Reportagen

Happy Birthday! Die Königin der Flying Bulls wird 60 Jahre jung

Klassisch und zeitlos stilvoll ... - Foto: Cornelius Braun / Red Bull Content Pool

Einzigartig ist die DC-6 der Flying Bulls aus Salzburg. Heuer feierte die Maschine ihren 60. Geburtstag. Dass sie sich in diesem stolzen Alter in einem technisch makellosen Zustand präsentiert, ist Red Bull Boss Dietrich Mateschitz und dem engagierten Team der Flying Bulls zu verdanken. Austrian Wings beleuchtet die Geschichte dieses Klassikers der Lüfte.

1944 als Nachfolger der DC-4 entwickelt, hob die erste DC-6 im Jahr 1946 zu ihrem Jungfernflug ab. Bis 1958 verließen insgesamt 704 Flugzeuge die Werkshallen der Douglas Aircraft Company in Santa Monica. In den 1950er Jahren dominierten die viermotorigen Airliner aus dem Hause Douglas den Mittel- und Langstreckenverkehr weltweit, auch auf den Transatlantikstrecken war die elegante Maschine anzutreffen und galt als direkter Konkurrent der Lockheed Constellation-Reihe. Doch mit dem Aufkommen der ersten Turbopropflugzeuge und Jets Mitte bis Ende der 1950er Jahre ging die Ära der kolbenmotorgetriebenen Verkehrsflugzeuge zu Ende. Sukzessive wurden die Maschinen in die "zweite Reihe" verbannt oder zu Frachtern umgebaut.

VIP-Flugzeug und "Zeitmaschine" für Luftfahrtenthusiasten
Die vorletzte jemals produzierte DC-6 trug die Seriennummer 45563 und die LN 1034. Das Flugzeug der Baureihe DC-6B wurde am 24. Oktober 1958 mit der Registrierung YU-AFA an die Fluggesellschaft JAT – Jugoslovenski Aerotransport ausgeliefert. Drei Jahre lang diente sie der staatlichen Fluglinie Jugoslawiens als Passagierflugzeug, ehe sie 1961 an die Luftwaffe abgegeben und zum VIP-Flugzeug umgerüstet wurde. Fortan nutzte der jugoslawische Staatspräsident Josip Broz Tito die viermotorige Maschine für seine Staatsreisen – vierzehn Jahre lang. 1975 schließlich verschenkte Tito das Flugzeug an den Präsidenten von Sambia, Kenneth Kaunda. Wie lange die DC-6B dort aktiv genutzt wurde, lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen. Fest steht allerdings, dass sie irgendwann in einer Ecke des Flughafens von Lusaka abgestellt wurde und dort zu verrotten drohte.

Die Maschine noch in den Farben ihres alten Betreibers NCA - Foto: Red Bull Content Pool

Doch 1992 stieß Chris Schutte, Betreiber des Luftfahrtunternehmens NCA (Namibia Commercial in Windhuk/Namibia), im Zuge eines Ersatzteilkaufes auf die in Sambia vor sich hindämmernde DC-6B. Da erst stellte sich heraus, was für alle Luftfahrtinteressierten heute von Bedeutung ist: Diese DC-6B mit der Seriennummer 45563 ist die Schwestermaschine der DC-6B, Seriennummer 45564, und diese beiden Flugzeuge sind zusammen die beiden letzten je gebauten Maschinen der DC-6 Serie. Sie wurden fast zeitgleich an die JAT ausgeliefert, später an die jugoslawischen Streitkräfte weitergegeben und dann nach Sambia verfrachtet.

Zusammen mit Tonnen von Ersatzteilen erwarb Schutte die beiden DC-6B. Weil die Maschine mit der Seriennummer 45463 technisch in einem deutlich besseren Zustand als ihre Schwestermaschine war, wurde sie flugfähig gemacht und 1993 nach Windhuk überstellt. Dort erfolgte eine Grundüberholung, sicherheitsrelevante moderne Ausrüstung wurde – allerdings ohne das historische Gesamtbild zu beeinträchtigten – verbaut. Ab März 1995 führte Schutte mit der restaurierten Maschine, die nun das Kennzeichen V5-NCF trug, Rundflüge für Touristen und Luftfahrtinteressierte aus aller Welt durch. Dazu kamen Promotionflüge mit der damaligen Miss Universium. Das Geschäft lief so gut, dass Schutte bald auch die zweite DC-6B (Seriennummer 45564) aus Sambia nach Namibia überstellen konnte.

