Drei Tage vor Weihnachten 1988 explodierte an Bord der Boeing 747-121 Clipper Maid of the Seas eine Bombe. Der Jumbo der legendären US-Fluggesellschaft Pan Am stürzte über der schottischen Ortschaft Lockerbie ab. Alle 259 Menschen an Bord sowie elf Einwohner des Ortes kamen ums Leben. Offiziell wurden zwei libysche Geheimdienstagenten für den Anschlag verantwortlich gemacht, doch bei Experten und sogar Hinterbliebenen der Opfer gibt es seit Jahren massive Zweifel an dieser Theorie. Auch ein Österreicher, der den Prozess gegen die Männer verfolgte, war keineswegs von der Schuld des schlussendlich Verurteilten überzeugt.
"Wenn dieses Urteil jemand bei mir als Seminararbeit eingereicht hätte, dann wäre das ein Nichtgenügend gewesen, wegen Inkonsistenz des ganzen Argumentes."
Dr. Hans Köchler, UN-Prozessbeobachter im Lockerbie Verfahren
Ebenso wenig glaubte Dr. Jim Swire, ein britischer Arzt und Sprengstoffexperte, der seine Tochter Flora bei der Tragödie verlor an die Theorie von den libyischen Terroristen. Er fordert seit Jahren eine neue Untersuchung und betreibt eine Webseite zum Thema. Auch der schottische Rechtsprofessor Robert Black befasst sich seit Jahren in seinem Blog mit den Ungereimtheiten im Fall Lockerbie.
Neue Spuren?
Und jetzt, 31 Jahre nach dem Tod von 270 Menschen in Lockerbie könnte der Fall womöglich tatsächlich neu aufgerollt werden. Wie die "Welt am Sonntag" berichtet, könnte der Terrorakt "möglicherweise juristisch komplett neu aufgerollt" werden, da der Verdacht bestehe, dass die Wahrheit der "diplomatischen Räson geopfert" worden sein könnte - genau das, was Angehörige und zahlreiche Luftfahrtexperten schon seit Jahren vermuten.
"Der Lockerbie-Prozess hat mehr einer Geheimdienstoperation geglichen als einem ordentlichen Gerichtsverfahren."
Dr. Hans Köchler zur "Welt am Sonntag", 24. 11. 2019
Das Blatt zitierte auch Dr. Jim Swire mit den Worten: " Ich habe von meinem Land erwartet, dass es die Wahrheit findet, die ganze Wahrheit. Dass die Wahrheit bislang unterdrückt wurde, ist eine Beleidigung meiner ermordeten Tochter."
Auch bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt ist in der Causa Lockerbie ein Ermittlungsverfahren anhängig. Dort heißt es, dass man die britischen Behörden unterstütze.
Ob der Fall tatsächlich völlig neu aufgerollt wird, könnte sich damit schon bald entscheiden. Dann nämlich soll die ermittelnde Scottish Criminal Cases Review Commission (SCCRC), eine Kommission, die sich mit Justizirrtümern befasst, gegenüber dem High Court of Justiciary eine diesbezügliche Empfehlung abgheben.
(red)