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Fotoreportage: Das war der Flughafen Berlin Tegel

Tegel konnte auf dem Landweg nur über die Straße erreicht werden - Fotos, sofern nicht anders angegeben: Austrian Wings Media Crew

Ein ebenso trauriger wie historischer Moment fand gestern in Berlin statt. Nach 82 Jahren wurde der legendäre Flughäfen Berlin Tegel (TXL) geschlossen. Von den einst drei Berliner Flughäfen (Schönefeld, Tegel und Tempelhof) ist jetzt nur noch der auf dem Areal von Schönefeld errichtete neue Hauptstadtflughafen BER bekannt, der mit seiner zwölfjährigen Verzögerung bei der Eröffnung schon jetzt als Milliardengrab in die Annalen der Geschichte eingegangen ist. Eine Fotostrecke zum Abschied eines legendären Flughafens.

Der Flughafen Tegel wurde aus der Not heraus geboren. Im Berlin der Nachkriegszeit wurde das Flugfeld innerhalb von 90 Tagen errichtet, um von hier aus Versorgungsflüge im Rahmen der Berliner Luftbrücke durchführen zu können. Am 5. November 1948 landete mit einer Douglas C-54 Skymaster (Militärversion der DC-4)  das erste Flugzeug auf dem erst Anfang Dezember offiziell eingeweihten Flughafen. Der Flugbetrieb erfolgte weitgehend mit amerikanischen und britischen Flugzeugen, da die französischen Luftstreitkräfte nicht über eine ausreichende Anzahl an Transportflugzeugen verfügten und zudem im Indochinakrieg gebunden waren. Die neu gebaute Start- und Landebahn war mit 2.428 Metern zum damaligen Zeitpunkt die längste in Europa.

Erst zwölf Jahre später, am 2. Januar 1960, startete der reguläre Linienflugbetrieb durch Air France. Die französische Airline hatte zuvor den Flughafen Tempelhof angesteuert, doch dessen kurze Piste war für die aufkommenden Strahlflugzeuge mitunter nicht lange genug.

Die legendäre US-Fluggesellschaft Pan Am begann im Mai 1964 als zweite Fluggesellschaft mit regelmäßigen Linienflügen, zunächst dreimal wöchentlich zum New Yorker Flughafen John F. Kennedy. Zum Einsatz kamen Boeing 707 und DC-8. Ende der 1960er Jahre und Anfang der 1970er Jahre zogen immer mehr Airline vom überlasteten Innenstadtflughafen Tempelhof nach Tegel um. Ab 1975 etwa war der Airport der wichtigste Berliner Flughafen.

Eng verbunden ist Berlin Tegel auch mit der vor drei Jahren in die Insolvenz geschlitterten AIr Berlin. Deren Vorläufer, die Air Berlin USA, nahm gegen Ende der 1970er Jahre den Flugbetrieb in Tegel auf. Da deutsche Fluggesellschaften bis zur Wiedervereinigung Deutschlands nicht nach West-Berlin fliegen durften, war der Firmensitz von Air Berlin USA offiziell in Miami.

In den Folgejahren stieg der Flugverkehr in Tegel weiter an, doch der Flughafen hatte ein Ablaufdatum. 1988 wurde der Airport nach dem Flugpionier Otto Lilienthal benannt.

1997 geriet der Flughafen wegen mutmaßlicher Sicherheitsmängel in die Schlagzeilen, die zur Entführung einer Maschine der Austrian Airlines führten. Um 11:20 Uhr hob eine MD-87 der rot-weiß-roten Traditionsairline als Flug OS 104 von Berlin Tegel mit Ziel Wien Schwechat ab. An Bord befanden sich zwei Piloten, drei Flugbegleiter sowie 28 Passagiere. Nach einer Stunde Flugzeit - die Maschine befand sich zu diesem Zeitpunkt im tschechischen Luftraum bei Prag - entführte ein 39-jähriger Bosnier die Maschine zurück nach Tegel. Nach der Landung trat der Täter in Verhandlungen mit den Behörden ein. Unbemerkt schlichen sich zwei Polizisten über die Hecktreppe der MD-87 an Bord und stießen den Hijacker aus dem Flugzeug aufs Rollfeld. Wenige Stunden später hob die Maschine dann mit 22 Fluggästen an Bord Richtung Wien ab. Das Sicherheitskonzept in Tegel geriet jedoch in die Kritik, da es dem Bosnier gelungen war, ein Messer an Bord zu schmuggeln. Von diesem dramatischen Vorfall abgesehen, gab es in den vergangenen Jahrzehnten in Tegel keine größeren Zwischenfälle.

