Österreich

LaudaMotion-Zwischenfall in London: Ausbildungsdefizite bei Senior-Flugbegleiterin

Der betroffene A320 - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Rund eineinhalb Jahre nach dem Startabbruch eines A320 von LaudaMotion in London mit einer anschließenden sinnlosen Evakuierung, haben die britischen Unfallermittler ihren Abschlussbericht veröffentlicht. Darin lassen sie kein gutes Haar am Handeln sowie an der Qualifikation der verantwortlichen Senior-Flugbegleiterin, wobei für den letztgenannten Faktor der Arbeitgeber verantwortlich zeichnet.

Austrian Wings Leser kennen die Vorgeschichte: Am Abend des März 2019 mussten die Piloten des LaudaMotion A320 mit der Kennung OE-LOA auf dem Flughafen London Stansted einen Startabbruch durchführen. Obwohl keinerlei Veranlassung dafür bestand, wurde nach dem erfolgreichen Startabbruch - der fachlich korrekt war - eine Evakuierung des Flugzeuges auf der Startbahn bei laufendem rechten Triebwerk durch die Kabinenbesatzung eingeleitet - es gab mehrere Verletzte. Obwohl es schon damals Indizien für ein potentiell gefährliches Versagen eines Teils der Kabinenbesatzung gab, hüllte sich LaudaMotion-Geschäftsführer Andreas Gruber auf unsere damaligen Anfragen in beredtes Schweigen - wir berichteten.

Jetzt gaben dafür die britischen Unfallermittler in ihrem mit Spannung erwarteten Bericht Antwort auf die seit damals offenen Fragen.

Als Ursache des Defekts am linken Triebwerk orteten die Ermittler Materialermüdung an den Turbinenschaufeln im Bereich des Hochdruckompressors. Der Startabbruch bei einer Geschwindigkeit von 31 Knoten sei daher folgerichtig gewesen.

Die anschließende Evakuierung war jedoch weder erforderlich noch von den Piloten angeordnet.

Vielmehr habe die Senior-Flugbegleiterin (auch Purser oder Chef de Cabine genannt) eigenmächtig die Evakuierung eingeleitet, ohne objektive Notwendigkeit und ohne jede Anweisung aus dem Cockpit. Bei Beginn der Evakuierung lief das rechte Triebwerk noch, wodurch sich die potentiell gefährliche Situation ergab, dass evakuierte Passagiere durch den heißen Abgasstrahl verletzt oder - im schlimmsten Fall - von vorne ins Triebwerk eingesaugt und getötet werden hätten können.

"The Senior Flight Attendant commanded an emergency evacuation that was not necessary in the circumstances."
Die britischen Unfallermittler

Als die Piloten bemerkten, dass eine Evakuierung im Gange war, schalteten sie das rechte Triebwerk unverzüglich ab.

"As a result of the flight crew not being consulted before the evacuation was commenced, the right engine remained running for the first few minutes of the evacuation. This led to an increased risk of serious injury to those passengers that evacuated on the right side of the aircraft. Indeed, several passengers sustained minor injuries having been blown over by the exhaust."
Die britischen Unfallermittler

Die Unfallermittler konstatierten, dass die Senior-Flugbegleiterin die Evakuierung aufgrund einer emotionalen Ausnahmesituation durchgeführt habe. Begünstigt worden sei ihre Entscheidung durch "Unerfahrenheit" und "Defizite im Training".

"The initial and senior training received by these FAs did not include examples of the pilots’ activities when responding to an emergency or the potential effects of startle and surprise on FA performance."
Die britischen Unfallermittler

Als der Kapitän die Senior-Flugbegleiterin fragte, weshalb sie die Evakuierung eingeleitet habe, antwortete sie, dass sie der Meinung gewesen sei, die Anweisung dazu erhalten zu haben - obwohl es eine solche nicht gab.

"The commander then had a conversation with the Senior Flight Attendant (SFA), over the interphone, during which the commander asked why the evacuation had been initiated. She replied that she believed he had ordered one, which he denied."'
Die britischen Unfallermittler

Kritisiert wurde von den Ermittlern auch das Verhalten etlicher Passagiere, die während der Evakuierung ihr Handgepäck mitnahmen.

Als Konsequenz aus diesem Unfall hat LaudaMotion laut dem Bericht der britischen Unfallermittler das Training ihrer Besatzungen verbessert.

Erst Ende Mai hatte allerdings ein ehemaliger LaudaMotion-Flugbegleiter in einem Austrian Wings Videobeitrag erklärt, sich "nie wieder" in ein LaudaMotion-Flugzeug setzen zu wollen.

(red)