Am 3. September 2019 gab die Landespolizeidirektion Tirol in einer ungewöhnlich knappen Aussendung bekannt, dass ein Helikopter in Tirol wenige Tage zuvor eine schwere Außenlast verloren hatte. Glücklicherweise kam am Boden niemand zu Schaden. Doch nicht nur die Kürze der Meldung der Exekutive erschien ungewöhnlich, sondern auch der Umstand, dass ein solch nicht alltäglicher und potentiell lebensgefährlicher Zwischenfall tagelang totgeschwiegen und der verantwortliche Flugunternehmer dazu gar nicht erwähnt wurde. Die Tageszeitung "Kurier" lieferte eine mögliche Erklärung: Die Polizei habe erst zufällig durch ein Amateur-Video überhaupt von dem Vorfall erfahren.
So mancher Insider hatte rasch eine Vermutung, welcher Betreiber betroffen sein könnte und dieser Verdacht wurde durch das besagte Amateurvideo, das den Vorfall zeigt, erhärtet. Obwohl spätestens zu diesem Zeitpunkt für den Autor dieses Kommentars keine Zweifel mehr bestanden, dass wieder einmal ein Knaus-Helikopter in einen Zwischenfall verwickelt war, wurde – gemäß dem journalistischen Grundsatz „Audiatur et altera pars“ - die Firma angeschrieben und um eine Stellungnahme ersucht. Vornehm ausgedrückt stellte sich ein Prokurist in mehreren E-Mails sprichwörtlich unwissend und lieferte durch offensichtliche Ausflüchte die indirekte Bestätigung für das, was ohnedies bereits offensichtlich schien.
Lange Liste an Unfällen
Nicht nur ich frage mich: Was ist los beim Flugbetrieb von Heli Austria / Heli Tirol / Knaus Helicopter oder wie immer die Firma auch gerade heißen mag. Denn die Liste der gravierenden bis mitunter tödlichen Zwischen- und Unfälle ist erschreckend lang. Am 7. Juni 1989 musste der damalige Firmenchef Johann Knaus laut einem ORF-Bericht aus dem Jahr 2012 aufgrund technischer Probleme in den Alpen notlanden – er und zwei weitere Insassen übernachteten im havarierten Helikopter. Laut Roy Knaus ist der Bericht des ORF allerdings nicht korrekt. Vielmehr sei sein Vater von schlechtem Wetter überrascht worden und habe deshalb eine Sicherheitslandung durchgeführt. Dafür gebe es auch Zeugen.
Drei Jahre später, am 21. April 1992, stürzte der damals 46-jährige Knaus sen. zum ersten Mal ab – und überlebte mit schweren Verletzungen. Dreieinhalb Jahre später, am 29. September 1995, stürzte Johann Knaus erneut ab, auch der heutige Firmenchef Roy Knaus, einer seiner Söhne, befand sich an Bord. Beide kamen mit leichten Verletzungen davon. Am 26. März 1996 musste ein Helikopter der Firma Knaus eine Notlandung im Dachsteingebiet vornehmen. Am 17. November 1997 verunglückte Johann Knaus tödlich. Ursache war ein Wartungsfehler einer Fremdfirma am Rotorsystem des Helikopters, der zu einem nicht beherrschbaren Flugzustand und in weiterer Folge zum Absturz führte. Sein ebenfalls an Bord befindlicher Sohn Philipp (damals 18) überlebte mit schweren Kopfverletzungen.
Am 19. November 2002 stürzte ein Hubschrauber des Unternehmens im Rahmen einer Lawinensprengung ab. Am 25. Februar 2004 verunglückte der Notarzt-Helikopter Martin 1 von Knaus kurz nach dem Start. Die an Bord befindliche Patientin - eine dreifache Mutter - starb vor den Augen ihres entsetzten Ehemannes, die dreiköpfige Besatzung des Hubschraubers wurde schwer verletzt. Der offizielle Unfallbericht machte unter anderem auch mehrere Fehler des Piloten für das Unglück verantwortlich. So habe der verantwortliche Luftfahrzeugführer beispielsweise die "ergänzenden Notverfahren und Flugleistungsdaten bei Ausfall eines Triebwerks" nicht beachtet, die "Flugleistungen außerhalb des Bodeneffekts falsch eingeschätzt" und "Hindernisse nicht beachtet", um nur einige Punkte zu nennen.