Nicht angebunden an das Bahnnetz und nur bedingt ausbaufähig, hätte Tegel bereits 2011 durch den mit neunjähriger Verspätung erst heuer eröffneten BER abgelöst werden sollen.

Im September 2017 stimmen 56 Prozent der Berliner für den Weiterbetrieb von Tegel, doch der Volksentscheid war nicht verbindend und so konnte die Politik über den Willen des Volkes - einmal mehr - einfach "drüber fahren".

Insgesamt fanden zwischen 1948 und 2020 ungefähr 6,5 Millionen Starts und Landungen statt.

Das sechseckige Flughafengebäude (ursprünglich waren sogar zwei derartige Terminals vorgesehen), zuletzt als Terminal A in Betrieb und eines der Wahrzeichen Berlins, wurde 1974 eröffnet und war für rund 6 Millionen Fluggäste ausgelegt. 2007 kam das Terminal C hinzu. Vor allem ab den 2000er Jahren verzeichnete der Flughafen Tegel stetig wachsende Passagierzahlen, zuletzt wurden 2019 etwa 24,24 Millionen Fluggäste abgefertigt. Im Juni 2019 lagen die Spitzenwerte der Fluggäste bei über 90.000 Personen an einem Tag. Wenige Monate später, im April des Krisenjahrs 2020, sank dieser Wert zeitweise auf 250 Personen.

In Zukunft sollen auf dem Areal Wohnungen und ein Wirtschaftspark entstehen. Wann es soweit ist, ist allerdings angesichts der weltweiten Corona-Pandemie noch völlig unklar.

