AW: Frau Kuczer, seit wann arbeiten Sie bei Austrian Airlines?
KK: Ich bin seit 2015 bei der Firma.
AW: War das schon immer Ihr Traumjob, beziehungsweise wie kamen Sie in die Airline-Branche?
KK: (lacht) Eigentlich habe ich davor etwas ganz anderes gemacht, ich habe als Kindermädchen gearbeitet und Englischunterricht gegeben.
AW: Und was hat Sie dann zur AUA verschlagen?
KK: Eine meiner Kolleginnen, die bei OS gearbeitet hat, hat mich inspiriert, mich zu bewerben. Die Idee bei der Fluglinie zu arbeiten war wegen den vielfältigen Aufgaben, der dynamischen Art des Jobs und dem internationalem Flair sehr ansprechend für mich.
AW: In welchem Bereich sind Sie tätig?
KK: Ich arbeite im Arrival Service als Supervisor.
AW: Was kann man sich darunter vorstellen, beschreiben Sie bitte Ihre Aufgaben ein wenig.
KK: Ich schildere mal die "Normalsituation", also wie es vor der Corona-Krise war und hoffentlich bald wieder sein wird. Unser Aufgabenspektrum ist grundsätzlich vielfältig. Im Kundenbüro etwa nehmen wir Meldungen von Gästen über verlorenes oder beschädigtes Gepäck auf. Im Fall einer Flugstreichung organisieren wir für unsere Kunden und die unserer Vertragspartner-Fluglinien Übernachtungsmöglichkeiten beziehungsweise alternative Transportmöglichkeiten, also etwa Taxis, Züge oder Busse. Wir sind auch dafür verantwortlich, dass wiedergefundenes Gepäck möglichst rasch an unsere Gäste zugestellt wird.
AW: Sie haben Corona ja schon als Thema angesprochen. Wie haben Sie die Situation beziehungsweise die Entwicklung hin zur aktuellen Lage am Airport erlebt?
KK: Aus meiner Sicht, hat sich die Situation sehr dynamisch und ziemlich schnell entwickelt. Am Anfang des Jahres hat man noch nicht gespürt, was alles auf uns zukommt. Als erste Maßnahme ist die Entscheidung gefallen die Flüge nach Peking zu stornieren. Danach kam alles in quasi "Minutentakt" auf uns zu.
AW: Haben Sie sich von der Firma gut informiert gefühlt?
KK: Ja! Wir wurden und werden regelmäßig per E-Mail informiert und haben Vorgaben bekommen, wie wir uns verhalten sollen, um uns selbst, aber auch unsere Gäste bestmöglich zu schützen.
AW: Zum Beispiel?
KK: Im Büro, wo der Kundenkontakt stattfindet, haben jetzt nur noch zwei Mitarbeiter Dienst, früher waren es vier oder fünf. Außerdem erhalten wir tägliche Updates via E-Mail zur Mitarbeiterinformation. Dazu kamen tägliche operative Anpassungen zur neuen Situation – neue Stornierungen bis zur traurigen aber notwendigen Entscheidung den Betrieb temporär einzustellen. Das alles innerhalb von kürzester Zeit war eine große Herausforderung für die ganze Station, vor allem aus organisatorischen Gründen. Ich habe mich aber zu keinem Zeitpunkt verloren gefühlt. Wir sind täglich genau informiert worden was zu tun ist, was passiert gerade, was kommt vermutlich in der nächsten Zeit auf uns zu. Wir haben im März auch pro Person täglich Mundschutzmasken und einmal pro Woche eine Flasche Desinfektionsmittel zu Verfügung bekommen. Es wurden auch Plastikschutzschilder vor den besetzten Schaltern montiert.
AW: Wie sieht der Dienstalltag im Moment aus?