"Ich glaube, es ist notwendig, dass wir Flugzeuge wie diese erhalten für die Menschen, die nach uns kommen."
Flippie Vermeulen

Bis 1998/99 waren die Maschinen gut ausgelastet, das Unternehmen bot zudem kombinierte Touren an, zu denen Schiffsfahrten auf dem Lake Kariba in Zimbabwe gehörten. Doch Unruhen in Angola an der Grenze zu Namibia führten nach und nach zu einem Zusammenbruch des Marktes. Die NCA sah sich gezwungen, eine ihrer Maschinen zu verkaufen. Durch einen Artikel zum Thema in einem Luftfahrtmagazin wurde im März des Jahres 2000 eine österreichische Luftfahrtlegende, Siegfried "Sigi" Angerer, bis 2013 Chefpilot der Flying Bulls, auf die zum Verkauf stehende ehemalige Regierungsmaschine Titos aufmerksam.

Vor dem Überstellungsflug wurde bereits ein Zusatzschriftzug auf dem Rumpf angebracht - Foto: Red Bull Content Pool

Aufwendige Restaurierung
Angerer und der seinerzeitige Flying Bulls Geschäftsführer Harald Reiter zögerten keine Sekunde und reisten noch am gleichen Tag nach Windhuk. Zwei Tage später, am 13. März 2000, unterzeichneten Reiter und NCA-Boss Chris Schutte einen Vorvertrag über den Kauf des historischen Flugzeuges. Danach folgten Monate, in der sich die Flying Bulls mit der lähmenden afrikanischen Bürokratie herumschlagen mussten. Ende Juni 2000 war es dann endlich soweit: Sigi Angerer brach mit einem Technikerteam von Salzburg nach Namibia auf, um die DC-6 auf die lange Reise von Afrika nach Salzburg vorzubereiten.

Heading Salzburg! - Foto: Red Bull Content Pool

Nach einer Woche voller harter Arbeit war es schließlich soweit: Am 7. Juli 2000 hob die V5-NCF, vollgepackt mit den wichtigsten Ersatzteilen, jeder Menge Öl für die "durstigen" Motoren und Catering für eine 20-köpfige Mannschaft, vom Eros-Airport in Windhuk ab und wurde von ihrer Schwestermaschine, der V5-NCG, getrennt. Neben Sigi Angerer, seinem Sohn Daniel und dem deutschen Oldtimer-Experten Klaus Plasa waren auch zwei erfahrene Piloten der South African Airways – darunter der bekannte Oldtimer-Spezialist Flippie Vermeulen, der 1990 die South African Airways Historic Flight gegründet hatte – sowie ein Flugingenieur von NCA mit an Bord. In vier Tagen und 28 Flugstunden ging es mit Zwischenstopps in Victoria Falls, Entebbe und Luxor insgesamt rund 8.000 Kilometer nach Salzburg, wo der historische Airliner vom Team der Flying Bulls sowie von Dutzenden Planespottern schon sehnsüchtigst erwartet wurde.

"Es gab keine Probleme, es war ein schöner Flug. Ich bin stolz, dabei gewesen zu sein, und ich bin froh, dass die DC-6 ein gutes Zuhause gefunden hat. Hier kümmert man sich um sie. Die Menschen haben vergessen, welche entscheidende Rolle diese Maschinen in der Geschichte der Luftfahrt gespielt haben."
Flippie Vermeulen nach der Ankunft in Salzburg

In den kommenden Monaten wurden noch einige Test- und Promotionflüge in Österreich durchgeführt, ehe sich die Flying Bulls mit Jahresende 2000 entschlossen, die Maschine einem D-Check zu unterziehen und dabei auch die Inneneinrichtung im VIP-Stil zu gestalten. Was zu diesem Zeitpunkt noch keiner ahnen konnte, war, dass sich die Arbeiten länger als geplant hinziehen würden.

