Punktlandung

Dunkle Wolken über dem Drehkreuz Wien

Die Arbeitsbedingungen bei LaudaMotion stehen unvermindert in der Kritik; die österreichische Pilotenvereinigung Austrian Cockpit Association sieht gar mögliche Sicherheitsrisiken durch den Druck, der bei der österreichischen Ryanair-Tochter auf das Personal ausgebüt wird - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Über dem Drehkreuz Wien und somit unserem heimischen Arbeitsmarkt ziehen dunkle Wolken auf. Es tobt eine noch nie dagewesene Preisschlacht zwischen zahlreichen Billigfluglinien und Austrian Airlines. Ein Gastkommentar von First Officer Andreas Strobl, Vice-President International Affairs der Austrian Cockpit Association.

Aber zu welchem Preis tragen wir diese Schlacht aus und wer ist das wahre Opfer in dieser Auseinandersetzung? In diesem Artikel geht es um die letzten Ereignisse innerhalb von Laudamotion, dem zähen Kampf gegen Social Dumping und einem fairen Wettbewerb in der Luftfahrt. Welche Rolle haben wir als ACA und was müssen wir gegen den neuen ausbeuterischen Trend von „atypical employment“ in unserer Branche tun? Als der österreichische Bundesminister Andreas Reichhardt im Juli dieses Jahres die Deklaration gegen Sozialdumping in der Luftfahrt und für Maßnahmen für fairen Wettbewerb im Namen Österreichs unterzeichnet hat, standen alle Zeichen Richtung Aufbruch in eine bessere Zukunft. Auf der Website des BMVIT kann man unter anderem nachlesen: „(...) Weiters heißt es in der Deklaration, alle nationalen und europäischen Regelungen müssen eingehalten werden, insbesondere im Zusammenhang mit dem Konzept der Heimatbasis. Atypische Beschäftigungsformen dürfen auch bei hochmobilen Arbeitskräften nicht zu Sozialdumping führen." Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Luxemburgund die Niederlande haben diese Deklaration ebenfalls unterschrieben. Nach einem vielversprechenden Start wurden wir leider sehr schnell wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt.

Das Personal der Airline „Lauda“ wird zunehmend unter Druck gesetzt, der in Europa scharf kritisierte und von Mitarbeitern gefürchtete Ryanair-Ton hat endgültig seinen Weg in jenes Unternehmen gefunden, das früher nicht nur Lauda hieß, sondern auch von Niki Lauda geführt wurde. Was vor vielen Jahren in Österreich noch kaum vorstellbar war, ist mittlerweile in Wien Realität geworden. Personal wird aus willkürlichen Gründen schlicht gefeuert, es werden Leiharbeiterverträge mit sittenwidrigen Klauseln „angeboten“ und wer nicht spurt, muss das Unternehmen verlassen. Während Mitarbeiter aus Kabine und Cockpit die mittlerweile schon berühmt-berüchtigten „Sickletters“ erhalten – Briefe, in denen der Krankenstand genau aufgelistet wird, und dem Mitarbeiter vorgeworfen wird, unkollegial zu handeln („es muss jemand anderer den Dienst übernehmen“) und dem Unternehmen damit wirtschaftlichen Schaden zuzufügen – verkündet das Management fröhlich die Flottenvergrößerung von über 150% innerhalb eines Jahres in Wien, konkret ein Wachstum von anfänglich 8 auf 19 Flugzeuge.

Ein Management, das auf diese Weise agiert, ist sich genau bewusst, welche Ängste die Belegschaft hat, und wie sie diese skrupellos ausnutzen können, um den Zusammenhalt des Personals zu brechen und das Social Dumping auf ein in Österreich noch nie dagewesenes Niveau zu bringen. Flugbegleiter sollen sorgenfrei für 959,- EUR netto in einem hoch komplexen und dynamischen Umfeld arbeiten, mit klarem Kopf die Sicherheit an Bord herstellen und darüber hinaus noch für die Reinlichkeit des Flugzeugs sorgen; ihre Hauptaufgabe scheint aber eher darin zu bestehen, gute Verkäufer von On-Board Produkten zu sein.