Nur wenige Monate später, am 24. Juni 2004, dann das nächste tödliche Unglück. Ein Bell 205 der Firma stürzte ab, der Pilot (33) starb in den Trümmern. In diesem Fall wurden im Abschlussbericht zum Unfall unter anderem folgende Punkte festgestellt:
- Da der in den Luftfahrzeugpapieren befindliche Wiegebericht unvollständig und zum Flugunfall vom 24. Juni 2004 Seite 16 von 27 Teil unrichtig war, wäre es dem Piloten nicht möglich gewesen eine korrekte Berechnung der Gesamtmasse und des Schwerpunkts zu erstellen
- Trotz gewisser Ungenauigkeiten der zum Unfallzeitpunkt rekonstruierten Flugmasse ist davon auszugehen, dass der unterhalb der Translationsgeschwindigkeit und außerhalb des Bodeneffekts fliegende Hubschrauber an seiner oberen Leistungsgrenze operierte
Im Folgejahr - 2005 - verlor ein Knaus-Hubschrauber einen etwa 750 Kilogramm schweren Betonkübel über einer Seilbahn, wodurch zahlreiche Touristen in die Tiefe geschleudert wurden. Neun Menschen – darunter sechs Kinder – überlebten den Unfall nicht. Der Pilot wurde laut einem Bericht der "Tiroler Tageszeitung" später wegen "fahrlässiger Gemeingefährdung" verurteilt. Kritik an seiner Firma wies Roy Knaus gegenüber dem deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" umgehend als "Kampagne der Konkurrenz" zurück. Nach einem ähnlich gelagerten Unfall fünf Jahre später, infolge dessen im Ötztal eine Außenlast in Gestalt einer Tonne Holz auf ein Gasthaus krachte, wurde dem Hubschrauberunternehmen zeitweilig die Außenlandegenehmigung für Tirol entzogen. Die darauf folgende unfallfreie Phase hielt nicht lange an. Denn am 23. Juli 2010 stürzte eine Maschine des mittlerweile in Heli Austria umbenannten Unternehmens ab, der Pilot starb. Im Abschlussbericht heißt es zu den wahrscheinlichen Ursachen:
- Unzureichende horizontale Hindernisfreiheit des Hubschraubers beim Entladen durch Verwendung eines zu kurzen Seiles
- Es fehlte ein entsprechend positionierter Einweiser, der auf den geringen Hindernisabstand hinweisen hätte können
- Unzureichende situationsbezogene Aufmerksamkeit des Piloten, möglicherweise begünstigt durch die wetterbedingte Unterbrechung und die Wiederaufnahme des zuvor bereits beendeten Flugauftrages
Am 31. Oktober 2007 stürzte ein MD 900 Explorer des Unternehmens auf dem Flugplatz Bad Vöslau ab. Der Helikopter wurde dabei schwer beschädigt, die beiden Piloten kamen mit dem Schrecken davon. Laut einem Online-Bericht von "krone.at" vom gleichen Tag, habe der "43-jährige Chefpilot die Kontrolle über das Fluggerät verloren".
Im März 2011 geriet ein Bell 412 des Unternehmens bei der Landung auf dem Dachlandeplatz des Krankenhauses Innsbruck kurzfristig außer Kontrolle, konnte jedoch anschließend sicher landen. Etwas mehr als ein Jahr später, am 29. April 2012 klinkte ein Pilot bei einer Alpinbergung das Seil, an dem sich drei Personen befanden, zu früh aus. Ein Alpinpolizist – Familienvater – starb, die beiden anderen Personen wurden schwer verletzt.
Im August 2017 schließlich stürzte "Martin 4" bei einem Einsatz am Großglockner ab. Wie durch ein Wunder erlitt durch den Unfall niemand schwerwiegende Verletzungen, allerdings stellte sich bei der behördlichen Untersuchung des Unfalls unter anderem heraus, dass das gesetzliche Wartungsintervall der Maschine überschritten war, wenngleich dies nicht unfallkausal gewesen sein dürfte. Der Unglückspilot wurde kurz nach dem Unfall von der Behörde mit Flugverbot belegt.
Nur wenige Monate später, am 12. Februar 2018, setzte ein H135 des Unternehmens (einige Quellen sprechen von "Martin 6“, andere von "Martin 4") bei der Landung mit dem Heck zuerst auf. Die Untersuchung zu diesem Zwischenfall dauert noch an.
