Punktlandung

Schauermärchen über Flugpolizei-Absturz in Deutschlandsberg

Eine Ecureuil (H125) der Flugpolizei im Flug, Symbolbild - Fotos: Austrian Wings Media Crew

Seit Jahren scheinen einige journalistisch tätige Personen in diesem Land nach Meinung mancher Beobachter damit beschäftigt zu sein, ihre, etwas überspitzt formuliert, "persönliche Vendetta" gegen die Flugpolizei zu führen. Dabei offenbaren die Akteure nicht selten auch Defizite in aviatischer (nicht avionischer) Fachkenntnis. Wie der bekannte Buchautor Wolf Haas in seinen Krimis einleitend zu schreiben pflegt: "Jetzt ist schon wieder etwas passiert." Dieses Mal ging es um den tragischen Absturz eines Polizeihelikopters im steirischen Deutschlandsberg 2009. Eine Punktlandung aus gegebenem Anlass.

Wenn eine Person, die offenkundig die Begriffe Aviatik und Avionik nicht zu unterscheiden vermag (und dies auch noch öffentlich in einer Facebook-Diskussion zur Schau gestellt hat), die Abstürze, die es nicht gegeben hat, ebenso erfindet, wie ein nicht existierendes Flugverbot, sich anmaßt, eine vermeintliche "Skandalgeschichte" über eine angeblich "vertuschte Unfallursache" beim Absturz eines Polizeihubschraubers zu verfassen, dann schrillen bei mir alle Alarmglocken. Denn warum sollte gerade diese "Story" mehr Substanz haben, als beispielsweise jene des erfundenen Absturzes während des gar nicht existenten Flugverbotes, frage ich mich?

Im konkreten Fall geht es um den tragischen Absturz eines Helikopters der Flugpolizei im Jahr 2009. Die Eckdaten in aller Kürze: Die einmotorige Ecurueil befand sich damals auf einem Suchflug nach einer vermissten Person. An Bord waren der Pilot sowie zwei weitere Polizeibeamte. Im Rahmen der Mission wurde eine Zwischenlandung durchgeführt. Kurz nach dem erneuten Start kam es über verbautem Gebiet in niedriger Höhe zu einem Triebwerksversagen - die denkbar ungünstigste Kombination, die man sich vorstellen kann.

Pilot der Flugpolizei im Cockpit einer Ecureuil

Im Autorotationsverfahren versuchte der erfahrene Luftfahrzeugführer eine unbebaute Wiese zu erreichen. Vergeblich, der Helikopter stürzte ab, Pilot und ein Polizist kamen ums Leben. Der einzige Überlebende des Absturzes sagte später aus, dass das Triebwerk nach dem Auftreten abnormaler "metallischer" Geräusches plötzlich seinen Dienst quittiert habe. Trotz umfangreicher Untersuchungen konnte die Absturzursache nicht mit der, wie die Juristen zu sagen pflegen, für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit geklärt werden. An einem Teil des Kraftstoffsystems wurden jedoch Schäden gefunden, weshalb die Techniker des Innenministeriums (dem die Flugpolizei untersteht) der Ansicht sind, dass ein technisches Problem zum Triebwerksausfall geführt habe. Die niedrige Flughöhe während des Suchfluges in Verbindung mit dem Umstand, dass sich der Helikopter zu diesem Zeitpunkt über verbauten Gebiet befand, ließen eine erfolgreiche Autorotation einfach nicht mehr zu. So einfach, so tragisch. Aber nicht für manche selbsternannte "Aufdecker".

Die Skandalgeschichte
Denn eben jener Autor, der, wie eingangs erwähnt, in Pilotenkreisen nicht zum ersten Mal durch Schauergeschichten, deren Wahrheitsgehalt, höflich formuliert, überschaubar zu sein scheint, (negativ) aufgefallen ist, fühlte sich berufen, aus diesem tragischen Absturz die nächste Skandalgeschichte zu fabrizieren, die vor nicht allzu langer Zeit erschienen ist. Nach eigenen Angaben habe er "Unterlagen gesichtet", die darauf "hindeuten", dass die "wahre Absturzursache vertuscht werden soll".

Padauz, das klingt doch schön reißerisch für den sensationsgeilen Durchschnittsleser, der luftfahrttechnisch im Regelfall nicht vorgebildet sein wird. Der Absturz sei "offenbar wegen eines Pilotenfehlers" geschehen und der Herr "Enthüllungsjournalist" liefert die Erklärung dazu auch gleich mit: An der Absturzstelle wurden die beiden Kraftstoffpumpen des Helikopters nämlich ausgeschaltet gefunden. Für die zivilen Ermittler des Verkehrsministeriums, deren Abteilung wegen tatsächlicher Skandale übrigens aufgelöst werden musste, und den Herrn "Aufdecker" scheint die Sache damit klar zu sein: Der Pilot habe vergessen, beim Start die Kraftstoffpumpen (wieder) einzuschalten, deshalb sei der Helikopter abgestürzt, wird nach Ansicht von so manchem Leser und auch nach meiner eigenen Interpretation suggeriert. Konkret liest sich das dann so: Dafür, dass die Treibstoffpumpen abgeschaltet an der Unfallstelle gefunden wurden "gibt es de facto" nur "eine Erklärung". Und die lautet, dass der Pilot sie "absichtlich ausgeschaltet und nicht mehr eingeschaltet" habe. Das wiederum aber wolle das Innenministerium vertuschen und schiebe deshalb den Absturz sinngemäß auf einen "technischen Defekt" Ein wahrer Skandal ... Erinnerungen an die Pipi Langstrumpfs Motto "Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt", werden bei mir angesichts dieses Machwerks wach.

