Am gestrigen Dienstag erreichte ein Sonderzug vom Hauptbahnhof Brünn (Brno hlavní nádraží) mit einer tschechischen Delegation den Flughafen Wien-Schwechat. Landesrat Martin Eichtinger (in Vertretung der an Corona erkrankten niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner) nahm gemeinsam mit Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, sowie den Flughafen-Vorständen Julian Jäger und Günther Ofner die Delegation aus dem Kreis Südmähren in Empfang.
Gemeinsames Ziel ist es, die Region mit regelmäßigen, direkten Zugsverbindungen an den Flughafen anzubinden - Austrian Wings berichtete Anfang Jänner über die diesbezüglichen Pläne von tschechischer Seite.
Landesrat Martin Eichtinger begrüßte die südmährische Delegation zur Überraschung und Freude der Gäste auf Tschechisch und fuhr anschließend auf Deutsch (das von einem Dolmetscher auf Tschechisch übersetzt wurde)fort: „Heute ist ein Tag, an dem die Regionen Südmähren und Niederösterreich näher zusammenrücken. Ich freue mich, dass unsere Freunde aus Südmähren noch rascher und komfortabler zu unserem Flughafen kommen können.“ Seine Hoffnung sei es, dass diese Verbindung zustande komme und damit „viele Menschen aus Südmähren in die große, weite Welt bringen wird.“ Der Landesrat wies auf bereits bestehende Kooperationen hin: Man habe beispielsweise vor wenigen Monaten das gemeinsame Gesundheitszentrum in Gmünd eröffnet. Darüber hinaus haben niederösterreichische Einsatzkräfte im Vorjahr bei den Unwettern in Tschechien geholfen. Zudem sei der gemeinsame „Iron Curtain Trail“ im letzten Jahr zum besten Radweg Europas gekürt worden.
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig freute sich ebenso über das „Zusammenkommen in dieser Runde, weil es ein Zeichen der Verbundenheit in der Ostregion, aber auch mit Südmähren und Brünn ist.“ Die Zusammenarbeit zwischen Wien und Niederösterreich sei ein Erfolgsbeispiel. Ludwig: „Unser Ziel ist es, alle Möglichkeiten der Mobilität auszunutzen. Diese Mischung von Flug- und Zugverkehr wird in Zukunft ein Erfolgsmodell sein. Ich sehe den heutigen Sonderzug als wunderbares Beispiel der Kooperation zwischen Wien und Brünn, aber auch der Kreise und Bundesländer.“
„Unser Ziel ist es, nicht nur für die Brünner, sondern auch für alle südmährischen Bürger die Fahrt zum Flughafen, woher man in die ganze Welt fliegen kann, einfacher zu machen. Diese Probefahrt sehen wir als Gelegenheit, mit den Vertretern des Flughafens Wien, der Stadt Wien, dem Bundesland Niederösterreich und anderen österreichischen Institutionen während unseren gemeinsamen Gesprächen über die weiteren notwendigen Schritte zu diskutieren,“ führte die Brünner Bürgermeisterin Markéta Vaňková an. Der stellvertretende Kreishauptmann Südmährens Lukáš Dubec merkte die geografische Nähe Brünns zu Niederösterreich und Wien an: „Niederösterreich ist unser nächster Nachbar. Wien und Brünn sind sich sehr nahe und damit näher als Brünn und Prag. Heute haben wir ein gemeinsames Abkommen zwischen Brünn und Südmähren unterzeichnet, um eine schnelle Verbindung zum Flughafen zu etablieren.“ Dubec unterstrich in seiner Rede auch die jahrhundertealte gemeinsame Geschichte der beiden Städte: "Wenn Sie von Brünn mit dem Auto Richtung Wien fahren, fahren Sie auf der Wiener Straße. Wenn Sie von Wien nach Brünn fahren, nutzen Sie die Brünner Straße."
