Reportagen

"I Have A Dream(-liner)" - ein Test der neuen EVA Air B787

EVA Air B787 "Dreamliner" in Wien-Schwechat - Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

EVA Air legte mit Einführung der „Premium Economy Klasse“, ursprünglich als „Elite Klasse“ bezeichnet, bereits vor Jahrzehnten einen Meilenstein. Andere Airlines ziehen erst jüngst mit einem solchen Zwischenklasseprodukt nach – während EVA Air dieses mit Einflottung ihrer neuen Boeing 787 „Dreamliner“ wieder abschafft. Doch ist das die einzige Umstellung, die der neue Jet mit sich bringt? Austrian Wings hat den Praxistest gemacht.

B787 Flight Deck - Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

Anlässlich der Indienststellung des neuen Fluggeräts auf der Wien-Taipeh-Route, die wechselweise als Nonstopflug oder aber mit Zwischenlandung in Bangkok bedient wird, lud die private taiwanesische Fluggesellschaft EVA Air Branchenjournalisten an Bord des neuen „Dreamliners“ ein.

Business Class im EVA Air "Dreamliner" - Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

Auf der Rotation Wien-Bangkok-Taipeh und zurück nach Wien konnten wir sowohl die Business als auch die Economy Klasse ausgiebig unter die Lupe nehmen. Die Premium Economy Klasse, die auf den Boeing 777 Maschinen angeboten wird, gibt es auf dem neuen Muster nicht mehr. Sehr zum Leidwesen zahlreicher europäischer Fluggäste, für welche diese Buchungsklasse ein besonderer Anreiz war, mit EVA Air zu fliegen.

Seit 1993 konnte man an Bord von EVA Air „Triple Sevens“ in der Premium-Klasse reisen. In Österreich war die jahrelang herbeigesehnte Umstellung des Flugzeugmusters von vormals Airbus 330 auf Boeing 777 im Herbst 2016 von vielen Reisenden bejubelt worden. Und während Luftfahrtenthusiasten nun verständlicherweise hocherfreut über den top-modernen „Dreamliner“ als 777-Ersatz sind, beklagen zahlreiche Fans der Airline das Aus für das Premium-Produkt.

„Vor 25 Jahren war Fliegen in der Economy-Klasse wenig angenehm“, erläutert ein EVA Air Sprecher gegenüber Austrian Wings. „Die Business Class als Alternative galt damals aber als kaum leistbar, weshalb wir die Premium Economy-Klasse eingeführt hatten. Heute haben wir diese vormals als unbequem angesehene Economy-Klasse aufgewertet“, führt das Unternehmen aus.

Die Wien-Route ist für die Airline enorm wichtig: „Wir möchten unser neuestes Produkt mit mehr Kabinenkomfort und -atmosphäre auf dieser Strecke zum Einsatz bringen; Wien war unsere erste und ist die populärste Europa-Destination für EVA Air“, heißt es. Und man ist überzeugt: „Wir bringen nun das Konzept der früheren Premium Economy-Klasse in die jetzige Economy-Kabine der B787!“

Die neue Economy Klasse in der B787 - Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

Tatsächlich ist die Economy-Kabine sehr einladend und zählt wohl zu den modernsten Angeboten ihrer Klasse. Doch die Ausführung, damit einen äquivalenten Komfortstandard zur bisherigen „Premium Eco“ geschaffen zu haben, ist nicht ganz schlüssig. Sowohl die Sitzbreite als auch der Sitzabstand können mit dem Zwischenklasseprodukt der B777 nicht mithalten.

Beinfreiheit in der EVA Air Economy Class - Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

Was Asiaten mit durchschnittlich geringerer Körpergröße womöglich weniger stören könnte, mag spätestens einem großgewachsenen Europäer auf dem Langstreckenflug rasch auffallen. EVA Air hofft, den fehlenden „Premium“-Sitz durch die technologischen Verbesserungen, die der „Dreamliner“ mit sich bringt, wettmachen zu können. Dazu zählen ein angenehmeres Luftklima in der Kabine, ein innovatives Beleuchtungssystem und das Inflight Entertainment System (IFE). Auch Strom kann an jedem „Eco“-Sitz per USB-Anschluss gezapft werden.

Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

Reist man in der Business Klasse, gibt es freilich nichts zu meckern. Sowohl auf der Wien-Taipeh-Strecke als auch umgekehrt wird abends beziehungsweise nachts gestartet, so dass die meisten Fluggäste einen Großteil der Zeit mit Schlaf verbringen möchten. Das fällt in den vorderen „Dreamliner“-Reihen durchwegs leicht – nicht etwa bloß, weil EVA Air sogar Pyjamas ausgibt.

Pyjamas für Business Class Reisende - Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

Das gesamte Produkt ist stimmig und in höchstem Maße komfortabel. Der Sitz ist in jede erdenkliche Position verstellbar und kann auch zu einem völlig flachen Bett umfunktioniert werden. Dafür gibt es dann von der Cabin Crew noch eine dünne Komfortunterlage extra. Für ausreichend Stromzufuhr zur Versorgung mitgebrachter elektronischer Geräte dienen wahlweise ein USB-Port oder ein 110 Volt Netzstromanschluss.

Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

Wer auch hoch über den Wolken auf seine Datenverbindung nicht verzichten möchte, kann das kostenpflichtige WLAN an Bord nutzen. Dessen Geschwindigkeit reicht zwar nicht aus, um beispielsweise Medieninhalte wie Videos und dergleichen zu streamen, taugt aber zuverlässig für normales Internetsurfen oder die Nutzung von Messaging-Diensten.

Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

Alternativ bietet das IFE ausreichend abwechslungsreiche Unterhaltung von Filmen über Musik bis hin zu Reiserouten-Informationen.

Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

In den Waschräumen stehen den Passagieren diverse Körperpflege-Produkte sowie Komfortartikel zur Verfügung. So braucht man beispielsweise auch als Economy Class Reisender nicht auf geräuschdämpfende Ohrstöpsel oder eine Zahnbürste zu verzichten.

Nachts gibt es für Business Class Passagiere Sternenhimmel-Ambiente dank LED-Installation - Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

Nachts „erstrahlt“ der Business Class Himmel schließlich mit einer LED-Sternenanimation – es ist nur eine von mehreren Farb- und Beleuchtungsvarianten, die an Bord der B787 zur Verfügung stehen und tageszeitabhängig eingesetzt werden. Das soll besonders Jetlag-geplagten Passagieren die Anpassung an eine neue Zeitzone ein kleines bisschen erleichtern.

„Fenstergucken“ ist während der Dunkelheit beim „Dreamliner“ jedenfalls nicht drin. Anstatt der herkömmlichen Sonnenblenden lassen sich die großzügig dimensionierten Fenster elektronisch mehrstufig dimmen. Die Cabin Crew kann jedoch mittels Override bestimmen, in welchen Flugphasen diese Dimmung nicht verstellt werden kann. Während der vorgesehenen „Ruhezeit“ an Bord bleiben die Fenster also unabhängig von der äußeren Lichtsituation blickdicht, während umgekehrt das Abdunkeln der Scheiben im Zuge von Start oder Landung ebenfalls nicht möglich ist.

Am Reisekomfort in der neuen EVA Air Business Class gibt es nichts auszusetzen - Foto: M. Dichler

Sowohl das Economy- als auch das Business Class-Produkt beweisen Up-To-Date Design und Ausführung, doch Fans der bisherigen Premium-Klasse wird diese vermutlich schmerzlich abgehen.

Damit müssen sich Passagiere auf der Wien-Verbindung allerdings in Zukunft abfinden, denn die Bundeshauptstadt wird auch weiterhin mit dem neuen EVA Air Flaggschiff bedient werden. Das kanadische Vancouver steht per Februar 2020 auf dem „Dreamliner“-Plan. Innerhalb der nächsten drei Jahre soll die 787-Flotte der taiwanesischen Airline auf insgesamt 24 Maschinen anwachsen – darunter vier B787-9 sowie 20 B787-10.

