erlitten hat. Dann fällt das Flugzeug eben senkrecht zu Boden. Ich denke, dass das heiße Wetter bestimmt eine Rolle gespielt hat, denn bei diesen Temperaturen sinkt die Leistungsfähigkeit des Flugzeuges mit zunehmender Höhe."
"Es war der schwierigste und schmerzlichste Tag in der Geschichte der Ju-Air. Wir sprechen der Familie und den Angehörigen unser tief empfundenes Beileid aus. Wir alle haben einen großen Verlust erlitten."
Kurt Waldmeier, Gründer und CEO der Ju Air
Bergung der Opfer hat Priorität
Aktuell würden die Leichen der 20 Opfer im Alter von 42 bis 84 Jahren geborgen. Dies werde noch einige Zeit dauern, heißt es. Die Angehörigen der Insassen sowie die Augenzeugen würden von einem so genannten "Care Team" psychologisch betreut. Als nächster Schritt werde das Wrack selbst mit Unterstützung der Schweizer Luftwaffe von der Unglücksstelle abtransportiert und eingehend untersucht.
Erfahrene Crew
Im Anschluss an die Ermittler äußerte sich Ju Air Gründer und CEO Kurt Waldmeier, der zunächst allen Freunde und Hinterbliebenen sein tief empfundenes Beileid aussprach. Dann erklärte Waldmeier, dass beide Piloten früher bei der Luftwaffe geflogen seien, beide seien als Flugkapitän qualifiziert gewesen.
Der eine Kapitän war demnach 62 Jahre alt und mehr als 30 Jahre lang Linienpilot. Er flog mehr als 30 Jahre bei Swissair und Swiss, zuletzt als Kapitän auf Airbus A330 und A340. Bei der Luftwaffe flog er insgesamt 28 Jahre als Militärpilot. Seit 2004 flog er regelmäßig Ju 52 der JU-AIR. Er hatte auf dem Muster bereits 943 Flugstunden und war damit einer der erfahrenen Piloten der Ju Air, wie die Gesellschaft in einer Medienmitteilung verlautbarte. Er hinterlässt seine langjährige Lebenspartnerin.
Der zweite Kapitän war 63 Jahre alt und seit 2013 bei Ju Air. Er hatte 297 Stunden Flugerfahrung auf der Tante Ju und war 30 Jahre Militärpilot bei der Luftwaffe sowie mehr als 30 Jahre Linienpilot bei Swissair, Swiss und Edelweiss – zuletzt als Kapitän auf Airbus A330 und A340. Er hinterlässt seine Frau und zwei Söhne.
Die verunglückte Flugbegleiterin war 66 Jahre alt und übte ihren Beruf seit 40 Jahren aus. Für Ju Air flog sie seit 16 Jahren.
"Wir können uns nicht erklären, wie es zu diesem Unglück gekommen ist."
Kurt Waldmeier, Gründer und CEO der Ju Air
Die Unglücksmaschine
Die verunglückte HB-HOT, eine Junkers Ju 52/3m g4e wurde am 4. Oktober 1939 an die Schweizer Luftwaffe ausgeliefert und flog dort unter der Kennung A-702, bis sie am 15. Oktober 1982 an die Ju Air abgegeben wurde. Die Maschine hatte mehrere Filmauftritte, so war sie 1968 in dem Film "Agenten sterben einsam" und im 2007/2008 gedrehten Film "Operation Walküre" mit Tom Cruise, war sie unter der Kennung D-2600 als Reiseflugzeug des Diktators Adolf Hitler zu sehen. Bis zum Absturz hatte die Maschine rund 10.000 Flugstunden absolviert.
"Ich kann nicht beschreiben, wie es in mir drinnen aussieht. Es waren Freunde von mir, die geflogen sind."
Kurt Waldmeier, 5.000 h Erfahrung auf der Ju 52
Über Ju Air
Gegründet wurde die Ju-Air im Jahr 1982, als in der Schweiz zur Überführung von drei Junkers 52 (HB-HOS, HB-HOP, HB-HOT) aus der Schweizer Luftwaffe in die Zivilluftfahrt Spendengelder gesammelt wurden. Zwei (HB-HOS, HB-HOP) der drei Ju 52 wurden 1983 für Rundflüge in Betrieb genommen. Mit Hilfe von 60 ehrenamtlichen Mitarbeitern wurden in einfachen Baracken schon im ersten Jahr 5.500 Fluggäste abgefertigt. 1985 wurde die dritte Ju 52, die nun verunglückte HB-HOT, in Betrieb genommen. 1997 wurde die CASA 352 des VFL e.V. der Ju-Air zum Betrieb überlassen und mit der Kennung (HB-HOY) in die Flotte eingegliedert. Mit vier Ju 52 war Ju Air damit der größte Betreiber dieses Typs weltweit. Die HB-HOY wurde Ende 2016 stillgelegt. Die Crews stammen in erster Linie vom Militär beziehungsweise der Swissair oder SWISS und gelten als Vollprofis.
Zwei Abstürze an einem Tag
Samstag war ein schwarzer Tag für die Schweizer Luftfahrt: Denn bereits wenige Stunden vor der Ju 52 war eine einmotorige Maschine in der Schweiz abgestürzt. Die vier Insassen - Vater, Mutter und zwei Kinder - kamen ums Leben.
(red)