Viele von uns fühlen sich in Österreich wohl und unserer Heimat verbunden. Viele Kolleginnen und Kollegen haben hier Haus oder Wohnung, eine Familie oder andere Bezugspunkte und können oder wollen nicht einfach von heute auf morgen das Land verlassen,weil sich ihr Arbeitgeber entscheidet, dass ab morgen die neue Home Base beispielsweise in Polen liegt. Ein Vertragsbestandteil des Leiharbeitsvertrages von Crewlink sieht keine Home Base Wien mehr vor. Das bedeutet, das jede Kollegin und jeder Kollege ohne jegliche Kompensation, permanent oder temporär, in ein anderes Land (‚straf‘-)versetzt werden kann. Man muss sich nur einmal überlegen, welches Druckmittel man einer Firma mit so einer Klausel über die Belegschaft und deren Zukunft in Österreich verleiht, wenn diese Verträge von den Beschäftigten unterschrieben werden. Anderes Beispiel: Die Airline erwartet im Falle eines Krankenstandes, dass der Mitarbeiter am ersten Tag zum Arzt geht (auch Sonntags!), um rechtzeitig die Krankmeldung an Crew Control senden zu können. Die Meldung, dass man nicht zum Dienst erscheinen kann, muss spätestens 2 Stunden vor Dienstantritt erfolgen, sonst gilt das Nicht-Erscheinen als „No-Show“. Verdachtsunabhängige Alkohol- und Drogentests oder Taschenkontrollen sind jederzeit zu akzeptieren und wenn man denkt, es kann nicht schlimmer werden, liest man in einer Klausel des 18 Monate befristeten Vertrages: „For the avoidance of doubt such rules, policies and procedures are not incorporated by reference into this contract and they can be changed, replaced or withdrawn at any time at the discretion of the company“. Einfach ausgedrückt, es gilt also für die Firma nichts, aber für die Mitarbeiter jede einzelne Zeile in diesem Vertrag. Zahlreiche Klauseln in diesem Vertrag wurden von der Gewerkschaft vida für sittenwidrig erklärt oder als nicht rechtskonform befunden, was das Management nicht daran hindert, weiterhin diese Verträge anzubieten.

Österreichisches Arbeitsrecht wird mit einem Lächeln im Gesicht von Michael O‘Leary mit Füßen getreten, Laudamotion bedankt sich herzlich über die negative Publicity und bemängelt, dass die Airline noch nicht effizient genug ist und es noch mehr Einsparungsmaßnahmen geben muss. Sollte es nicht reichen, wird man die freien Stellen einfach mit polnischen Leiharbeitern besetzen oder noch besser, man ersetzt Lauda überhaupt durch Buzz, der polnischen Tochter von Ryanair Holding PLC.

Flugsicherheit ist die oberste Priorität der Austrian Cockpit Association. Wir müssen uns als Stimme von knapp 700 Piloten und Pilotinnen die Frage stellen, inwiefern das Vorgehen von Lauda die Sicherheit betrifft. Wollen wir uns in Österreich wirklich auf eine neue Ebene begeben und zulassen, dass Kollegen mit einem unter der Armutsgefährdungsschwelle definierten Gehalt (Kabine), unter ständigem Druck und Angst, von heute auf morgen ihre Heimat zu verlieren, eine höchst verantwortungsvolle und sicherheitsrelevante
Aufgabe an Bord eines Flugzeuges ausführen? Sind wir bereit, Gehälter in der Luftfahrt zu akzeptieren, für welche man nicht einmal unter Teilzeit an einer Kassa im Supermarkt arbeiten würde? Wir als Piloten und Pilotinnen dürfen unter keinen Umständen akzeptieren, dass unser harter und verantwortungsvoller Beruf dermaßen attackiert, diffamiert und herabgewürdigt wird. Wir müssen schwächeren Kollegen aus anderen Firmen als starker Partner zu Seite stehen, denn der Ausgang dieses Preis-Kampfes wird früher oder später richtungsweisend für die berufliche Zukunft von uns allen sein. Seien wir ehrlich, in der heutigen Zeit werden Airlines, welche ihre Mitarbeiter fair behandeln, durch den Aufschwung der deutlich günstiger aufgestellten Low Cost Airlines und ihren skrupellosen Verträgen bestraft – wie bei AUA gerade drastisch erkennbar – und schleichend, Schritt für Schritt, von dem Heimatmärkten verdrängt.

Keine Firma kann und wird unter den aktuellen Bedingungen am Standort Wien auf längere Sicht lukrativ wirtschaften, wenn nicht bald etwas passiert, bleibt nur abzuwarten welche Airline den längeren Atem hat. Unsere Aufgabe ist es, die breite Öffentlichkeit auf die Missstände in der Luftfahrt hinzuweisen und die Behörden auf nationaler und internationaler Ebene in die Pflicht zu nehmen. Die Politik muss dazu stehen, was unser Verkehrsminister vor wenigen Monaten im Namen Österreichs unterschrieben hat. Eine soziale Agenda in der Luftfahrt, die einen fairen und ausgeglichenen Wettbewerb zu menschenwürdigen Gehältern und Arbeitsbedingungen streng reguliert und überwacht.

Text: Andreas Strobl

Der Autor ist Erster Offizier auf einem Verkehrsflugzeug und Vice-President International Affairs der Austrian Cockpit Association. Dieser Text erschien ursprünglich in der November/Dezember-Ausgabe des Magazins der Austrian Cockpit Association und wurde mit freundlicher Genehmigung des Pilotenverbandes als Gastbeitrag auf Austrian WIngs veröffentlicht.

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.