Im EVA Air Trainingszentrum gibt es für jeden eingesetzten Flugzeugtyp einen Full Flight Simulator - Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

Hierfür werden die Cockpitcrews bereits im firmeneigenen Trainingscenter in Taipeh intensiv geschult. EVA Air betreibt für jeden Flugzeugtyp des eigenen Flottenparks auch einen entsprechenden Full Flight Simulator.

B787-Simulator - Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

In den top-modernen, millionenteuren Geräten wird quasi rund um die Uhr trainiert. Die Simulatoren lassen die Inszenierung jedes erdenklichen Flugmanövers zu. Da Luftfahrtexperten ob der fortschreitenden Technik, die den Piloten immer mehr Arbeit im Cockpit abnimmt, eine merkliche Kompetenzreduktion bei der Bewältigung von Zwischenfällen beklagen, obliegt es jeder Airline, sich über die Mindeststandards hinwegzusetzen und ihre Piloten ausgiebig fortzubilden. Denn „langjährig erfahrene“ Piloten sind nicht automatisch „gute“ Piloten – es geht auch stets um die erworbene Kompetenz, im Falle von (Not-) Fällen rasch und mit kühlem Kopf die richtigen Entscheidungen treffen zu können.

Simulator-Cockpit - Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

Mit dem Trainingsaufwand scheint sich EVA Air auch weiterhin auf gutem Kurs zu befinden – so landet die Airline regelmäßig in internationalen Sicherheitsrankings auf ausgezeichneten Plätzen, während der regionale Mitbewerb sich von den hinteren Plätzen nur sehr mühsam nach vorne arbeiten kann.

Dieser Kabinensimulator erlaubt realitätsnahes Notfalltraining, beispielsweise für das Szenario einer Notwasserung - Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

Doch nicht nur Piloten müssen intensiv fortgebildet werden. Auch die Flugbegleiterinnen – ja, derzeit arbeiten nur Frauen in diesem Bereich bei EVA Air – haben regelmäßig unter Beweis zu stellen, was im Ernstfall zu tun wäre. Hierzu wurde im hauseigenen Trainingscenter erst kürzlich ein brandneuer, vollbeweglicher Kabinensimulator angeschafft. Zu dessen Installation mussten sogar Mauerteile weggerissen und anschließend wieder aufgebaut werden.

Hydraulik gibt beim Training der Cabin Crew ein realitätsnahes Erlebnis - Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

Dafür erlaubt das hydraulische Gerät die Beübung aller möglichen Szenarien rund um Evakuierung, ob im Zuge einer Notwasserung oder zu Lande.

Fortbildung am B787 Door Trainer - Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

An speziellen „Door Trainern“ übt die Cabin Crew zunächst, wie beim Öffnen der Türen vorzugehen ist. Danach geht es an die Rutschen.

Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

Auch der Notausstieg mit Kleinkindern wird geübt.

Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

Für interessierte Besucher, aber nicht zuletzt auch Angehörige von fliegendem Personal, gibt es seit einiger Zeit auch eine neu gestaltete Erlebniswelt, die Einblicke hinter die Kulissen des täglichen Flugbetriebs ermöglicht.

Eine Besucher-Erlebniswelt gibt Einblicke in die Welt der Luftfahrt - Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

Gäste können sich dort mit dem technischen sowie fachlichen Alltag von Cockpit- und Cabin Crew vertraut machen, und an so manch kurzweiliger Station auch das eigene fliegerische Talent ausprobieren.

Einen Versuch ist's wert! Der Obmann der Flughafenfreunde Wien, Gernot Kastner, versucht sich als Pilot - Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

Letztlich markiert die B787 nicht etwa das Ende einer Innovationsära bei EVA Air. Man schielt auch bereits in die Richtung weiterer Modelle wie etwa der 777X oder eines Airbus A350-1000. Denn die Tage des „Jumbos“, der Boeing 747-400F, sind auch bei der taiwanesischen Airline gezählt.  „Wir nehmen ständig Fluggeräte der jeweils neuesten Generation in unsere Flotte auf“, betont das Unternehmen. Doch die bewährten „Triple Seven“ werden vorerst noch nicht technisch ersetzt. Die „Dreamliner“ dienen als Erweiterung des grün-weißen Flottenparks.

Und hierbei sieht sich EVA Air weiterhin im Steigflug.

(red Aig)