Fotoimpressionen aus den vergangenen Jahrzehnten

Dank Pan Am war West-Berlin mit der freien Welt auf dem Luftweg verbunden - Foto: Berliner Flughäfen
Boeing 707 von Pan Am in den 1960er Jahren in Tegel - Pan Am war ebenso wie der Flughafen Tegel eine Legende - Foto: Berliner Flughäfen
Tegel war auch eng mit mehreren österreichischen Städten verbunden
Enge Gänge vermitteln zwar ein heimeliges Gefühl, allerdings gab es mitunter dichtes Gedränge, das vor Corona unangenehm, derzeit aber lebensbedrohlich wäre
Würdigung von Luftfahrtpionieren im Terminal
Etliche der Flugzeugmuster auf den Bodenmarkierungen flogen schon viele Jahre vor der Schließung von Tegel nicht mehr
Auch die Boeing 767-200ER ist mittlerweile Geschichte
Ebenso Malev
JAT heißt heute Air Serbia und betreibt längst keine 737-400 mehr; diese Aufnahme entstand 2008
TUIfly 2009 auf dem Flughafen Tegel
Vom Besucherdeck aus hatte man einen hervorragenden Rundumblick und war "mitten im Geschehen"
Air Berlin und Tegel waren untrennbar miteinander verbunden; nun sind beide nur noch ein Stück Luftfahrtgeschichte
Die Stadt Berlin würdigte die Verdienste von Pan Am mit einer Plakette auf dem Flughafen Tegel
Die Architektur von Tegel war markant und wohl weltweit einzigartig
Anfang der 1990er Jahre bot Lufthansa das Produkt "Lufthansa Express" an, mit dem Fliegen ähnlich unkompliziert wie eine Busfahrt werden sollte - Foto: Ralf Winter
Das Besucherdeck auf dem Dach des Terminals war bei Reisenden und Planespottern ausgesprochen beliebt - am letzten Tag blieb es wegen der Corona-Pandemie geschlossen
Auch die Boeing 737-200 ist mittlerweile vom europäischen Himmel so gut wie vollständig verschwunden, hier eine Maschine der Lithuanian Airlines, aufgenommen 1993 - Foto: Ralf Winter
Aufnahme von der Baustelle, 1971 - Foto: Berliner Flughäfen
Das markante Terminalgebäude während der Bauzeit 1972, 1974 wurde es dann eröffnet - Foto: Berliner Flughäfen
Luftaufnahme von Berlin Tegel - Foto: Ralf Roletschek / GFDL 1.2 via Wikipedia
Airbus A310 von Pan Am in Berlin Tegel; bei der hier abgebildeten N803PA handelt es sich um ein frühes Modell, einen A310-200, erkennbar am Fehlen der Wingtip Fences an den Tragflächenenden; die Aufnahme entstand zwischen 1985 und 1988, denn noch fehlt der Schriftzug "Otto Lilienthal" am Terminal; Pan Am hob am 2. 11. 1991 das letzte Mal von Berlin Tegel aus mit Ziel New York ab - Foto: Archiv Berliner Flughäfen via Twitter
Boeing 737-300 der 1988 gegründeten EuroBerlin: Lufthansa hielt 49 Prozent an der Airline, Air France 51 Prozent; dieses Konstrukt war dem Umstand geschuldet, dass West-Berlin bis zur deutschen Wiedervereinigung nicht von deutschen Fluggesellschaften angeflogen werden durfte; diese Aufnahme entstand 1993 - Foto: Ralf Winter
Boeing 727-31 der TWA, aufgenommen 1989 - Foto: Ralf Winter
Concorde der Air France in TXL, auch die Überschallflugzeuge der British Airways besuchten den Flughafen - Foto: Berliner Flughäfen
Boeing 737-300 der Deutschen BA, aufgenommen 1993 - Foto: Ralf Winter
Die OE-LGC in Berlin Tegel, aufgenommen 2005 - Foto: Marcel Schmidt (vielen Dank!)
Boeing 767-300ER von Delta in Tegel - Foto: Ralf Winter
Boeing 727-235 von Pan Am, 1989 - Foto: Ralf Winter
Stampe auf dem Besucherdeck - Foto: Ralf Winter
1974 ging das neue Terminal in Betrieb. DC-9, Boeing 727, Boeing 737-200, DC-10, Boeing 747, Boeing 707 und DC-8 dominierten damals den weltweiten Flugverkehr - Foto: Berliner Flughäfen
Die OE-LNJ, eine Boeing 737-800 der AUA 2012 in Berlin Tegel; die AUA hatte diese Maschine von der Lauda Air übernommen, wo sie auf den Namen "Falco" getauft worden war; diese Maschine war die erste von Austrian Airlines ausgemusterte 737 und fliegt heute als G-GDFP bei Jet2 - Foto: Tomas Milosch (vielen Dank!)
Air Berlin, "Homecarrier" von Tegel, Boeing 737-400, 1992 - Foto: Ralf Winter
Berlin und Currywurst sind untrennbar miteinander verbunden - die "Essbahn - Berlins abgefahrenste Currywurst" hatte ihren Standort unmittelbar vor dem Terminal; laut Angaben der Betreiber konnte der alte S-Bahn-Waggon nicht auf den neuen Flughafen übersiedeln; man suche jedoch einen neuen Standort in Berlin
Bye, bye, Tegel!
"Mach et jut, Tegel!" - Foto: Berliner Flughäfen
Spezielle Bodenmarkierung für den letzten Linienflug am 8. November 2020 - Foto: Berliner Flughäfen
Berlin verabschiedete sich mit einem A350-Sonderflug von TXL - Foto: Berliner Flughäfen
Abendliche Ruhe am Tag der Schließung, 8. November 2020 - Foto: Berliner Flughäfen

In diesem Forum (externer Link) finden Sie eine Fotostrecke mit Aufnahmen von Berlin Tegel aus dem Jahr 1990. Besonderer Dank geht auch an Herrn Ralf Winter, der von seiner Homepage ebenfalls Foto-Schätze zu diesem Bericht beisteuerte.

Auf Facebook findet man unter dem Hashtag "#DankeTXL" ebenfalls jede Menge Beiträge und Fotos zu den letzten Tagen des Flughafens.

(red)