Flughafen-Vorstand Günther Ofner unterstrich, dass „sich seit dem Fall des Eisernen Vorhangs die Zahl der Fluggäste um über 600 Prozent erhöht hat. Wien-Schwechat ist für viele Menschen außerhalb Österreichs als Tor zur Welt akzeptiert worden, deshalb darf ich allen Initiatoren dieser Verbindung danken. Sie ist ein Meilenstein. Denn es hilft nichts an die Menschen zu appellieren, auf den Öffentlichen Verkehr zu setzen, wenn es das Angebot nicht gibt.“ Auch sein Vorstandskollege Julian Jäger sagte, dass „Südmähren und Brünn ein wichtiges Einzugsgebiet für den Flughafen sind. Es wird die größtmögliche Unterstützung von österreichisches Seite geben, um das Projekt umsetzen zu können.“
Beim Flughafen Schwechat geht man davon aus, dass in der Region Brünn das Potential für eine halbe Million Flugreisen pro Jahr liegt. Den Großteil der Reisenden will man mit dem Zug zum Airport Schwechat holen.
Gemeinsame Geschichte
Österreich und Tschechien verbindet eine gemeinsame Geschichte. Mehr als 100 Jahre lang gehörten Mähren, Böhmen und Teile Schlesiens im Rahmen des Kaisertums Österreich zur österreichischen Monarchie. In den Randgebieten dieser historischen Länder, die heute den Kern der Tschechischen Republik bilden, lebten rund 1.000 Jahre lang deutsche Siedler, die so genannten Sudetendeutschen, auch deutschsprachige Altösterreicher genannt. Sowohl der Baumeister Anton Pilgram als auch der bekannte Forscher Gregor Mendel lebten und wirkten in der Stadt, die allein schon aufgrund ihrer atemberaubenden Architektur, ihrer guten Biere und der netten Menschen einen Besuch wert ist. Auch der Brünner Hauptbahnhof, von dem aus die Delegation am Dienstag nach Wien reiste, wurde von einem österreichischen Architekten, Johann Nebehosteny, errichtet.
Mit dem Ende der Monarchie 1918 fielen die deutsch besiedelten Gebiete Böhmens und Mährens gegen den Willen der dort lebenden deutschsprachigen Mehrheitsbevölkerung an die neugegründete Tschechoslowakei. Als die Menschen am 4. März 1919 für ihr Selbstbestimmungsrecht und einen Anschluss an Deutsch-Österreich demonstrierten, schoss das tschechoslowakische Militär mit scharfer Munition auf die friedlichen Demonstranten, tötete und verletzte etliche von ihnen.
Die sudetendeutschen Altösterreicher waren in den kommenden Jahrzehnten massiven Diskriminierungen durch die nationalistische Tschechische Regierung ausgesetzt, wie unter anderem in der Diplomarbeit von Mag. Cornelia Znoy aus dem Jahr 1995 nachgelesen werden kann. Viele von ihnen empfanden den Einmarsch deutscher Truppen nach 20 Jahren Ausgrenzung, Schikanen und Diskriminierungen im Jahr 1938 daher tatsächlich als Befreiung, was sich im Nachhinein natürlich als Trugschluss herausstellen sollte. Nach der Befreiung Europas von den Nazis 1945 wurden rund 3 Millionen sudetendeutsche Altösterreicher (ebenso wie die ungarische Minderheit in der Tschechoslowakei) auf Grundlage der Benes-Dekrete von der Tschechoslowakei enteignet und vertrieben, bis zu 300.000 kamen dabei ums Leben oder wurden ermordet, etwa beim "Massaker von Postelberg". Traurige Berühmtheit erlangte vor allem die Stadt Brünn durch den Todesmarsch von 1945, bei dem fast alle verbliebenen deutschsprachigen Bewohner Brünns über die Grenze nach Österreich getrieben wurde. Mehrere tausend Todesopfer, zumeist Frauen, Alte und Kinder, waren die Folge. Die Stadt Brünn entschuldigte sich 2015 offiziell für das Verbrechen der Vertreibung und hält regelmäßig offizielle Gedenkveranstaltungen ab, an denen Vertriebene und ihre Nachkommen sowie Tschechen gemeinsam der Opfer gedenken und sich für den Frieden in Europa einsetzen. Der österreichische Künstler Peter Alexander (seine Mutter stammte aus Pilsen/Plzeň), der einen Teil seiner Schulzeit im südmährischen Znaim (Tschechisch: Znojmo) verbrachte, machte Brünn und der Monarchie mit seinem Lied "Wie Böhmen noch bei Österreich" war, eine musikalische Liebeserklärung.
(red)