Anwaltlicher Einschüchterungsversuch
Und Ende August 2019 verlor, wie eingangs erwähnt, ein Bell 412 von Heli Austria eine tonenschwere Außenlast, wobei das Unternehmen sich zunächst weigerte, zu dem Vorfall überhaupt Stellung zu nehmen. Die Ursache für den Zwischenfall wird derzeit behördlich untersucht. Nicht eingehen wollte die Firma auch auf im Umlauf befindlichen Gerüchte, wonach ein ranghoher Unternehmensvertreter selbst am Steuer des Helikopters gesessen habe. Stattdessen verwies man uns mit der Anfrage an eine Anwaltskanzlei, die nach dem Empfinden des Autors einerseits versuchte, uns mit juristischen Drohgebärden einzuschüchtern, andererseits darauf hinwies, dass ihre Mandantschaft "keine Veranlassung" sehe, uns "umfangreiche Informationen zur Verfügung zu stellen". Betont wurde allerdings, dass im gegenständlichen Fall "alle erforderlichen Sorgfaltsmaßnahmen" gesetzt worden seien. Zudem sei der Vorfall "unverzüglich" der Austro Control gemeldet worden. Eine Meldung an die Polizeibehörde sei "mangels Personenschadens" nicht erforderlich gewesen. Ganz allgemein gelte, dass "sämtliche Unternehmen der Heli-Austria Gruppe die strengen behördlichen Vorschriften für Hubschrauberflüge einhalten", wie die Juristin festhielt. Diese Feststellung ist insofern hochinteressant, als ja gar nichts Gegenteiliges behauptet wurde.
Fragen über Fragen
Wenn aber dieser Vorfall nach Angaben der Firma ohnedies "unverzüglich" (so steht es nun mal im Schreiben der von Knaus beauftragten Anwältin) der Behörde gemeldet wurde, weshalb konnte oder wollte der betreffende Prokurist des Unternehmens dann nicht die simple Frage beantworten, ob ein Hubschrauber von Heli Austria / Heli Tirol betroffen war? Wusste er nicht, was im eigenen Unternehmen vorging? Wollte er die Sache gegenüber Medien womöglich vertuschen? Wollte er anfragende Journalisten nach dem Motto "probieren wir's halt mal" sprichwörtlich für dumm verkaufen? Ich weiß es nicht und werde darauf wohl auch keine Antwort bekommen. Transparenz und ein professionelles Krisenmanagement sehen in meinen Augen jedenfalls anders aus.
Von der Anfrage des Kollegen bei der Anwaltskanzlei bis zu deren Antwort – samt dem erwähnten Einschüchterungsversuch – vergingen übrigens mehr als zwei Wochen.
Auffallend schnell ist Firmenchef Knaus hingegen, vor allem in sozialen Netzwerken, wenn es um despektierliche Angriffe und Rundumschläge gegenüber Mitbewerber, aber auch Medien und Journalisten geht, die über Zwischenfälle und Unglücke seines Unternehmens berichten. Da werden auch schon einmal gerne die Nachnamen von Redakteuren durch den Kakao gezogen, wenn es offensichtlich an Substanz eigener Sachargumente fehlt. Professionelles Auftreten eines Geschäftsmannes sieht wohl nicht nur nach meinem Empfinden anders aus. Auch der Autor selbst wurde wenige Stunden nach Veröffentlichung dieses Kommentars Opfer derartiger Anfeindungen durch Roy Knaus und einige seiner "Fans".
Eine solche Historie an Un- und Zwischenfällen wie im Hause Knaus wirkt auf mich jedenfalls ausgesprochen auffällig. Es bleibt zu hoffen, dass sich die zuständigen Ermittler nach dem jüngsten Zwischenfall ganz genau bei Knaus / Heli Austria umsehen. Das müsste demnach zweifelsohne auch voll und ganz im Sinn von Firmenchef Roy Knaus selbst sein, betonte doch die von ihm beauftragte Anwaltskanzlei in ihrem dreiseitigen Schreiben an Austrian Wings ausdrücklich, dass "größtmögliche Sicherheit" das Ziel des Unternehmens sei.
Sicherlich, Unfälle können selbst bei höchster Professionalität nie ganz vermieden werden. Und jeder hat die Möglichkeit zu lernen, sich zu verbessern. Doch die oben angeführte Auflistung erscheint für mich allerdings nicht gerade vertrauenerweckend.
Daher gilt für mich persönlich bis auf Weiteres: Ich würde weder eines meiner Kinder in einen Helikopter von Knaus einsteigen lassen, noch selbst bei diesem Unternehmen an Bord gehen. Ich hätte einfach kein gutes Gefühl dabei. Nach mindestens zehn Jahren Flugbetrieb ohne Unfall können wir dann gerne noch einmal darüber sprechen.
Text: P. Huber, www.der-rasende-reporter.info
Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.