Punktlandung

Es ist fünf nach Zwölf: Corona endlich mit Verstand und Entschlossenheit entgegentreten

Die AUA und der Flughafen Wien agieren vorbildlich: Selbst in jenen Zeiten, in denen keine offizielle Maskentragepflicht bestand, mussten auf dem Airport alle Mitarbeiter und Passagiere Masken benutzen - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Seit mehr als einem halben Jahr hat das Ende 2019 erstmals in China aufgetretene jüngste Coronavirus die Welt fest im Würgegriff. Kaum eine andere Branche ist davon so betroffen wie der Flugverkehr, der im Passagierbereich um gut 80 Prozent eingebrochen ist. Dass die Ausbreitung noch immer nicht gestoppt ist und die Zahlen weltweit massiv steigen ist auch der Verantwortungslosigkeit vieler Menschen selbst geschuldet. Heute wird die Regierung deshalb eine Verschärfung der Maßnahmen bekannt geben. Ein - durchaus drastisch formulierter - Kommentar aus gegebenem Anlass.

Als Ende des vergangenen Jahres erstmals die Meldungen über ein neuartiges Coronavirus (COVID-19) in China durch die Nachrichten geisterten, machte man sich außerhalb Asiens kaum Sorgen. China sei schließlich weit weg und selbst in Medizinerkreisen dachte man zu Beginn der Pandemie oft, dass Corona doch nur ein "besserer Schnupfen" oder eine "leichte Grippe" sei - weit gefehlt, wie wir heute wissen. Binnen weniger Monate schwappte das gefährliche Virus von China (das den Ausbruch und die Gefährlichkeit lange vertuscht hatte) auf den Rest der Welt über. Die Auswirkungen auf Menschen und Wirtschaft waren fatal und lösten eine Krise aus, wie man sie in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gesehen hat. Bis heute sind nachweislich mehr als eine Million Menschen am Coronavirus gestorben, rund 40 Millionen sind infiziert. Die Dunkelziffer dürfte noch um ein Vielfaches höher liegen und nicht nur die Todesrate gibt Anlass zur Sorge, sondern auch der Umstand, dass in der Wissenschaft heute weitgehender Konsens darüber herrscht, dass selbst bei milden Verläufen schwere Langzeitschäden an Organen wie Herz, Niere oder Gehirn möglich sind.

"Die Zahl der Corona-Toten hat die Millionengrenze bereits überschritten. In einem Jahr hat es niemals eine Million Grippe-Tote gegeben, außer bei der Spanischen Grippe. Also stimmt es nicht, dass Corona nicht schlimmer als die Grippe ist."
Dr. Thomas Hausner, Leiter UKH Lorenz Böhler, selbst an Corona erkrankt

Im März musste aufgrund der explodierenden Infektionszahlen in etlichen Ländern ein Lockdown, also ein "Herunterfahren" des gesamten öffentlichen Lebens verhängt werden - in dieser Form einzigartig seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, vergleichbare Maßnahmen hat es, zumindest in Mitteleuropa, nicht einmal nach dem Supergau im AKW Tschernobyl 1986 gegeben. Eine Fluglinie nach der anderen musste den Betrieb komplett einstellen, auch die heimische AUA.

"Wir wissen heute, dass COVID-19 keine Atemwegserkrankung, sondern eine Multiorganerkrankung ist. Sie befällt die Lunge ebenso wie das Gehirn, das Herz, die Nieren, den Magen-Darmtrakt und das Gefäßsystem."
Dr. Ramin Nikzad, AKH Wien

Doch obwohl es die Menschheit mit einer weltweiten Pandemie zu tun hat, haben sich viele Menschen von Anfang an geweigert, die erforderlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung mitzutragen - obwohl diese Maßnahmen vom intellektuellen Anspruch her selbst von Mädchen und Buben im Kindergartenalter leicht befolgt werden können:

  • soziale Kontakte reduzieren, soweit sie nicht zum täglichen (Über-)Leben unbedingt erforderlich sind
  • Abstand zu den Mitmenschen halten, mindestens 1,5 bis 2 Meter
  • Mund-Nasen-Schutz oder FFP2-Maske (ohne Ventil!) tragen und zwar richtig
  • regelmäßig Hände desinfizieren oder die Hände gründlich mit Wasser und Seife waschen

Schon während des ersten Lockdowns in Österreich im Frühjahr funktionierte dies mehr schlecht als recht (auch wenn die Politiker aus psychologischen Gründen das Gegenteil behaupteten, um den Menschen den sprichwörtlichen Honig ums Maul zu schmieren) doch die massive Polizeipräsenz und die hohen Strafen führten dazu, dass sich zumindest ein Teil der Bevölkerung daran hielt. Mit Erfolg: Die Infektionszahlen sanken umgehend.

