Austrian Wings Leser kennen die Vorgeschichte. Am 10. September lautete unsere Meldung, basierend auf Angaben des Verteidigungsministeriums, zunächst: "Eine ungarische C-17 der NATO mit einer gültigen Überfluggenehmigung hat laut Angaben des Bundesheeres heute den österreichischen Luftraum "massiv" verletzt. Laut Michael Bauer, Sprecher des Verteidigungsministeriums, sei die Maschine über dem Attersee ohne Genehmigung auf eine Höhe von 1.000 Metern abgesunken und dabei den übrigen Luftverkehr gefährdet." Laut Verteidigungsministerium habe sich das Flugzeug benommen "wie ein Geisterfahrer auf der Autobahn", eine derart "schwerwiegende Luftraumverletzung" habe es "in den vergangenen 20 Jahren" nicht gegeben.
Doch diese Behauptungen halten einer objektiven Überprüfung augenscheinlich immer weniger stand. Während das Bundesheer davon spricht, dass die C-17 die vorgeschriebene Flughöhe ohne Genehmigung unterschritten" habe, trudelten (und trudeln) seit einer Woche in der Austrian Wings Redaktion Berichte samt Foto- und Filmaufnahmen ein, die belegen, dass die C-17 über einen sehr langen Zeitraum und bereits über Niederösterreich im Tiefflug unterwegs war. Auch in sozialen Medien sowie in diversen WhatsApp-Gruppen laufen intensive Diskussionen zum Thema. Diese Aussagen und Aufnahmen, die den Tiefflug der Maschine schon über Niederösterreich belegen, werden auch durch das Portal Flightradar24 gestützt. Demnach war die C-17 wohl mindestens 30, möglicherweise aber bis zu 60 Minuten im Tiefflug über Österreich unterwegs - und zwar ohne, dass das Bundesheer in irgendeiner Art und Weise in Form eines Abfangeinsatzes eingeschritten wäre. Viele Leser, und auch die Austrian Wings Redaktion, stellten sich daher zu Recht die Frage, wie das sein kann. Hat die Luftraumüberwachung versagt? Oder gab es am Ende gar keine Luftraumraumverletzung, obwohl das vom Bundesheer medial behauptet wurde? Dann wäre die große Frage allerdings, warum eine Luftraumverletzung behauptet wurde, wenn es gar keine gab.
Anfragen an das Bundesheer
Über mehrere Tage lang bat Austrian Wings in mehreren E-Mails sowie Anfragen über das Kontaktformular der Bundesheer-Homepage, das Heer um ein Statement und lieferte (deshalb die E-Mail-Anfrage) Download-Links zu Fotomaterial sowie FR24-Screenshots mit. Eine Antwort erhielten wir nicht. In einem Telefonat am Freitagnachmittag erklärte Bundesheer-'Sprecher Oberst Michael Bauer, dass die E-Mail-Antworten an unsere Redaktion "mehrfach nicht zustellbar" gewesen seien. Da in der gesamten Zeit reger Mailverkehr mit anderen Stellen stattfand und die Mailserver somit augenscheinlich fehlerfrei funktionieren, wird diese Behauptung derzeit von unserer IT überprüft. Dazu bat Austrian Wings das Verteidigungsministerium um Übermittlung der Fehlermeldungen an eine E-Mailadresse außerhalb des Austrian Wings Servers.
Statement der Austro Control
Austrian Wings übermittelte der Austro Control parallel einen umfangreichen Fragenkatalog, der folgende Punkte umfasste:
- welchen regulären Flugplan hatte die ungarische NATO C-17, konkret in welcher Flughöhe war sie für den Überflug über Österreich freigegeben?
- welche Höhe hatte sie laut Aufzeichnungen der Austro Control beim Einflug in den österreichischen Luftraum und um wie viel Uhr UTC erfolgte dieser?
- um wie viel Uhr UTC (also wie lange nach dem Einflug in den österreichischen Luftraum) bemerkte die Austro Control, dass die Maschine ihre zugewiesene Flughöhe verlassen hatte?
- welche Maßnahmen wurden daraufhin von der Austro Control gesetzt?
- um wie viel Uhr UTC (oder wie viele Minuten nach dem Verlassen der zugewiesenen Flughöhe durch die C-17) wurde von der Austro Control das Militär in Kenntnis gesetzt?
Zwar konnte oder wollte man derart konkrete Angaben bei der Austro Control ebenfalls nicht machen, doch gab die Austro Control folgendes Statement ab:
"Nach den Austro Control vorliegenden Informationen ist dieses Luftfahrzeug im Sichtflug im nicht-freigabepflichtigen Luftraum in ca. 3.000 ft mit Flugplan nach Österreich eingeflogen und war in dieser Flughöhe in Österreich unterwegs."
Mit anderen Worten: Anders als vom Bundesheer zunächst öffentlich kolportiert ist der Austro Control nichts von einem Sinkflug der C-17 ohne Genehmigung bekannt. Vielmehr habe die Maschine gemäß Flugplan die österreichische Grenze bereits in etwa 1.000 Metern Höhe (3.000 Fuß) überquert und sei danach auf dieser Höhe verblieben.
Bundesheer revidiert ursprüngliche Aussagen
In der bereits erwähnten telefonischen Stellungnahme korrigierte das Bundesheer seine ursprünglich zu dem Vorfall gemachten Angaben grundlegend. Demnach war nun nicht mehr von einem ungenehmigten Sinkflug die Rede. Vielmehr seien der Flug genehmigt und ein Flugplan für einen Flug nach Sichtflugregeln (VFR) eingereicht gewesen. Laut Bauer sei das bei so einem großen Flugzeug allerdings unüblich. In weiterer Folge habe der Pilot jedoch die zulässige Höchstgeschwindigkeit für einen Sichtflug in dieser Höhe (250 Knoten, Anmerkung der Redaktion) deutlich überschritten. Dem Bundesheer sei es zunächst nicht gelungen, per Funk Kontakt mit dem Crew der C-17 aufzunehmen. Man habe deshalb die Homebase der Maschine in Ungarn kontaktieren müssen. Als man die Maschine über Funk schließlich erreicht habe, seien die Piloten angewiesen worden, auf eine Höhe von 5.000 Fuß zu steigen. "Das hat die Crew am Funk abgelehnt", so Heeressprecher Bauer gegenüber Austrian Wings. Zudem habe die Maschine ein "verbotenes Flugmanöver" durchgeführt, in dem es während des Fluges die Heckklappe geöffnet habe. Laut Bauer sei dieses Manöver in Österreich Bundesheer-Maschinen vorbehalten. Schließlich seien deshalb zwei Eurofighter alarmiert worden, um die C-17 abzufgangen und aus dem österreichischen Luftraum zu geleiten.
(red)