KK: Wir befinden uns gerade in Kurzarbeit. Für mich es ist ein riesiger Unterschied, da ich im Normalbetrieb Vollzeit arbeite. Es gibt ganz wenige Flüge, das bedeutet auch kaum Passagiere. Man fühlt sich komisch, weil ein normalerweise sehr lebendiger Arbeitsplatz still und leer ist. Dazu arbeiten wir momentan normalerweise einzeln, was außer in Nachtdiensten nie passiert - normalerweise eben.
AW: Wie erleben Sie die wenigen verbliebenen Fluggäste?
KK: Was die Reaktionen der Passagiere betrifft, ist das Spektrum, wie immer, sehr breit. Manche sind verärgert, manche verunsichert, andere zeigen Gleichgültigkeit gegenüber der Situation und wieder andere wirken sehr souverän. Die meisten zeigen aber auch Verständnis für die Sorgen von uns Mitarbeitern und eine ungeheure Dankbarkeit, dass wir weiter für sie im Dienst sind. Es ist sehr wichtig in dieser Zeit noch mehr als sonst Empathie zu zeigen, den Gästen zuzuhören und manchmal auch die Passagiere zu trösten. Es passiert uns, dass wir in manchen Situationen nicht helfen können – wie in meinem letzten Fall. Ein deutsches Ehepaar wurde vom Reisebüro falsch umgebucht. Sie wären nach Deutschland mit einer Fluglinie geflogen, die wir nicht abfertigen. Deren Schalter war leider unbesetzt und so sind die beiden Reisenden ganz aufgelöst zu uns gekommen. Sie konnten nicht nach Hause, die Koffer waren nicht da. Wir haben also mit meiner Kollegin geholfen, die Gepäckstücke zu suchen, Wasser angeboten, informiert, wo sie übernachten können. Die Stimmung war gleich besser, die Passagiere ein bisschen ruhiger und ein großes "Dankeschön für Ihre Hilfsbereitschaft“ haben sie auch ausgesprochen.
AW: Wie bewältigen Sie und Ihre Kollegen die Situation eigentlich?
KK: Die Bewältigung der Situation finde ich am Arbeitsplatz großartig. Wir unterstützen uns auf unterschiedlichen Weisen. Unsere Vorgesetzten haben mit uns Kommunikationsgruppen gegründet, in denen wir uns austauschen können. Wir können sie auch direkt kontaktieren, falls wir uns in irgendeiner Hinsicht unsicher fühlen. Eine Kollegin hat die Gruppe "AS im Corona-Modus" gegründet. So bleiben wir im Kontakt, tauschen Informationen aus, nicht nur was Abläufe betrifft, sondern auch wo die Schokolade für Kolleginnen im Dienst liegt. Das ist ganz, ganz ganz wichtig. (lacht herzlich). Es finden zurzeit keine persönlichen Briefings statt, man wird telefonisch oder elektronisch "gebrieft". Wir haben auch ein ganz tolles Team, unsere Peer Support Group. Diese speziell geschulten Kollegen sind bereit, uns in emotionalen Krisen zu unterstützen.
AW: Abschließend: Was ist Ihre ganz persönliche Motivation, in dieser schwierigen Lage an vorderster Kundenfront weiter zu arbeiten?
KK: Meine persönliche Motivation ist die tägliche Erinnerung daran, wie gerne ich bei OS arbeite. Ich spüre die große Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen sowie einen großen Zusammenhalt in der ganzen Firma. Ich bin stolz auf meine fliegenden Kolleginnen und Kollegen die sich freiwillig für die Rückholflüge melden, auf die Ticketing-Kollegen, die auch momentan Enormes leisten, auf diejenigen, die Frachtflüge nach China ermöglichen. Wir wollen ja alle bald wieder abheben und diese Motivation spürt man enorm. Ich möchte sagen: "We are Austrian, we don’t give up!"
AW: Frau Kuczer, vielen Dank für das Gespräch. Bleiben Sie gesund!
KK: Danke, Ihnen und dem Austrian Wings Team ebenfalls alles Gute.
(red)