Österreich

AUA-Flugbegleiter zu Evakuierungsflügen: "Wir lassen niemanden im Stich"

Foto: ZVg

Thomas Perry (TP) ist Flugbegleiter aus Leidenschaft. Sein Beruf ist für ihn Berufung. Deshalb ist es für ihn eine Selbstverständlichkeit, sich für den Einsatz auf Evakuierungsflügen zu melden. Wir haben mit ihm gesprochen.

AW: Herr Perry, wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, Flugbegleiter zu werden?

TP (schmunzelt): Nun, eigentlich komme ich aus der Finanzbranche und habe später als Sprachlehrer in Spanien gearbeitet. Aber der Beruf des Flugbegleiters hat mich immer schon interessiert. Eine gute Freundin von mir ist Flugbegleiterin bei der Lufthansa und hat gemeint, ich solle es doch einfach probieren. Also habe ich mich 1996 beworben, ein wirklich hartes Auswahlverfahren bestanden und fliege seither. Mit 30 Jahren war ich damals ein richtiger Späteinsteiger.

AW: Auf welchen Flugzeugtypen waren beziehungsweise sind Sie eingesetzt?

TP: Angefangen habe ich noch auf der legendären MD-80, danach wechselte ich auf den A320 und den A340. Seit 2005 fliege ich auf Boeing 767 sowie Boeing 777 und bin auch in der Ausbildung neuer Kollegen als Trainer tätig.

AW: Was reizt Sie an dem Beruf? In der Öffentlichkeit wird man vielfach doch nur geringschätzig als "fliegender Kellner" wahrgenommen.

TP: Flugbegleiter zu sein ist viel mehr. In erster Linie sind wir für die Sicherheit an Bord verantwortlich (wir empfehlen unseren Lesern auch unsere Punktlandung "Flugbegleiter - als Kellner getarnte Sicherheitsprofis", Anm. d. Red.), und dann erst für das Service. Wobei das Service natürlich der Teil unseres Berufes ist, den der Gast mitbekommt, denn glücklicherweise sind Notfälle ausgesprochen selten. Ich schätze den Kontakt mit ständig neuen Kollegen und ich liebe es, auf jedem Flug neue Menschen aus allen unterschiedlichen Kulturen kennen zu lernen. Außerdem scheint an meinem Arbeitsplatz hoch über den Wolken immer die Sonne. Wer kann das schon von sich sagen? (lacht)

AW: Wird die ständige Fliegerei nicht irgendwann eintönig?

TP: Nein, auch nach 24 Jahren freue ich mich auf jeden Flug wie am ersten Tag. Man gewinnt natürlich an Erfahrung und Routine, aber dieses Kribbeln im Bauch, wenn man mit der Crew zum Flieger fährt und weiß: "Jetzt geht es los", das ist nie vergangen. Daher weiß ich, dass das mein absoluter Traumjob ist.

AW: Derzeit liegen über der gesamten Branche Schatten. Die AUA selbst ist federführend an einer Luftbrückenaktion beteiligt, um wegen der Corona-Krise im Ausland gestrandete Österreicher zurückzuholen. Sie sind ebenfalls auf diesen Flügen im Einsatz. Wie kam es dazu?

TP: Ganz einfach, unsere Firma hat gefragt, wer sich freiwillig meldet und das habe ich getan. Wie viele andere Kollegen auch. Die Einsatzbereitschaft ist enorm.

AW: Verstehen wir das richtig, das Unternehmen stellt es den Mitarbeitern frei, ob sie diese Einsätze übernehmen, und ordnet sie nicht an?

TP: Das ist korrekt, die AUA agiert hier vorbildlich und ist sich, meiner Meinung nach, ihrer sozialen Verantwortung der Kollegenschaft gegenüber voll bewusst. Aber wissen Sie, was das Schöne ist? Das Management bräuchte den Einsatz auf diesen Flügen auch überhaupt nicht anzuordnen. Sowohl im Cockpit als auch bei uns in der Kabine gibt es genügend Kolleginnen und Kollegen, die sofort bereit waren und auch weiterhin sind, diese Aufgabe zu übernehmen. Wir sind eine große rot-weiß-rote Familie mit einem Ziel: niemanden im Stich zu lassen!

