AW: Sie haben den AUA-Erstflug am 31.März 1958 als Stewardess nach London begleitet. Wie kamen Sie damals zur neu gegründeten Fluglinie?
Maria Jakl: Da muss ich erst einmal etwas ausholen. Wie Sie bestimmt wissen, wurde die Deutsche Lufthansa bereits im Jahr 1955 gegründet und ich habe mich damals bereits als Flugbegleiterin beworben. Im Anschluss wurde ich zu einem Gespräch nach Hamburg eingeladen und durfte das erste Mal in meinen Leben mit einem Flugzeug fliegen, was für mich natürlich ein besonderes Erlebnis war. Ich habe vor Ort alle Prüfungen erfolgreich bestanden, doch nach kurzer Zeit erhielt ich von Lufthansa die Information, dass das Unternehmen inzwischen genügend deutsche Anwärter hatte und somit kein Bedarf mehr bestand, womit das Thema für mich erstmals abgeschlossen war. Inzwischen war ich einige Zeit im Ausland unterwegs, denn meine Mutter war Holländerin mit 15 Geschwistern, die weltweit verteilt waren, und so konnte ich nicht nur viele neue Länder kennenlernen, sondern auch noch Französisch als weitere Fremdsprache dazulernen. Als die AUA dann genügend Kapital für den Start hatte, wurden in Österreich Flugbegleiter gesucht. Ich habe mich dann auch gleich beworben und schlussendlich musste ich beim Vorsprechen bei einem Direktor einer Hotelfachschule gleich mein Können beim Servieren von Sekt unter Beweis stellen. Nach einigen Wochen Wartezeit habe ich dann schlussendlich eine positive Zusage für die Stelle bei Austrian Airlines erhalten und kurze Zeit später begann auch schon die Ausbildung.
Was waren ihre Bewegründe, dass Sie sich damals als Flugbegleiter beworben haben?
Maria Jakl: Wissen Sie, ich habe den Krieg miterlebt und immer die Flugzeuge am Himmel gesehen. Nach dem Krieg habe ich dann in einigen Zeitschriften über den Beruf gelesen und mir gedacht, dass ich das auch gerne machen wollte obwohl meine Mutter nur wenig begeistert von meinen Wunsch war. Ich habe dann vor Freude gesprüht als ich die Zusage für die Stelle bei der neu gegründeten Austrian Airlines bekam. Wie Sie sehen, machen ich das auch mehr als 60 Jahre später immer noch, wenn ich über die damalige Zeit erzähle.
Wie darf man sich die damalige Flugbegleiter Ausbildung vorstellen, vieles wurde wahrscheinlich noch improvisiert?
Maria Jakl: Im ersten Kurs waren wir 17 Mädchen, die sich aus Vertreterinnen aller neun österreichischen Bundesländern zusammengesetzt hatten. Die Ausbildung dauerte insgesamt sechs Wochen. Die Lehrer kamen von der Fluglinie SAS (Scandinavian Airlines System), diese haben uns in Englisch, Wetterkunde, Erste Hilfe, Kinderbetreuung und Emergency-Procederes geschult und darauf geachtet, dass wir auch aktiv und selbstständig mitarbeiten. Die Flugzeuge kamen von Fred Olsen und wurden schon einige Zeit vor Aufnahme der Flüge nach Schwechat überstellt, so dass wir natürlich auch noch sehr intensiv an den Maschinen selbst ausgebildet werden konnten.
Wie kam es dann dazu, dass gerade Sie für den Erstflug ausgesucht wurden?
Maria Jakl: Das ist mir selbst noch ein Rätsel, denn ich habe mich weder besonders hervor getan noch sonst etwas Spezielles gemacht. Nach sechs Wochen war die Ausbildung zu Ende, und dann hat es geheißen, dass morgen Früh die erste Maschine nach London geht und neben anderen Kolleginnen auch ich den Flug begleiten werde. Glücklicherweise war ich unter den ausgewählten Flugbegleiterinnen!
Welche Erinnerungen haben Sie an den geschichtsträchtigen Flug?
Maria Jakl: Die Anspannung war enorm! Wir waren alle furchtbar gestresst, dass wir ja alles richtig machen wollten was wir in den vergangenen Wochen gelernt hatten. Das öffentliche Interesse im Land war ungeheuerlich groß und da die Vickers nur über 48 Sitzplätze verfügte, mussten die Teilnehmer des Erstfluges ausgelost werden. In London wurden wir dann sehr feierlich begrüßt, dass galt dann aber auch für alle anderen neuen Destinationen. Die AUA war sehr beliebt und hat sich schnell einen guten Namen gemacht, obwohl wir zunächst nur ein sehr einfaches Service an Bord bieten konnten.
Zur damaligen Zeit war die Flugzeugtechnik noch nicht so ausgereift wie heute, hatten Sie mit so manchen Schwierigkeiten im Alltag zu kämpfen?
