Reportagen

Reportage: Der fliegende Wechsel

Fotos: Florian Karst

Hubschrauberfliegen zählt zu den herausforderndsten aviatischen Tätigkeiten - und ist gerade deshalb der Traumjob vieler junger Menschen. Austrian Wings sprach mit einem Österreicher, der sich diesen Traum mit viel harter Arbeit und persönlichem Engagement erfüllt hat.

Es ist 09:30 in Northern Alberta, Kanada. Florian ‚Floh‘ Karst trifft bei seinem Arbeitsgerät, einer AS 350 B2, auf der Forestry Basis in einem kleinen Ort, Rainbow Lake, ein. Auf der Basis arbeiten tagsüber lediglich zwei Angestellte, die Löschflugzeuge betanken.

Er entfernt die Abdeckungen und führt seinen Daily Check aus. „Grundsätzlich mache ich nach dem letzten Flug des Vortages eine genaue Überprüfung, da der Heli aber über Nacht im Freien steht, kann ein kurzer Blick nicht schaden“, meint er mit einem Schmunzeln.

Knapp vor 10:00 trifft seine dreiköpfige Crew ein. Die Helitack Member, wie sie hier genannt werden (Ableitung von Heli Attack, Anmerkung der Redaktion), laden ihr Equipment aus ihrem Truck aus und verladen es in den Helikopter. Nach wenigen Minuten ist alles an Ort und Stelle und man bespricht den Tagesablauf. 

Florian ist mit dem Helikopter für den sogenannten „Initial Attack“ bei Waldbränden angeheuert. „Beim Initial Attack wird mein Crewleader von der Basis in High Level aus als Erster angerufen sobald ein Feuer in unserem Bereich gemeldet wird. Gemeldet werden Feuer entweder durch wachsame Bürger oder durch einen Mitarbeiter der vielen Look-out Türme die es überall in Alberta gibt. Da das Land hier sehr flach ist kann man die Rauchsäulen über Kilometer hinweg sehen. Sobald wir den Anruf bekommen, haben wir 10min Zeit um abzuheben. Per Funk bekommen wir die Koordinaten und weitere Informationen. Sobald wir beim Feuer eintreffen geben wir einen Statusbericht an die Zentrale durch und ich setze meine Crew an einem sicheren Ort, knapp am Brand, ab. Dann hängen sie mir gleich den Bucket an und ich fange an zu löschen.“

Nach der Besprechung des Flug- und Feuerwetters, das für jeden Bereich Albertas täglich veröffentlicht wird, und sonstiger allfälliger Besonderheiten, vertreibt man sich die Zeit mit Kartenspielen, sitzt vor dem Computer, liest oder trainiert.

„Die Warterei ist das Anstrengendste. Manchmal sitzen wir den ganzen Tag und bekommen keinen Anruf“ sagt Florian. Die Bereitschaft geht von 10:00 bis 20:00 am Abend. So ein Einsatz kurz vor Ende der Dienstzeit reinkommt wird dennoch abgehoben da der Arbeitstag auf 14 Dienststunden ausgedehnt werden darf und im Hochsommer die Sonne erst um 23:30 untergeht. „Es dauert einige Zeit sich daran zu gewöhnen aber so ist‘s nun mal in Kanada. Maximal dürfen wir 42 Tage am Stück arbeiten so wir nicht zu viel fliegen.“ Um 15:40 bekommt Nelson, Crewleader der Mannschaft, einen Anruf. „Dispatch“ sagt er in ruhigem Tonfall.

Alle Besatzungsmitglieder begeben sich zur Maschine, steigen ein und schnallen sich an. Floh macht eine schnelle Runde um die Astar, checkt ob alle Abdeckungen geschlossen und verriegelt sind, steigt ein und startet. Bis zum Abheben vergehen lediglich zwei Minuten und seit dem Anruf sind bloß fünf Minuten her. Die Rauchsäule ist ca. 25min Flugzeit entfernt, der Brand in einem sumpfigen, abgelegenen Gebiet weit entfernt von etwaigen Straßen oder Häusern.

