Der Vorstand der Deutschen Lufthansa AG erwartet keine schnelle Rückkehr der Luftverkehrsindustrie auf das Niveau vor der Coronakrise. Nach seiner Einschätzung wird es Monate dauern, bis die globalen Reisebeschränkungen vollständig aufgehoben sind und Jahre, bis die weltweite Nachfrage nach Flugreisen wieder dem Vorkrisen-Niveau entspricht. Auf Basis dieser Einschätzung hat der Vorstand heute weitreichende Maßnahmen beschlossen, um die Kapazität der Flugbetriebe sowie der Administration längerfristig abzusenken.
Die heute gefassten Beschlüsse betreffen nahezu alle Flugbetriebe der Lufthansa Group.
Bei der Lufthansa Airline werden sechs Flugzeuge vom Typ Airbus A380 und sieben Flugzeuge vom Typ A340-600 sowie fünf Boeing 747-400 stillgelegt. Hinzu kommen auf der Kurzstrecke elf Airbus A320.
Die sechs A380 waren ohnehin ab 2022 für den Verkauf an Airbus vorgesehen. Die Ausflottung von sieben A340-600 und fünf Boeing 747-400 wurde vor dem Hintergrund der nachteilhaften Ökoeffizienz und Wirtschaftlichkeit dieser Flugzeugtypen entschieden. Mit diesem Schritt reduziert Lufthansa ihre Kapazitäten an ihren Drehkreuzen Frankfurt und München.
Zusätzlich wird Lufthansa Cityline drei Flugzeuge vom Typ Airbus A340-300 aus dem Betrieb nehmen. Seit 2015 hatte die Regionalfluglinie vor allem touristische Langstreckenziele für Lufthansa angeflogen.
Die Eurowings wird ebenfalls die Zahl ihrer Flugzeuge weiter reduzieren. So sind im Bereich der Kurzstrecke zusätzlich zehn Airbus A320 zur Ausflottung vorgesehen.
Das Langstreckengeschäft der Eurowings, das kommerziell von Lufthansa verantwortet wird, soll ebenfalls verkleinert werden.
Zudem soll die bereits vor der Krise festgelegte Zielsetzung von Eurowings, den Flugbetrieb auf eine Einheit zu bündeln, nun beschleunigt umgesetzt werden. Der Flugbetrieb der Germanwings wird beendet. Alle daraus resultierenden Optionen sollen mit den Sozialpartnern besprochen werden.
Die bereits begonnenen Restrukturierungsprogramme bei Austrian Airlines und Brussels Airlines werden durch die Coronakrise nochmals verschärft. Beide Gesellschaften arbeiten unter anderem an der Reduzierung ihrer Flotten. Auch SWISS International Airlines wird ihre Flottengröße durch die verzögerte Auslieferung von bestellten Kurz- und Mittelstreckenflugzeugen anpassen und prüft zudem die vorgezogene Ausmusterung älterer Flugzeuge.
Die Passagierairlines der Lufthansa Group haben darüber hinaus bereits nahezu alle Wetlease Vereinbarungen mit anderen Fluggesellschaften gekündigt.
Für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von dem Restrukturierungspaket betroffen sind, gilt weiter das Ziel, möglichst vielen eine Weiterbeschäftigung innerhalb der Lufthansa Group zu bieten. Dafür sollen mit den Sozialpartnern zügig Gespräche vereinbart werden, um unter anderem über neue Beschäftigungs-modelle zur Sicherung von möglichst vielen Arbeitsplätzen zu sprechen.
Vereinigung Cockpit übt Kritik an Schließung von GermanwingsDie Vereinigung Cockpit hat heute mit vollkommenem Unverständnis die Mitteilung der Lufthansa Group zur Kenntnis genommen, dass der Flugbetrieb bei Germanwings dauerhaft eingestellt und die Firma abgewickelt werden soll. Noch letzte Woche hatten sich die Gewerkschaften mit dem Management der Germanwings auf eine Vereinbarung zur Kurzarbeit verständigt, um dem Unternehmen in der aktuellen Krise finanziellen Spielraum zu verschaffen.
Die Lufthansa Group hat eine fertig verhandelte Vereinbarung über eine Reduzierung der Cockpit-Personalkosten um 50 Prozent einseitig ausgeschlagen, mit der seitens der Piloten ein deutlicher Beitrag zum Fortbestand der Germanwings geleistet worden wäre.
„Das Management hat offenbar die aktuelle Lage genutzt, die Umstrukturierung des Konzerns auf dem Rücken der Mitarbeiter voran zu treiben. Diese Vorgehensweise verunsichert nun tausende Mitarbeiter bei Germanwings und der gesamten Lufthansa-Gruppe,” so Markus Wahl, Präsident der Vereinigung Cockpit. „Gelebte Sozialpartnerschaft sieht – auch und gerade in Krisenzeiten – anders aus. Wir erwarten vom Management, die eigenen Ankündigungen ernst zu nehmen und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Zukunft im Unternehmen zu ermöglichen.”
Wenn der Vorstand der Lufthansa in seiner Veröffentlichung davon spricht, „vielen eine Weiterbeschäftigung innerhalb der Lufthansa Group zu bieten“, indem er mit „…den Sozialpartnern…unter anderem über neue Beschäftigungsmodelle zur Sicherung von möglichst vielen Arbeitsplätzen“ sprechen will, dann bedeutet dies, dass die sowieso schon von Kurzarbeit betroffenen Mitarbeiter nun zusätzlich auch noch die Personalkosten der Germanwings-Mitarbeiter, von denen Lufthansa weiterhin profitieren möchte, übernehmen sollen. Niemand traut sich bisher, seriöse Vorhersagen abzugeben, wie lange die Krise dauern wird.
Niemand kann mit Gewissheit sagen, wie das Kundenverhalten nach der Krise sein wird, auch nicht der Vorstand der Lufthansa. Öfter schon lag man bei Krisen in der Vergangenheit daneben. Vor dem Hintergrund, dass zur Überbrückung der Krisenzeit zum Arbeitsplatzerhalt staatliche Hilfen in Anspruch genommen werden sollen, ist das für die Mitarbeiter eine Zumutung und es drängt sich der Verdacht auf, dass die Krise zur dauerhaften Absenkung der Tarife genutzt werden soll. Die Vereinigung Cockpit verurteilt das Vorgehen des Lufthansa-Managements scharf.
(red / LH / VC)