Maria Jakl: Es war der Beginn der modernen Luftfahrt, nachdem wir nur in sehr niedriger Flughöhe geflogen sind, haben uns die Piloten immer darüber informiert, wann ruhiges Wetter zu erwarten war und wir mit dem Service beginnen sollten. Das Catering und das Service an Bord waren großartig und die Freundlichkeit der Flugbegleiter, die ja im jungen Unternehmen höchst motiviert waren, hat sich sehr schnell herumgesprochen. Zunächst flogen nur Diplomaten und besonders reiche Fluggäste mit der AUA. Als zu Beginn die Maschinen nur spärlich gebucht waren, wurden die wenigen Passagiere königlich umsorgt. Die Herzlichkeit an Bord war unbeschreiblich, wir waren wirklich die "friendly" Airline!
Fliegen war damals eine sehr teure Angelegenheit und deshalb meist den Reichen & Schönen vorbehalten. Können Sie sich an einen besonderen Fluggast erinnern?
Maria Jakl: Im Jahr 1964 waren die Olympischen Winterspiele in Innsbruck und der damalige Schah von Persien hat eine AUA Maschine für einen Flug von Innsbruck nach Pisa für die Kaiserin Fara Diba gechartert. Noch nie zuvor habe ich eine schönere Frau gesehen, doch als die Kaiserin mit ihrem Zobel und ihren vielen Brillanten unser Flugzeug bestiegen hatte, nahm Sie in der letzten Sitzreihe Platz, ohne ein Wort zu sagen. Wir haben Sie angesprochen und Sie nach ihren Wünschen gefragt, als diese ganz plötzlich zu weinen begann. Die Kaiserin war sichtlich unglücklich und tat uns allen sehr leid, da Sie sich wohl ihrem Leben lang einem sehr strengen Protokoll fügen musste. Ansonsten waren die Persönlichkeiten wie etwa die weltbekannte Schauspielerin Romy Schneider, immer sehr bescheiden.
Wie lange blieben Sie als Flugbegleiter bei Austrian Airlines tätig und wie sah ihr weiterer Lebensweg aus?
Maria Jakl: Ich bin nach vier Jahren weggegangen, weil ich eine Familie gründen wollte. Etwas später gab es einen Personalmangel bei der AUA und obwohl ich bereits zwei kleine Kinder hatte, bin ich während der Sommermonate wieder saisonal für einige Zeit geflogen. Ich bin dann für ungefähr neun Jahre bei meinen Kindern zuhause geblieben und habe anschließend 16 Jahre lang als Sekretärin bei der Universität für Bodenkultur gearbeitet.
Ist ihnen das Fliegen noch hin und wieder abgegangen?
Maria Jakl: Ja sehr, aber ich habe es meinen Kindern zu Liebe nicht mehr gemacht, wobei ich bis heute den Flugzeugen immer noch wehmütig nachsehe.
Anlässlich des 60-jährigen Austrian Airlines Jubiläums wurden Sie im Rahmen des Jubiläumsfestes im Jahr 2018 vom Austrian Vorstand Kay Kratky vor tausenden Besuchern geehrt. Was bedeutete Ihnen diese späte Ehrung?
Maria Jakl: Ich bin eigentlich nie geehrt worden und ich bin auch nicht der Typ der geehrt werden möchte, aber wenn dann tausende Menschen vor einem stehen und zu klatschen beginnen, dann ist das Gefühl schon unbeschreiblich. Während des Events wurde ein gemeinsames Foto mit Sebastian Kurz gemacht, danach erhielt ich vom Ministerium ein eingerahmtes Bild zugeschickt, wo der Bundeskanzler persönlich in einem Brief an mich geschrieben hat: „Liebe Frau Jakl, ich bedanke mich dafür, dass Sie nach dem Krieg mit ihrer Herzlichkeit mitgeholfen haben unser Land wieder aufzubauen“. Stellen Sie sich das einmal vor, ich die unbekannte Frau Jakl erhält einen persönlichen Brief vom Herrn Bundeskanzler!
Mehr als 154.000 Gäste haben im heurigen Jahr die Ferienmesse besucht. Für mich waren Sie die eindrucksvollste Besucherin der Veranstaltung, denn ich durfte miterleben, wie Sie die Austrian Mitarbeiter mit ihren Geschichten fast zu Tränen rührten. Ihr Herz schlägt nach sechs Jahrzehnten immer noch für Austrian Airlines?
Maria Jakl: Und wie, wenn ich noch 20 Jahre jünger wäre, würde ich mich heute wieder als Flugbegleiterin bei Austrian Airlines bewerben. Sie müssen wissen, ich bin nach wie vor mit Austrian Airlines in Kontakt und habe deshalb vor der Messe angefragt, ob ich jemanden vor Ort vielleicht treffen könnte? Ich wurde dann sehr herzlich von Herrn Thomas Drescher, Alexis von Hoensbroech und dem jungen AUA Personal am Stand empfangen. Sie müssen wissen, ich blühe immer noch auf, wenn sich junge Menschen für meine Geschichten interessieren!
Interview: Martin Dichler