„Meist entstehen die Brände durch Blitzeinschläge. Nach dem Einschlag können schon mal ein paar Tage vergehen bis die Bedingungen passen und das Glutnest im Boden einen Brand verursacht den man auch sehen kann“ erklärt er nach dem Einsatz. Das Feuer an diesem Tag ist einen Hektar groß als sie eintreffen. Das brennende Gras hat schon einige Bäume in Brand gesetzt und der Nord-Ost Wind treibt das Feuer an. Die Crew möchte möglichst knapp am Feuer abgesetzt werden doch Landeplätze in diesem sumpfigen Gelände mit vielen umgeknickten Bäumen und hohen Sträuchern sind rar.  Gemeinsam entscheidet man sich für eine Fläche etwa 500 Meter entfernt.

„Natürlich wollen sie (die Feuerwehrleute, Anmerkung der Redaktion) möglichst nahe am Brand raus aber manchmal gibt es einfach nichts. Eine Landefläche war Südwestlich des Feuers aber das ist natürlich genau verkehrt, wenn der Wind das Feuer dorthin bläst, da geht die Sicherheit vor.“

Florian berührt den Boden nur leicht mit den Kufen, die Crew steigt aus dem quasi schwebenden Heli aus und entlädt das Equipment. Sie heben zusätzlich eine Longline und den sogenannten Bambi Bucket, einen orangen Behälter der zum Löschen mit Wasser gefüllt wird, aus dem Korb auf der Seite des Helis heraus und hängen ihn an den Lasthaken, unterhalb des Hubschraubers, an. Floh schwebt dazu knapp über ihren Köpfen und hält den Hubschrauber so ruhig als möglich. Nach einem schnellen Funktionstest hebt er ab und sucht sich eine möglichst nahe Wasserquelle um den Bucket aufzufüllen.

„Das Löschen ist der beste Teil eines Feuereinsatzes. Man ist für sich in der Maschine, arbeitet mit der Longline und verteilt das Wasser wo immer es benötigt wird. Es ist spannend und herausfordernd zugleich, jede Wasserquelle und jedes Feuer sind verschieden und man lernt ständig dazu.“

Nach etwa zwei Stunden fliegt er zum nächst gelegenen Spritdepot um den Hubschrauber aufzufüllen. Etwa 190 Liter Jet A-1 oder auch Kerosin genannt, verbraucht der Hubschrauber pro Stunde. Während des Auftankens wird vom Dispatch Center ein weiterer Hubschrauber dem Feuer zugeteilt. Eine Bell 212 hilft nun mit, den Brand so schnell als möglich einzudämmen.

„So es in der Nähe andere Ressourcen gibt, werden sie zum Feuer geschickt um uns zu unterstützen. Das ist auch Teil des morgendlichen Briefings, damit wir wissen welche Unterstützung wir bekommen können. Meist bekommen wir einen zweiten Hubschrauber zum Löschen oder eine 15-20 Mann starke Bodentruppe geschickt. Die klassischen Helikopter hier sind Bell Mediums oder Astars. Man koordiniert dann eine Art Platzrunde in Kleinformat von der Wasserquelle zum Feuer und zurück um sich nicht in die Quere zu kommen.“

Gegen 21:30 landet Florian nahe des Feuers auf einer, von seiner Besatzung in der Zwischenzeit vorbereiteten und gerodeten Landefläche um Crew und Equipment wieder aufzunehmen. Der Bucket wird im Korb verstaut und der Pilot hebt Richtung Rainbow Lake ab. Gelöscht ist das Feuer zu diesem Zeitpunkt nicht.

„Unsere Aufgabe besteht darin, das Feuer so gut als möglich einzudämmen. Ganz auslöschen können wir es aus der Luft nicht, dafür brauchen wir die Bodenteams. Glutnester unter der Oberfläche sind von oben nicht erkennbar. Bei großen Bränden werden daher regelmäßig auch Flüge mit Wärmebild Kameras durchgeführt um Glutnester per GPS zu markieren und dann mit Bodenteams auszulöschen.“

Zurück auf dem Forestry Stützpunkt wird der Hubschrauber betankt und für den folgenden Tag vorbereitet. Ein kurzes Nachbesprechen des Tages mit Inputs der gesamten Besatzung schließt den Einsatz ab. Am Folgetag werden sie nicht mehr zum selben Feuer fliegen, sondern stehen in Rainbow Lake für neue Brände bereit.

