Punktlandung

Ethiopian Airlines: Realitätsverweigerung?

Boeing 787 Dreamliner von Ethiopian Airlines - Foto: Austrian Wings Media Crew

Als eine der "sichersten Airlines" der Welt bezeichnet sich Ethiopian Airlines in einer heute verschickten Presseaussendung. Das löst nicht nur bei so manchen Brancheninsidern skeptisches Stirnrunzeln aus.

Zweifellos zählt Ethiopian Airlines auf dem afrikanischen Kontinent zu jenen Airlines mit einer vergleichsweise guten Sicherheitsstatistik. Auch verfügt das Star Alliance Mitglied über eine moderne Flotte. Doch Flugzeuge sind die eine Sache, der Betrieb, die so genannte Operations, eine ganz andere. Und gerade hier sind Zweifel an der Aussage der von Ethiopian Airlines beauftragten PR-Agentur mehr als angebracht.

Ethiopian Airlines, die laut eigener Aussage "zu den sichersten Airlines der Welt" zählt, hat mittlerweile drei Totalverluste mit 247 Todesopfern und drei Verletzten innerhalb von nur neun Jahren zu verzeichnen. Zum Vergleich: Der letzte tödliche Unfall bei der deutlich größeren KLM liegt 42 Jahre zurück, Air Berlin hatte in ihrer 39-jährigen Geschichte überhaupt keinen Unfall mit Todesfolge zu verzeichnen, um auf die Schnelle nur zwei Beispiele zu nennen. Doch zurück zu Ethiopian Airlines.

So stürzte am 25. Januar 2010 kurz nach dem Start in Beirut eine Boeing 737-800 der Gesellschaft ins Meer, alle 90 Insassen starben. Das Flugzeug war in einem technisch einwandfreien Zustand, der Unfall auf ein Totalversagen von Kapitän (nach Dienstjahren sehr erfahren) und First Officer (weniger als 700 Stunden Gesamtflugerfahrung) zurückzuführen. Im Abschlussbericht heißt es zu diesem Unfall unmissverständlich zur Ursache: "The flight crews mismanagement of the aircrafts speed, altitude, headings and attitude through inconsistent flight control inputs resulting in a loss of control. The flight crew failure to abide by CRM principles of mutual support and calling deviations hindered any timely intervention and correction."

Fünf Jahre später, im Jänner, verunfallte eine Boeing 737 Frachtmaschine von Ethiopian Airlines bei der Landung in Accra, drei Verletzte waren zu beklagen, der Jet wurde schwer beschädigt.

Im gleichen Jahr erhoben - wie erst heute berichtet - zwei Ethiopian Piloten gegenüber der US-amerikanischen Luftaufsicht FAA schwere Vorwürfe. In ihrem Unternehmen herrsche ein Klima der Angst, es gebe Defizite beim Training und die Qualität der Pilotenausbildung sei unterdurchschnittlich. Auch die "Washington Post" berichtete ausführlich darüber.

"Die Sicherheit wird für eine höhere Gewinnspanne und für die Expansion geopfert."
Ethiopian Pilot im Jahr 2015 gegenüber der FAA

Und nun, im März 2019, verlor die Gesellschaft eine nagelneue Boeing 737 MAX 8. Zwar ist dieser Unfall noch nicht aufgeklärt, doch gibt es deutliche Hinweise darauf, dass aufgrund ungeklärter Ursache die automatische Höhenrudertrimmung den Jet kopflastig trimmte und die Piloten schließlich die Kontrolle verloren. Flug ET 302 endete nach nur sechs Minuten im Wüstenstand, alle 157 Menschen an Bord kamen ums Leben.

Ungeachtet der Ursache eines so genannten "Trim Runaways" gilt es für Flugzeugführer, in einem solchen Fall ein klar vorgegebenes Verfahren abzuarbeiten. Im Fall der Boeing 737 (gültig für alle Varianten) bedeutet dies, das automatische Trimmsystem durch Betätigen der "STAB TRIM CUTOUT" Schalter zu deaktivieren, manuell zu trimmen und den Flug ohne Verwendung des Autopiloten bis zur Landung fortzusetzen. Dass ein solches Verfahren auch bei der 737 MAX im Fall eines Problems mit der Trimmung grundsätzlich erfolgreich angewendet werden kann, bewies eine Lion Air Crew am 28. Oktober 2018.

Ohne dem Zwischenbericht und dem abschließenden Unfalluntersuchungsbericht zu Flug ET 302 vorgreifen zu wollen, halte ich es aufgrund des bisherigen Kenntnisstandes daher durchaus für möglich, dass die Ethiopian Crew, formulieren wir es vorsichtig, unter Umständen nicht so reagiert hat, wie man es von einer gut trainierten Crew erwarten würde.

Zwar war der Kapitän mit 8.000 Flugstunden durchaus erfahren, aber die reine Anzahl geleisteter Flugstunden sagt noch nichts über den Trainingsstandard eines Flugzeugführers aus. Laut Ethiopian Airlines waren beide Piloten des Unglücksjets allerdings über die von der FAA erlassene Lufttüchtigkeitsrichtlinie nach dem Unglück der Lion Air "gut informiert und gebrieft".

Angesichts dieser nachweislich nicht besonders positiven Unfallbilanz von Ethiopian Airlines würde ich persönlich momentan jedenfalls kein Ethiopian-Ticket für mich und meine Familie kaufen. Und wenn die Airline sich noch so oft als "eine der sichersten der Welt" in PR-Aussendungen bejubeln lässt. Die Realität und das Wunschdenken des Airline-Managements scheinen mir hier weit auseinander zu klaffen ...

Text: P. Huber

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.