Kaum zu glauben, dass die Königin der Flying Bulls im Jahr 2001 so aussah - Foto: Red Bull Content Pool

Denn sprichwörtlich hinter jeder Verkleidung, die die Techniker abnahmen, kamen alterungsbedingte Abnutzungserscheinungen, Korrosion oder auch – kurios – afrikanische Bienennester zum Vorschein. Rasch war allen Beteiligten klar, dass es jeder Menge Arbeit bedürfen würde, um die DC-6 in einen wirklich guten Zustand zu versetzen. Glücklicherweise verfügen die Flying Bulls dank ihrem als ausgesprochen luftfahrtaffin geltenden Gründer Dietrich Mateschitz über ein solides finanzielles Polster, und so wurde monatelang weltweit nach Spezialisten für das wohl weltweit einzigartige Restaurierungsprojekt gesucht.

Blick in die Kabine während der Restaurierung - Foto: Red Bull Content Pool
Auch das Cockpit wurde komplett demontiert und neu aufgebaut - Foto: Red Bull Content Pool

Ab 2001 arbeiteten diese Fachleute Tausende Stunden daran, um die DC-6 wieder in die Luft zu bringen. Dabei wurde mehr als die Hälfe der Aluminium-Außenhaut des Flugzeuges ersetzt. Die Bleche dafür mussten von Hand nach traditionellen kaum noch bekannten Methoden des Flugzeugbaus neu angerfertigt werden. Auch die elektrischen Leitungen wurden erneuert, insgesamt 60 Kilometer Kabel neu eingebaut. Die Suche nach geeigneten Ersatzteilen  – etwa nach passenden Bremsscheiben – in Museen, bei anderen DC-6-Betreibern weltweit und auf Flugzeugfriedhöfen, glich einer Detektivarbeit. Allein die Lieferzeit für die aus den USA angelieferten vier Pratt & Whitney R 2800 CB-3 Doppelsternmotoren, von denen jeder 2.400 PS leistet, betrug mehr als ein Jahr. Die Motoren wurden eingebaut, verkabelt und an einen modernen Bordcomputer angeschlossen, der die sensiblen Triebwerke genauestens überwacht und der Flightcrew sowie der Wartungsmannschaft wichtige Informationen über den Zustand der Motoren liefert. Selbst die Druckkabine wurde in einen funktionstüchtigen Zustand versetzt. Auch im Cockpit hielt – aus Sicherheitsgründen – etwas Moderne Einzug, wie etwa GPS-Systeme. Hierbei gelang es den Spezialisten dennoch, das historische Flair des Flugdecks aus den 1950er Jahren weitgehend zu erhalten. Die Kabine erstrahlte nun ebenfalls in neuem Glanz. Statt möglicher 100 Sitze wurden nur 35 eingebaut, dafür gibt es einen Loungebereich sowie eine Bar für die Reisenden.

Das neue Design wird angebracht - Foto: Red Bull Content Pool
Eine der vier Triebwerksaufhängungen - Foto: Red Bull Content Pool
Die vier Doppelsternmotoren - Foto: Red Bull Content Pool
Optisch schon (fast) komplett, doch das Seitenleitwerk und die vier Luftschrauben fehlen noch - Foto: Red Bull Content Pool
3. Juli 2004: Die Triebwerke werden das erste Mal gestartet - Foto: Red Bull Content Pool
Die Kabine versprüht den Charme eines Erste Klasse Salons - Foto: Johannes Kasberger / Austrian Wings
Es gibt sogar eine eigene Bar, und die Uniform der Flugbegleiterinnen ist den Modellen der frühen Jahre der Verkehrsluftfahrt nachempfunden - Foto: Johannes Kasberger / Austrian Wings

Bei der Lackierung wurden mehrere Varianten diskutiert und wieder verworfen. Schließlich einigte man sich auf ein Design, das alte und moderne Elemente miteinander verbinden sollte. Im Sommer 2004, nach vier Jahren ununterbrochener Arbeit, stand der "zweite Jungfernflug" der DC-6 schließlich unmittelbar bevor.

"Wir freuen uns auf den zweiten Erstflug. Das wird etwas ganz Besonderes. Die DC-6 ist jetzt in einem besseren Zustand, als zu dem Zeitpunkt, an dem sie das Werk in Santa Monica verlassen hat."
Harald Reiter, damals Geschäftsführer Flying Bulls

Doch bevor es soweit war, galt es zunächst, die Motoren einem gründlichen Probelauf zu unterziehen. Drei der vier Triebwerke arbeiteten problemlos, doch bei einem Motor traten Probleme auf. Öl trat aus der Propellernabe aus. Doch das Problem lag nur an einer defekten Dichtung, die verhältnismäßig rasch getauscht werden konnte.