AW: Melden sich vorwiegend junge oder ältere Kollegen für diese Spezialflüge?

TP: Das ist komplett durchmischt und das ist auch gut so. Wir sind ein tolles Team, in dem jeder professionell agiert und genau weiß, was er zu tun hat.

AW: Haben Sie gar keine Angst, sich selbst zu infizieren?

TP: Angst nein, Respekt vor dem Virus schon. Alles andere wäre auch unklug. Aber auch hier muss man die AUA wieder als tollen Arbeitgeber loben. Wir haben schon regulär seit vielen Jahren Sets mit Infektionsschutzausrüstung für die Besatzungen auf allen Maschinen an Bord. Für die aktuellen Evakuierungsflüge werden wir zusätzlich mit Desinfektionsmittel, Einweghandschuhen und hochwertigen Atemschutzmasken ausgestattet. Außerdem werden die Transporte von Bundesheer-Sanitätern begleitet, die uns noch einmal in die korrekte Handhabung der Utensilien eingewiesen haben. Außerdem wird jedem Fluggast beim Einsteigen von den Bundesheer-Sanitätern Fieber gemessen. Professioneller geht es kaum, und das ist auch wichtig, um für uns als Crew aber auch für unsere Gäste, die wir zurück in die Heimat fliegen, einen optimalen Schutz sicherzustellen.

AW: Sie haben gerade die Gäste angesprochen. Sind das ausschließlich Österreicher?

TP: Der Großteil sind österreichische Staatsbürger, aber hatten auf den Repatriierungsflügen auch schon Deutsche und Ungarn an Bord.

AW: Wie ist die Reaktion der Menschen, wenn sie an Bord kommen?

TP. Sie sind unendlich dankbar, denn sobald sie unsere Flugzeuge mit dem rot-weiß-roten Leitwerk auf dem Vorfeld sehen wissen sie, dass der Albtraum jetzt zu Ende geht und sie gut zurück nach Hause kommen. Wir hatten Gäste an Bord, die haben vor Glück und Dankbarkeit geweint. Solche Momente sind natürlich auch für uns als Crew sehr emotional.

AW: Werden Sie weiter an diesen Flügen teilnehmen?

TP. Selbstverständlich, das ist für mich keine Frage. Ich bin einfach glücklich, wenn ich meinen Teil dazu beitragen kann, dass diese in der Fremde gestrandeten Menschen wieder heim zu ihren Familien kommen.

AW: Haben Sie Sorge, dass die AUA diese Krise womöglich nicht übersteht?

TP: Nein. Wissen Sie, unser CEO Alexis von Hoensbroech hat ja gestern in der Pressekonferenz bereits ausführlich erläutert, weshalb wir gut aufgestellt sind und dass er fest daran glaubt, dass die AUA auch nach dem Shutdown des regulären Linienflugbetriebes irgendwann wieder abheben wird. Davon bin ich ebenfalls fest überzeugt. Ich fliege bald ein Vierteljahrhundert für dieses Unternehmen, und wir haben bereits so viele Krisen erfolgreich gemeistert: 9/11, SARS, den Tsunami in Asien, oder die Schweinepest. Wir werden auch die Corona-Krise meistern. Die Airline mit dem rot-weiß-roten Leitwerk wird danach wieder mit voller Kraft durchstarten. Daran habe ich keinen Zweifel.

AW: Letzte Frage - auch, wenn es pathetisch klingt... Sie und Ihre Kollegen helfen mit den Evakuierungsflügen mit, Menschenleben zu retten und setzen sich dabei selbst einem, wenn auch kalkulierten, Restrisiko aus. Viele Menschen würden das wohl als heldenhaft bezeichnen. Fühlen Sie beziehungsweise Ihre Kollegen sich als Helden?

TP: Ich kann nur für mich sprechen - und nein, ich fühle mich überhaupt nicht als Held. Ich handle einfach gemäß meinen eigenen ethischen Maßstäben und versuche, Menschen in Not zu helfen. Es gibt für mich persönlich und für viele Kollegen eine Berufsethik die weit über das hinaus geht, was in Gesetzestexten und Arbeitsverträgen steht.

AW: Danke für das Gespräch, passen Sie auf sich auf und bleiben Sie gesund.

TP: Vielen Dank, Sie auch.

(red)