Auf den meisten Flughäfen stehen - schon seit Monaten - Desinfektionsmittelspinder; doch benutzt werden sie von den wenigsten Reisenden, wie mehrere Austrian Wings Lokalaugenscheine ergaben

Doch seit dem Ende des Lockdowns und der schrittweisen Lockerungen weiterer Maßnahmen explodieren die Zahlen wieder. Wir haben (nicht nur in Österreich) absolute Rekordwerte. In sozialen Medien wird deshalb gegen die "unfähige Regierung" gewettert, dabei verkennen die Leute jedoch, dass es ihre eigene Verantwortung ist, die Verbreitung einzudämmen. Doch offenbar ist die Masse dazu nicht willens oder nicht fähig. Das Problem lässt sich im wesentlichen in zwei Gruppen einteilen:

  1. Verschwörungstheoretiker, die das Vorhandensein oder die Gefährlichkeit des Coronavirus grundsätzlich in Abrede stellen. Darunter befinden sich auch Menschen, die selbst die Gefährlichkeit von HIV  leugnen. Bei ihnen ist Hopfen und Malz verloren.
  2. Die breite Masse, die die Maßnahmen nur halbherzig umsetzt, weil sie entweder die Notwendigkeit noch immer nicht begriffen haben oder es schlichtweg nicht besser können

Beide Gruppen stellen mit ihrem Verhalten jedoch eine Gefahr für ihre Mitmenschen dar. Einige Beispiele aus Gruppe 2 gefällig? Bitteschön:

  • Private Feste und Feiern, "weil die Gäste ja eh nichts haben"; ein besonders Problem sind hier unter anderem Großhochzeiten im islamischen Kulturkreis; erst kürzlich wurde eine türkische Hochzeitsfeier mit 110 Gästen in Wiener Neustadt behördlich aufgelöst, die eintreffende Polizei wurde von den Teilnehmern zunächst noch sogar belogen; mehrfach führten solche "Events" zu Clusterbildung
  • Exzessive Lokalbesuche, Besuche in Fitnesscentern, bei Frisören, Geschäften, etc ... wo die Schutzmaßnahmen nicht befolgt werden, weil - nur ein Beispiel - sowohl Kunden als auch Personal ihre Masken gar nicht oder falsch tragen; in Vösendorf musste vor wenigen Monaten ein Lokal wegen mehrerer Infektionsfälle gesperrt werden; eine Studie aus den USA zeigt, dass 42 Prozent der Infizierten zuvor in Restaurants waren
  • Mangelndes generelles hygienisches Verhalten: Obwohl mittlerweile jedes Kind ab 3 Jahren weiß, dass man NICHT in die Hand hustet oder niest, ist dieses Verhalten bei Erwachsenen noch immer täglich zu beobachten
  • Nach wie vor werden munter Hände geschüttelt, sich umarmt oder mit "Bussi, bussi" begrüßt
  • In Gastronomie und Geschäften bereit gestelltes Desinfektionsmittel wird in vielen Fällen weder von den Gästen noch vom Personal benutzt
  • Tische in der Gastronomie werden häufig nicht (regelmäßig) desinfiziert, Türschnallen ebenfalls nicht
  • Ein weiteres Problem in der Gastronomie: Servicepersonal greift beim Abservieren der benutzten Gläser in vielen Fällen direkt in den Speichel der Gäste und serviert - ohne Händedesinfektion - die nächsten Speisen und Getränke, beziehungsweise deckt Tische mit frischem Besteck
  • Ältere Menschen - eine Hochrisikogruppe - die munter auf alle Schutzmaßnahmen pfeifen und sich regelmäßig mit Freunden und Familie treffen

Diese Liste ließe sich noch sehr lange fortsetzen; sie fußt einerseits auf persönlichen Beobachtungen des Autors in den vergangenen sieben Monaten aber auch auf zahlreichen Rückmeldungen aus seinem persönlichen Umfeld.