"Diese Restaurierung ist auf einem so hohen Niveau, dass ich mir sicher bin, dass dieses Flugzeug in 50 Jahren das einzige dieses Typs sein wird, das noch fliegen wird."
Ein Techniker

Das zweite Leben der DC-6B
Am 15. Juni 2004 – 46 Jahre nach ihrer Auslieferung an JAT – hob die vollständig restaurierte DC-6B mit dem neuen Kennzeichen N996DM in Salzburg zum zweiten Jungfernflug ab. Auf dem Kapitänssitz saß der Amerikaner Doug Lee, ein erfahrener Oldtimerpilot mit mehr als 20.000 Stunden Flugerfahrung. Begleitet von einem Hubschrauber als "Photoship" und zwei Alphajets der Flying Bulls führte das neue Flaggschiff einen ausgiebigen Testflug durch, bei dem viele Prüfchecklisten abgearbeitet wurden.

Die Maschine im Hangar 7 in Salzburg - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew
Ein Star, wo immer sie auftaucht - Foto: Christian Schöpf / Austrian Wings Media Crew
Der Sound der vier Doppelsternmotoren ist einzigartig - Foto: Johannes Kasberger / Austrian Wings
1958 oder 2018? - Foto: Johannes Kasberger / Austrian Wings

Damit war der erste Schritt zum "Regelbetrieb" des Oldtimers getan. Doch nach wie vor wartete viel Arbeit auf die Flying Bulls. Denn aktuell saßen noch regelmäßig externe Piloten aus Alaska mit DC-6-Erfahrung im Cockpit der Lady. Nun galt es, eigene Crews auf dem neuen Muster auszubilden. Ein solides Fundament war zweifellos vorhanden, denn sowohl Sigi Angerer als auch Raimund Riedmann – heute Chefpilot Fläche – konnten eine große Erfahrung auf Oldtimerflugzeugen wie der F4U Corsair oder der zweimotorigen B-25 Mitchell vorweisen. Die DC-6 mit ihren vier komplexen Triebwerken war allerdings noch einmal eine eigene Klasse für sich. 

Raimund Riedmann ist Chefpilot Fläche und Flugbetriebsleiter der Flying Bulls. Der gebürtige Tiroler ist seit 2000 Mitglied des Teams und hat mittlerweile mehr als 12.000 Flugstunden im Logbuch stehen; er fliegt sämtliche Typen der Flying Bull Flotte - von der Stearman über die Extra 300 bis hin zur DC-6 - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

"Unmittelbar nach der Aufnahme des Flugbetriebes im Jahr 2004 begannen wir, unsere eigenen Leute auf dem neuen Typ zu schulen", erinnert sich Riedmann im Gespräch mit Austrian Wings zurück. Bei der Ausbildung der Crews kam den Flying Bulls zugute, dass ihre Piloten grundsätzlich bereits Erfahrung mit alten Flugzeugen und Sternmotoren hatten. Trotzdem war die Umschulung aufwändig, so Riedmann: "Die DC-6 war unser erstes Flugzeug, das mit Flugingenieur betrieben wurde. In Österreich gab es gar kein Flugingenieurs-Rating mehr, das musste die Behörde erst wieder reaktivieren", schmunzelt der erfahrene Flieger, der schon in seiner Jugend mit dem Segelfliegen begonnen hatte.

Anders als etwa in der Super Constellation hat der Flugingenieur in der DC-6 kein eigenes Panel quer zur Flugrichtung; er sitzt mit dem Gesicht in Flugrichtung mittig hinter den Piloten und kümmert sich primär um die Bedienung der Triebwerke - Foto: Johannes Kasberger / Austrian Wings
Durch eine verglaste Öffnung in der Kabinendecke konnte der Navigator - in den 1950er und 1960er Jahren gehörte er zur Standardbesatzung - mit Hilfe des Sextanten (Bild) die exakte Position des Flugzeuges bestimmten - Foto: Johannes Kasberger / Austrian Wings

Neben der praktischen Ausbildung auf der DC-6 selbst kam dabei ein Simulator zum Einsatz, wobei man sich dieses Gerät nicht so wie die modernen Full Flight Simulatoren vorstellen darf. "Es handelt sich um ein Trainingsgerät aus den 1950er Jahren, einen analogen Computer gewissermaßen. Der Simulator wurde in den vorderen Rumpfteil einer DC-6 hineingebaut, es gibt kein Bewegungssystem, und ein Plotter zeigt an, wohin man fliegt", betont der Chefpilot der Bullen aus Salzburg.

