In dem Bericht heißt es, dass kurz nach dem Start der linke Sensor für den Anstellwinkel (Angel of Attack sensor, kurz AoA) einen Wert von 74,5 Grad angezeigt habe, während der rechte Sensor (korrekte) 15,3 Grad gemessen habe. Aufgrund der Fehlfunktion des linken AoA-Sensor aktivierte sich der Stickshaker des linken Steuerhorns (Seite des Kapitäns). Auch die Anzeigen auf den wichtigsten Flugführungsinstrumenten auf der Seite des Kapitäns waren verfälscht.
Trotzdem aktivierten die Flugzeugführer rund eine Minute nach dem Start einen der Autopiloten, welcher sich jedoch nach 33 Sekunden - vermutlich aufgrund der fehlerhaften Daten des Sensors - von selbst deaktivierte.
Rund eineinhalb Minuten nach dem Abheben aktivierte sich aufgrund des fehlerhaftes Sensors MCAS und begann, das Flugzeug kopflastig zu trimmen, da das System fälschlicherweise davon ausging, dass ein Strömungsabriss bevorstand. Unmittelbar darauf ertönte die "DON'T SINK"-Warnung der Maschine.
Neun Sekunden lang trimmte MCAS das Flugzeug kopflastig (Aircraft Nose Down, kurz AND) - erst nach sechs Sekunden zogen die Piloten am Steuerhorn und konnten trotz der weiter laufenden automatischen Trimmung wieder in einen Steigflug übergehen. Anschließend betätigten die beiden Männer im Cockpit die elektrischen Trimmschalter am Steuerhorn in Richtung hecklastig (Aircraft Nose Up, kurz ANU).
Fünf Sekunden später betätigte MCAS die Trimmung wieder in Richtung kopflastig (AND), woraufhin der Kapitän den Ersten Offizier aufforderte, gemeinsam mit ihm über die elektrischen Trimmschalter das Flugzeug hecklastig (ANU) zu trimmen.
Kurz darauf rief der Erste Offizier zweimal hintereinander "STAB TRIM CUTOUT" aus, der Hinweis, dass er das von Boeing und FAA vorgegebenen Verfahren für eine solches Trimmproblem durchführen wollte. Der Kapitän stimmte zu und der Erste Offizier bestätigte, dass die "STAB TRIM CUTOUT" Schalter betätigt worden seien. Damit war das gesamte elektrische Trimmsystem deaktiviert.
Wenige Augenblicke danach gab der Computer über MCAS erneut den Befehl, das Flugzeug kopflastig (AND) zu trimmen, doch aufgrund des deaktivierten Systems erfolgte keine weitere Verstellung der Höhenflosse nach unten - ein Zeichen dafür, dass das von Boeing vorgesehene Notfallverfahren grundsätzlich erfolgreich angewendet wurde.
Doch laut dem Bericht der äthiopischen Unfallermittler habe es danach erneut MCAS-Trimmbefehle in Richtung AND gegeben - etwas, das sowohl laut Boeing als auch laut von Austrian Wings konsultierten und mit dem Muster Boeing 737 vertrauten Flugzeugführern technisch eigentlich nicht möglich ist, sofern die "STAB TRIM CUTOUT" Schalter zuvor aktiviert wurden.
Der Kapitän forderte den Ersten Offizier auf, manuell über das Handrad zu trimmen (gemäß dem von Boeing und der FAA veröffentlichten Notfallverfahren), woraufhin der Erste Offizier meldete, dass ihm das (vermutlich aufgrund des hohen Kraftaufwandes) nicht möglich sei.
Rund 32 Sekunden vor dem Absturz zeichnete der Flugschreiber zwei elektrische Trimmbefehle (ANU) der Piloten auf, gefolgt von einem automatischen MCAS Befehl in Richtung kopflastig.
Sowohl die automatische Trimmung als auch die elektrischen Trimmbefehle der Piloten sind technisch allerdings nur dann möglich, wenn das automatische Trimmsystem wieder aktiviert wurde, das heißt, die von Boeing angeordnete Notfallprozedur rückgängig gemacht wird. Das wäre einerseits ein Widerspruch zur Behauptung von Ethiopian Airlines, dass die Besatzung das Boeing-Verfahren "vollständig" eingehalten haben, andererseits wird das offensichtlich erfolgte erneute Aktivieren des automatischen Trimmsystems im Zwischenbericht mit keinem Wort von den Ermittlern erwähnt.
(red)