Die pandemiebedingte Krise im weltweiten Luftverkehr hat weiterhin gravierende Folgen für alle Beschäftigtengruppen der Airline-Branche. Auch die Ausbildung von künftigen Pilotinnen und Piloten ist von den Auswirkungen stark betroffen, weil der Einstellungsbedarf weggebrochen ist.
Lufthansa wird die krisenbedingte Unterbrechung nutzen, um das bisherige Ausbildungskonzept an den eigenen Flugschulen grundlegend zu modernisieren. An dem seit Jahrzehnten bewährten Prinzip einer ab-initio Ausbildung wird dabei bewusst festgehalten. Den Rahmen eines sogenannten Campus-Modells bilden künftig zeitgemäße, digitale Ausbildungsformen sowie neue Auswahlverfahren. Diese ermöglichen eine bedarfsgerechtere Ausbildung für die verschiedenen Airlines der Lufthansa Group und tragen den Nachfrageschwankungen im Luftverkehr Rechnung.
Die Campus-Ausbildung soll vergleichbar mit einem Studium nach einheitlichen Qualifizierungs- und Ausbildungsstandards und mit einem einheitlichen, international anerkannten Abschluss erfolgen. Die Rekrutierung der ausgebildeten Flugschülerinnen und Flugschüler wird dann - je nach Nachfragesituation der jeweiligen Flugbetriebe - im Anschluss an die Ausbildung durch die verschiedenen Airlines der Lufthansa Group erfolgen.
Damit erhält die aktuelle Generation von Flugschülerinnen und Flugschülern zugleich wieder eine Perspektive auf einen möglichen späteren Einstieg in Cockpits der Lufthansa Group Airlines. Angesichts der zur Zeit nicht vorhandenen Perspektive auf einen Cockpitarbeitsplatz innerhalb der Lufthansa Gruppe hatte die Ausbildungssparte des Konzerns, Lufthansa Aviation Training (LAT), allen Flugschülerinnen und Flugschülern im vergangenen Jahr angeboten, ihre Ausbildung kostenneutral zu beenden oder alternativ bei einer anderen Flugschule fortzuführen.
Teil des neuen Ausbildungskonzeptes ist eine kundennähere Standortstruktur für die theoretische und praktische Ausbildung. Der theoretische Teil wird künftig am traditionsreichen Standort Bremen konzentriert. Hier sollen auch die zukunfts-gerichteten, digitalen Module für die theoretische Pilotenausbildung entwickelt werden. Der in Deutschland vorgesehene praktische Ausbildungsteil wird künftig in Rostock-Laage zusammengeführt. Am Flughafen „RLG“ betreibt die LAT bereits heute einen modernen und anerkannten Ausbildungsbetrieb am Standort ihres größten externen Kunden.
Detlef Kayser, COO Lufthansa Group, sagt: „In der größten Krise der weltweiten Luftfahrt müssen wir im Lufthansa Konzern alles auf den Prüfstand stellen – so auch unser Jahrzehnte altes Ausbildungskonzept für unsere Pilotinnen und Piloten. Damit konnten wir in den vergangenen Jahrzehnten höchste und weltweit anerkannte Qualitätsstandards bei Auswahl und Ausbildung für unsere Cockpits setzen. Unter Beibehaltung dieser Qualitätsstandards wollen wir das bewährte Konzept nun modernisieren, effizienter und verlässlicher gestalten und mit digitalen Modulen in ein neues Zeitalter führen. Wir reichen damit zugleich unseren aktuellen Flugschülerinnen und Flugschülern die Hand, weil sie unter den neuen Kriterien zu einem späteren Zeitpunkt wieder Chancen auf einen Arbeitsplatz im Cockpit unserer Airlines haben. Die Entwicklung des neuen Campus-Modells ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir mit unserem Konzernprogramm ReNew Lufthansa modernisieren, indem wir Strukturen zeitgemäß, besser und zugleich effizienter gestalten“, so Kayser.
Scharfe Kritik der Vereinigung Cockpit
Zur Ankündigung der Lufthansa, ihre Verkehrsfliegerschule in Bremen auf einen Standort für die reine Theorieausbildung zu reduzieren, sagt Markus Wahl, Präsident der Vereinigung Cockpit:
"Die Entscheidung der Lufthansa ist ein Schlag ins Gesicht für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bremen. Wir halten sie für einen schweren Fehler, da der Konzern damit einen ungeheuren Qualitäts- und Kompetenzverlust erleidet, den man nicht mehr einfach wett machen kann. Es ist uns völlig unverständlich, warum man diese - im besten Sinne des Wortes - Kaderschmiede nun so ausbluten lässt.
Die aktuelle Krise ist aber nicht der eigentliche Beweggrund, sondern nur ein Vorwand für das Vorgehen der Lufthansa. Hier wird gerade alles für eine Tarifflucht getan, die unabhängig von der Corona-Krise gegen die Beschäftigten durchgedrückt werden soll. Wir sehen die vom Unternehmen so gern und oft beschworene Tarifpartnerschaft mit Füßen getreten und verurteilen dieses Vorgehen aufs Schärfste.
Es ist eine Konzernstrategie, dass zu jedem Tarifbetrieb eine nicht-tarifierte Plattform in Konkurrenz aufgebaut wird. Das sehen wir nicht nur in der Pilotenausbildung, sondern auch im Projekt Ocean für Passagierflüge und im Frachtbereich, in dem Aerologic neben Lufthansa Cargo operiert."
Lufthansa hatte zuvor angekündigt, ihre Verkehrsfliegerschule in Bremen auf einen Standort für die reine Theorieausbildung zu reduzieren. Die MPL-Ausbildung (Multi-Crew Pilot Licence), die speziell auf die Bedürfnisse der Lufthansa zugeschnitten war, wird beendet. Die Leitung der Flugschule erteilte eine klare Absage an neue Konzepte, die möglich gewesen wären. So hätten beispielsweise Flugzeuge und Simulatoren von Rostock nach Bremen geholt werden können. Diese Entscheidung stellt einen Frontalangriff auf Tarifarbeitsplätze bei der Lufthansa dar.
Die praktische Ausbildung soll künftig ausschließlich mit der Lizenz ATPL abschließen (Airline Transport Pilot Licence) und am bislang untarifierten Standort Rostock erfolgen. Den aktuellen Flugschülern bringt diese Neuausrichtung nichts. Das neue Konzept ist nur auf künftige Schüler nach 2022 ausgerichtet. Die eingereichten Klagen, mit denen über 100 Flugschüler die Erfüllung ihrer bestehenden Ausbildungsverträge erreichen wollen, bleiben bestehen.
(red / VC)