Denn die Theorie, dass der Helikopter wegen der vor dem erneuten Start nach der Zwischenlandung angeblich nicht wieder eingeschalteten Kraftstoffpumpen abgestürzt sei, hat gleich mehrere Schönheitsfehler, auf die jeder Autor mit ein wenig Recherche in fachkundigen Pilotenkreisen ganz einfach kommen hätte können, wenn er denn gewollt hätte.

Treibstoffpumpen mussten ausgeschaltet werden
Laut Aussagen des einzigen Überlebenden gab es während des Fluges in niedriger Höhe einen Triebwerksausfall. Weil in niedriger Flughöhe das Wiederanlassen (Re-Light) des Triebwerks keine Option war, blieb dem erfahrenen Piloten nur noch die Autorotation. Die dafür erforderlichen Handgriffe kann jeder professionelle Luftfahrzeugführer sprichwörtlich "im Schlaf" ausführen. Zusätzlich sind sie natürlich auch in der entsprechenden Checkliste im Kapitel "Emergency Procedures" angeführt.

Für die verunglückte Ecureuil lauteten diese Maßnahmen im Wesentlichen (siehe auch Foto der Checkliste unterhalb) wie folgt

  • Whenever during any emergency situations entering "Autorotation" (...) is required, below mentioned values/limits aplly: Airspeed: 65 KIAS, RPM (NR), 320-430
  • Fuel Flow Control: shutdown
  • Fuel shut-off cock: closed
  • Generator: OFF
  • Booster Pumps: OFF
Die Notfallcheckliste der verunglückten Ecureuil besagt ganz klar: Bei einer Autorotation nach Triebwerksausfall (Engine Failure) müssen die Treibstoffpumpen ausgeschaltet werden - logischerweise sind sie nach dem Bodenkontakt dann auch nicht eingeschaltet

Mit anderen Worten: Der Umstand, dass die Kraftstoffpumpen des verunfallten Helikopters am Unglücksort in ausgeschaltetem Zustand vorgefunden worden, lässt - jedenfalls bei mir bekannten fliegerisch qualifizierten Personen - keinesfalls den Schluss zu, dass der Pilot einen Fehler gemacht hat. Vielmehr ist es naheliegend und sehr wahrscheinlich, dass der Pilot trotz der geringen Flughöhe noch diesen wichtigen Punkt der Notfallcheckliste korrekt abgearbeitet und die Pumpen vorschriftsgemäß ausgeschaltet hat.

Ecureuil fliegt auch mit ausgeschalteter Treibstoffpumpe
Doch selbst wenn der Pilot tatsächlich (wofür es augenscheinlich nicht einmal den Hauch eines Beweises gibt) vergessen hätte, die Treibstoffpumpen vor dem Start wieder einzuschalten, so hätte das nicht automatisch zum Ausfall des Triebwerks geführt, wie mehrere Piloten gegenüber Austrian Wings bestätigten.

So wurden unter anderem von der Flugpolizei selbst im Rahmen der Untersuchung des Unfalls Flüge mit absichtlich ausgeschalteten Kraftstoffpumpen durchgeführt. Das Ergebnis: Obwohl vom Hersteller ein Flug mit deaktivierten Treibstoffpumpen zwar nicht vorgesehen ist, gab es es keinerlei Probleme mit dem Triebwerk.

Insofern ist das Zurückweisen eines von einer "Skandalbehörde" behaupteten oder als Mutmaßung in de Raum gestellten Pilotenfehlers durch das BMI bei genauer Betrachtung mitnichten eine "Vertuschung", sondern sondern vielmehr verantwortungsbewusstes und evidenzbasiertes Handeln von Personen mit entsprechender flugbetrieblicher Qualifikation.

Übrigens, der Autor dieser jüngsten "Skandalgeschichte" entblödete sich nicht, noch vor vier Jahren zu behaupten, die Maschine in Deutschlandsberg sei "nach einem Lokalbesuch" (der Besatzung) abgestürzt. Ein hanebüchener Unsinn, der keines weiteren Kommentars bedarf. Immerhin ist er aber mittlerweile ganz offensichtlich zur Erkenntnis gelangt, dass es doch ein "Suchflug" war. Der Hauptverantwortliche scheint also durchaus lernfähig zu sein, was Anlass zur Hoffnung gibt, dass in (seinen) künftigen Berichten dann hoffentlich etwas mehr objektive Fakten stecken als augenscheinlich nach meinem Empfinden in diesem Machwerk ...

Text: N. Grund

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.