Außenansicht des Simulators in Alaska - Foto: Red Bull Content Pool

Der Analogcomputer, mit dem die gesamte Anlage gesteuert wird, ist so groß, dass dafür ein eigener Raum benötigt wird. Dieser besteht aus zwei circa 15 Meter langen Reihen.

Trotz zahlreicher Modernisierungsmaßnahmen ...
... hat sich der Charme der 1950er Jahre im Cockpit erhalten - Fotos: Johannes Kasberger / Austrian Wings
DC-6-Fliegen ist schweißtreibende Handarbeit - Foto: Johannes Kasberger / Austrian Wings

Trotzdem könne man damit Arbeitsabläufe im Cockpit, CRM und auch Notverfahren sehr effizient trainieren. Der Simulator gehörte der Northern Air Cargo. Als das Unternehmen den Betrieb der DC-6 vor einigen Jahren einstellte, erwarben diesen die Flying Bulls, um ihn weiterhin nutzen zu können. Eine Übersiedelung nach Österreich wäre enorm aufwendig, zudem bestünde die Gefahr, dass er nach dem Wiederaufbau nicht mehr richtig funktionieren könnte. Und daher trainieren die DC-6-Crews der Flying Bulls auch heute noch mehrere Wochen im Jahr im hohen Norden der USA. Das Interesse in Pilotenkreisen an der DC-6 ist groß, so Riedman: "Wir bekommen viele Bewerbungen von Piloten, die bei uns fliegen wollen." Doch anders als bei großen Airlines beziehungsweise Low Costern, die ihre Flotten aktuell wieder erweitern, ist es nicht so leicht einen der begehrten Plätze im Cockpit zu ergattern. "Wir sind ein kleines Team, haben insgesamt sieben angestellte Piloten, fünf davon für die Fläche, zwei für die Hubschrauber. Dazu kommen ein paar Freelancer." Wer bei den Bullen anheuern möchte, hat am ehesten Chancen, wenn man viel Erfahrung auf Oldtimern, den ATPL (der ist allein schon aus rechtlichen Gründen erforderlich, um die DC-6 fliegen zu dürfen) und den Kunstflugschein mitbringt – neben jeder Menge Geduld.

Foto: Johannes Kasberger / Austrian Wings
Das Hauptfahrwerk - Foto: Johannes Kasberger / Austrian Wings
Foto: Johannes Kasberger / Austrian Wings
Foto: Johannes Kasberger / Austrian Wings
Foto: Johannes Kasberger / Austrian Wings

Auf der DC-6 sind aktuell drei Piloten ausgechecked: Raimund Riedmann selbst, Frederic Handelmann, der im Hauptberuf für Lufthansa fliegt, sowie der ehemalige Bundesheer-Pilot Philipp Haidbauer. Dazu kommen noch die beiden Flugingenieure Don Landl und Martin "Joe" Lösch.

Einzigartig in Österreich - Foto: Johannes Kasberger / Austrian Wings
Foto: Johannes Kasberger / Austrian Wings

Das hat auch damit zu tun, dass die Flying Bulls ihre "Lady" recht wenig fliegen – sie ist nur etwa 100 Stunden pro Jahr in der Luft. "Hätten wir mehr Piloten, wäre die Praxis pro Pilot geringer, und das könnte sich negativ auf die Fähigkeiten und damit auf die Sicherheit auswirken. Bei der Sicherheit machen wir allerdings keine Abstriche, sie ist oberstes Gebot bei der Fliegerei", erklärt Riedmann den bedeutsamen Hintergrund des kleinen Crewpools.

Raimund Riedmann im Cockpit der DC-6 - Foto: Johannes Kasberger / Austrian Wings

Fliegerisch beschreibt der Chefpilot die DC-6 als eine "gutmütige und agile Lady", die "aber auf jeden Fall aktiv geflogen werden will". Und das erfordert durchaus Muskelkraft, denn die Ruder sind über Seilzüge mit dem Steuerhorn im Cockpit verbunden, eine hydraulische Unterstützung oder gar Fly by wire gibt es nicht. Ein Autopilot ist zwar vorhanden, doch dessen Funktionen beschränken sich auf das Halten von Kurs und Flughöhe.