„Als Initial Attack Team ist man immer auf Abruf und kümmert sich um neue Brände. Es wäre schön bei dem selben Feuer am nächsten Tag weiter zu machen und es auszulöschen aber dafür sind jetzt andere zuständig, so ist es halt geregelt.“ Um 23:00 geht es schließlich ins nahe gelegene Crewhouse und zur wohlverdienten Nachtruhe.

Doch warum der Wechsel nach Kanada? Eine Arbeitsschicht hier dauert zwischen zwei und sechs Wochen, je nach Arbeitgeber. In dieser Zeit gibt es keine freien Tage, kein Wochenende, keine Feiertage oder Zeit die Familie zu sehen so sie nicht auf Besuch kommt.

„Mich hat es schon vor Beginn meiner Ausbildung zum Piloten nach Kanada gezogen und hier einmal zu fliegen war einer meiner Träume. Das Land ist so weitläufig und naturbelassen, da ist der Zugang zur Fliegerei anders als bei uns.“ Träume zu haben und diese auch zu verfolgen scheint ein wichtiger Bestandteil einer Pilotenkarriere zu sein. Doch wie wird aus einem Traum eine Karriere in Kanada?

„Der Berufspilotenschein ist natürlich die erste Voraussetzung, wenn man als Pilot arbeiten möchte. Ich habe die Ausbildung bei einer Flugschule in Niederösterreich gemacht und dann über Rundflüge und schließlich einen Job als Fotopilot meine ersten 1000 Flugstunden gesammelt. Im Winter vor meiner letzten Fotosaison bin ich schließlich für drei Wochen nach Kanada gegangen um die Umschreibung auf den kanadischen Schein zu machen.“ Die Umschreibung, wie auch die europäische Lizenz, besteht aus einem Theorie- und einem Praxisteil.

„Der Schein kam dann ein paar Wochen später per Post nach Österreich. Das war ein aufregender Moment! Ich habe mich danach sofort um ein Arbeitsvisum bemüht und es im Winter 2017 bekommen.“

Ein Arbeitsvisum zu erhalten ist mit etwas Glück verbunden, erzählt uns Floh. Kanada ist bei der Vergabe strikter geworden, als es noch vor ein paar Jahren war.

„Ganz ohne Planung geht es aber auch nicht, bevor man sich in so ein Abenteuer stürzt. Geht man ohne gültigen Pilotenschein aber mit einem Arbeitsvisum nach Kanada dürfte man zwar theoretisch arbeiten aber findet keinen Job als Pilot, vor allem da nach der Umschreibung schon einmal drei Monate vergehen können bis der Schein ausgestellt wird. Hat man einen gültigen kanadischen Schein aber kein Arbeitsvisum darf man erst gar nicht arbeiten und muss das Land nach maximal 90 Tagen wieder verlassen. Etwas Glück gehört im Leben immer dazu und das hatte ich in dem Fall.“

Hat man diese wichtigen Schritte erfüllt folgt der spannendste Teil, die Suche nach einer Anstellung als Pilot. Firmen gibt es in Kanada genug, vom westlichen British Columbia bis zum östlichen Neufundland und Labrador sind es knapp mehr als 130.

„Man sollte sich vorab schon erkundigen welche Hubschraubertypen eine Firma betreibt und welche Aufgabenfelder sie damit abdecken bevor man sich gezielt bei den Firmen vorstellen geht und ja, man muss wirklich persönlich dort sein. Es gibt so viel Konkurrenz, dass man mit den Leuten reden muss um in Erinnerung zu bleiben, ein Bewerbungsschreiben per Mail reicht da nicht aus. Andererseits sollte man wissen womit die Firma ihr Geld macht, sonst steht man ohne großartige Berufserfahrung bei einer Firma in der Eingangstür die sich auf Search & Rescue spezialisiert hat, das wäre auch unpassend, aber in Erinnerung würde man damit sicher bleiben“ sagt Floh und beginnt zu lachen.

Hat sich der Wechsel nun für ihn ausgezahlt wollen wir wissen? „Bis dato ganz sicher. Ich habe innerhalb der Zeit hier in Kanada viel fliegerisch und persönlich dazu gelernt, abgesehen von den unvergesslichen Eindrücken! Mein Ziel ist und bleibt die Rettungsfliegerei zu Hause in Österreich aber all das, was ich hier lerne, wird mich diesem Ziel ein Stückchen näher bringen. Man muss sich halt zuerst trauen weg zu gehen, um zurück kommen zu können.“

(red)