"Es erscheint ratsam, das Physical Distancing und den MNS ernst zu nehmen, um sich selbst vor lebenslänglichen Leiden und einer womöglich verminderten Lebenserwartung durch das neuartige Coronavirus zu schützen, egal wie jung und egal wie gesund man ist."
Dr. Ramin Nikzad, AKH Wien

Wir sind mitten in der zweiten Corona-Welle, daran führt kein Schönreden vorbei. Wohin es führt, wenn man aus Ignoranz, Naivität, Sorglosigkeit oder purer Dummheit die Gefahr des Virus unterschätzt und sich nicht an die von der Medizin dringend empfohlenen Maßnahmen hält, zeigt ein Blick nach Tschechien. Das Land verordnete im Frühjahr als eines der ersten in Europa strenge Maßnahmen und kam beinahe ungeschoren durch die erste Welle. Dann kehrte - auch in der Politik - absolute Sorglosigkeit ein, ein verhängnisvoller Fehler wie selbst der Ministerpräsident der Tschechischen Republik bereits offiziell eingestanden hat.

Die AUA gibt an ihre Mitarbeiter bereits seit Monaten regelmäßig hochwertiges Händedesinfektionsmittel aus, damit sich die Belegschaft optimal schützen kann

Mittlerweile explodieren die Zahlen in unserem Nachbarland folglich wieder. In Tschechien wurde deshalb der Notstand ausgerufen, es gibt einen Teil-Lockdown. In Brünn/Brno und Prag/Praha werden von der Armee nun Feldlazarette errichtet und mangels eigener medizinischer Kapazitäten musste die Regierung in Prag/Praha bereits das, selbst ebenfalls schwer betroffene Deutschland, um Unterstützung bei der Behandlung von Corona-Patienten ersuchen. In einem Akt der Verzweiflung startete die Regierung sogar einen Aufruf an tschechische Ärzte im Ausland, zur Bekämpfung der Pandemie in ihre Heimat zurückzukehren.

"Die Tschechische Republik steht in wenigen Wochen vor dem Zusammenbruch. Wenn die Tschechen die Anti-Corona-Maßnahmen nicht befolgten, werden sie bald die Leichen in Kühlfächern auf der Straße stapeln müssen."
Der tschechische Innenminister Jan Hamáček spricht Klartext

Namhafte Wissenschaftler in Tschechien haben ebenfalls einen Aufruf an die Bevölkerung gestartet, die notwendigen Maßnahmen mitzutragen, um den worst case doch noch zu vermeiden.

Ähnlich dramatisch ist die Situation in den Niederlanden. Binnen 24 Stunden wurden dort  am Freitag rund 8.000 Neuinfektionen gemeldet. Bedrohlich ist die Lage laut niederländischen Medien in den Krankenhäusern und vor allem auf Intensivstationen. Dort liegen bereits so viele Corona-Patienten, dass die Pflege und Betreuung der übrigen Patienten nicht mehr in vollem Ausmaß gewährleistet werden kann.

Einige Notaufnahmen in Großstädten mussten bereits temporär schließen, vor den Krankenhäusern würden die Rettungswagen mit Patienten stehen und warten. Das bedeutet, drastisch formuliert, dass man mit einer akuten Blinddarmentzündung zum Todeskandidaten wird.

"Die Lage ist schlimmer als im Frühjahr. Wir befinden uns im Vorlauf einer Katastrophe."
Virologe Hans Zaaijer zur Zeitung "De Telegraaf"

In die gleiche Richtung wie in Tschechien und den Niederlanden geht die Reise aktuell auch in Österreich, wenn sich die Menschen nicht endlich am sprichwörtlichen Riemen reißen, um die Pandemie einzudämmen.

Der Flugverkehr und auch die restliche Wirtschaft werden selbst bei niedrigen Infektionszahlen und einer hoffentlich bald zur Verfügung stehenden Impfung gegen Corona lange genug brauchen, um sich zu erholen.

Um wie viel länger wird es aber wohl dauern, wenn am Ende das Gesundheitssystem kollabiert - nur weil die Menschen nicht in der Lage sind, Maßnahmen, die selbst von kleinen Kindern problemlos umzusetzen sind, zu befolgen?

"Die Leute sollten endlich die Regeln zur Eindämmung der Pandemie befolgen!"
Andreas Voss, Professor für  Infektionsprävention in Nimwegen

Auch in Österreich werden heute strengere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie verkündet, und Bundeskanzler Kurz schließt einen zweiten Lockdown nicht mehr aus. Diesen zu verhindern, liege "an uns allen".

Die notwendigen Schutzmaßnahmen sind selbst für kleine Kinder einfach zu befolgen; trotzdem schaffen es viele "mündige" Erwachsene nicht

In diesem Sinne: Maske tragen, Abstand halten, Hirn einschalten - gesund bleiben und so auch seine Mitmenschen schützen! Solidarität und Hausverstand sind das Gebot der Stunde!

Text: P. Huber

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.