Robert Neukam, so heißt der findige Hotelunternehmer, der in früheren Jahren jährlich mehr als 300.000 Flugkilometer zurücklegte und somit viel Zeit in Passagier-Jets verbrachte, sah auf den diversen Flughäfen dieser Welt immer wieder abgestellte und vor sich dahin darbende ehemalige Passagierflugzeuge, deren Schicksal ihm "nahe ging", wenn man so will. So wurde auf den langen Flügen die Idee geboren, ein oder zwei ehemalige Passagierjets auf dem Dach seines Hotels als Restaurant und Sehenswürdigkeit der etwas anderen Art zu platzieren.
Neukam, ein Mann der Taten, präsentierte diese Idee den zuständigen Behörden in Graz, die anfänglich ganz und gar nicht davon begeistert waren und sie quasi als Spinnerei beziehungsweise Faschingsscherz abtaten. Hartnäckigkeit zahlte sich hier aber aus und so nach und nach kam auch die Grazer Stadtregierung zu der Erkenntnis, dass dieses Vorhaben eigentlich nur positiv für den Tourismus in Graz sein konnte. Die offizielle Zustimmung samt einer kleinen Tourismusförderung war geboren, und die eigentliche Arbeit am Projekt konnte beginnen.
Nach langem Surfen im Internet, fand Neukam am US Airport El Paso in Texas die gegroundete blau lackierte Boeing B727-231, die im April 1969 an TWA ausgeliefert wurde und in späterer Folge als Teamflieger der beiden Baseball-Mannschaften "Chicago White Sox" und "Montreal Expos" diente. Auch bei "Inter Air South Africa" kam der Dreistrahler zum Einsatz. Der Kaufvertrag konnte rasch abgeschlossen werden und Freude kam auf. Jedoch beim Abholen der Boeing waren die amerikanischen Vertragspartner gelinde gesagt ein wenig "unfair" und lizitierten den Kaufpreis mit allen möglichen Tricks in die Höhe, so dass Neukam nichts anderes übrig blieb, als tiefer in die Geldtasche zu greifen als ursprünglich vereinbart war.
Ganz so stellte sich Neukam die vertragskonforme Zusammenarbeit mit den US-Amerikanern nicht vor. Doch die Boeing gehörte nun ihm und wurde per Schiff via Houston, Antwerpen, Rhein-Main-Donau Kanal nach Enns und von dort per LKW nach Graz transportiert, Austrian Wings berichtete. Der Transport via LKW gestaltete sich für die Boeing als auch für die kurze Zeit später aus Heidenreichstein in Niederösterreich erworbene Ilyushin IL-62M (Baujahr 1976), die dort seit rund 18 Jahren als Restaurant ihr Dasein pflegte und einst dem tschechoslowakischen Präsidenten Gustav Husak als Präsidentenmaschine diente, nicht gerade einfach. Straßenschilder- und Laternen, diverse Ortstafeln und andere Hindernisse, wie Kreisverkehre und Eisenbahnkreuzungen, mussten aus dem Weg geräumt werden. Die Statik des Hotels wurde ebenso angepasst um das Gewicht der beiden Jets (45 Tonnen und 70 Tonnen) zu (er)tragen. Es gibt viele Pools auf Hoteldächern, die in etwa dasselbe Gewicht auf die Waage bringen wie meine großen Jets, meinte Neukam. Mit riesigen Kränen einer bekannten Baufirma wurden die beiden Flugzeuge in ihre Positionen auf dem Hoteldach gehievt und erweckten dabei ein enormes Interesse an Schaulustigen. Anfang September 2018 konnten die weltweit einzigen, auf einem Hoteldach abgestellten ehemaligen Passagierflugzeuge ihren Dienst als Flieger-Restaurant, Flieger-Bar, Sehenswürdigkeit und Grazer Attraktion aufnehmen.
Boarding in rund 22 Meter Höhe
Der Ausblick aus den beiden Jets über die Dächer von Graz ist wirklich attraktiv. Ein Besuch der Location ist nicht nur Fliegerfans, sondern auch für jenen, die es noch werden wollen, empfohlen. In Anlehnung an den Hotelnamen Novapark wurde Nova Air zur Marke erhoben und somit zum fiktiven Flughafen "City-Airport Graz-Nord", wie der Direktor des "echten" Grazer Flughafens, Gerard Widmann, scherzte.
Die Gesamtkosten des Projekts betrugen rund zwei Millionen Euro, die Flugkapitän Neukam natürlich wieder herein spielen muss. So ist das Terminal Nova Air täglich von 11 – 22 Uhr zu besichtigen. Der Eintritt kostet fünf Euro. Senioren, Studenten und Kinder von 6 – 14 Jahren zahlen drei Euro. Für Besucher, die nicht genug bekommen können, gibt es die Nova Air Gold Card, die je nach Kategorie, einen mehrmaligen Eintritt ermöglicht.
Für nächtigende Hotelgäste ist der Eintritt frei. Die B727 ist innen fein ausgestattet - fast noch im Originalzustand - und wird als Restaurant im Abendbetrieb geführt. Um wirklich einen guten Platz zu bekommen, sollte man vorab buchen, denn der Besucherandrang ist enorm.
"52 Sitzplätze und die angeschlossene Küche legen den Grundstein für ein besonders kulinarisches Erlebnis", meint Neukam. Den Ausklang eines feinen Dinners kann man anschließend in der IL-62M zelebrieren, die im vorderen Bereich mit einer gemütlichen Flieger Bar ausgestattet ist und im hinteren Bereich einen herrlichen Ausblick auf den Grazer Schlossberg bietet. Geöffnet ist die Flieger-Bar täglich bis 24 Uhr und bei Bedarf auch noch länger.
Graz hat zweifelos eine interessante Attraktion mehr und eine Feier oder ein Event in einer außergewöhnlichen Location in 22 Meter Höhe – Stichwort: Weihnachtsfeiern - wäre doch etwas? Apropos freie Flächen am Hoteldach: Auf meine Frage an Helmut Neukam, ob er in Anbetracht der freien Fläche nicht doch noch ein drittes Flugzeug anschaffen möchte, antwortete er fast ein wenig wehmütig: "Das Herz sagt ja, aber meine Frau und der enorme Aufwand sprechen dagegen."
Weitere Informationen unter: www.nova-air.at bzw. www.novapark.at
Fotoimpressionen:
Text & Fotos: Franz Zussner