"Die DC-6 pilotieren zu dürfen ist wirklich Fliegen in Reinkultur. Es ist eine Reise zurück in die goldene Ära der Luftfahrt der 1950er Jahre, der Traum eines jeden Piloten."
Raimund Riedmann, Chefpilot Fläche Flying Bulls

Besonderes Augenmerk benötigen auch die Motoren. Für jedes der Triebwerke müssen nicht nur die Leistung, sondern auch Parameter wie das Benzin-Luftgemisch in den Vergasern, der Winkel und die Drehzahl der Propellerblätter sowie die Stellung der Kühlklappen manuell geregelt werden.

Auf dieser Aufnahme gut zu erkennen: Die Kühlklappen der Motoren, hier in geschlossenem Zustand - Foto: Johannes Kasberger / Austrian Wings

"Alte Kolbenmotoren sind wertvolle Schätze. Jeder einzelne hat seine Eigenheiten, und das gilt es zu wissen und bei der Bedienung zu beachten", erläutert Riedmann. "Einfach die Hebel nach vorne schieben wie in modernen Jets oder computerüberwachten Turboprop-Maschinen wäre der Tod unserer Triebwerke. Bei der DC-6 braucht es neben technischem Verständnis auch das entsprechende Feingefühl und die Liebe zur alten Technik."

"Als Fotograf zählen klassische Propellerflugzeuge zu meinen Lieblingsmotiven. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich die DC-6 in der Luft sehe und von allen Dingen auch höre. Sie ist immerhin die einzige flugfähige Maschine dieses Typs in Europa und daher in jeder Hinsicht etwas ganz besonderes."
Ein Planespotter

Obwohl dieses Feingefühl jeder Pilot mitbringen muss, obliegt die Bedienung der Triebwerke im Flug aber zumeist ohnedies dem Flugingenieur. Riedmann: "Wir Piloten geben ihm die gewünschte Leistung in Inches für den Ladedruck an, und er kümmert sich dann um alles Weitere. Aber natürlich können wir bei Bedarf zur optimalen Justierung auch selbst eingreifen." Das sei aber kaum nötig, da die Crews zu 100 Prozent eingespielte Teams seien.

Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Auch wenn es sich viele Luftfahrtenthusiasten wünschen würden, Rundflüge wie etwa in der Ju 52 der Lufthansa oder der Antonov An-2, sind in der DC-6 leider nicht buchbar. Eine Reise in der fliegenden Zeitmaschine – seit 2013 übrigens als erste und einzige DC-6 überhaupt mit österreichischer Kennung (OE-LDM) unterwegs – ist ausschließlich geladenen Gästen des Red Bull Imperiums sowie dem Schöpfer der Flying Bulls selbst vorbehalten. Aber den Fans bleibt wenigstens der Trost, dieses einzigartige Stück Luftfahrtgeschichte noch viele Jahre bei Airshows in ganz Europa am Himmel zu erleben – dafür sorgen die hervorragenden Techniker der Flying Bulls mit größter Leidenschaft.

Happy Birthday, DC-6!

Technische Daten:

Triebwerk: 4x Pratt & Whitney R 2800 CB-3 mit je 2.400 PS und 45 Liter Hubraum
Reisegeschwindigkeit: 460 km/h
Höchstgeschwindigkeit: 550 km/h
Dienstgipfelhöhe: 7.620 Meter
Maximale Flugdauer: 23 Stunden
Reichweite: 8.340 Kilometer (variiert nach Beladung und Wetter)
Treibstoffverbrauch: rund 1.000 Liter pro Flugstunde
Spannweite: 35,8 Meter
Länge: 32,2 Meter
Leergewicht: 28.660 Kilogramm
Maximales Abfluggewicht: 41.821 Kilogramm, bei Verwendung der Wassereinspritzung in den Motoren: 48.534 Kilogramm
Besatzung: 2 Piloten, 1 Flugingenieur, 1 Flugbegleiter

Der Autor bedankt sich bei den Flying Bulls für die freundliche Unterstützung bei der Erstellung dieser Reportage.

Text: HP