Österreich

Ex-Airchief Karl Gruber zu Missständen bei Luftstreitkräften: "Habe seit Jahren darauf hingewiesen"

Generalmajor a. D. Karl Gruber - Foto: Patricia Langreiter

Der Ukraine-Krieg hat zum bösen Erwachen von Politik und Bevölkerung geführt. Über Jahrzehnte haben verantwortungslose Politiker das Heer im Allgemeinen und die Luftstreitkräfte im Besonderen, regelrecht zu Tode gespart. Der traurige Höhepunkt: Der nun bekannt gewordene Beinahe-Absturz von zwei Eurofightern in Zeltweg, weil nicht genügend Geld für regelmäßiges Training zur Verfügung steht. Austrian Wings (AW) sprach mit dem früheren Airchief des Heeres, Generalmajor a. D. Karl Gruber (KG), über die Missstände.

AW: Herr Generalmajor a. D., was haben Sie gedacht, als Sie den Bericht über den letzten Endes durch jahrzehntelange politische Fehlentscheidungen verursachten Zwischenfall in Zeltweg, der beinahe zum Absturz von zwei Eurofightern geführt hätte, gelesen haben?

KG: Dass der breiten Masse in der Bevölkerung aber auch der Politik wohl langsam bewusst wird, worauf wir immer schon hingewiesen haben.

AW: Und das wäre?

KG: Ich habe in meiner Zeit als Airchief nicht nur hinter vorgehaltener Hand, sondern ganz offen, darüber geredet, dass es zu wenig Geld für Flugstunden gibt. Als Pilot weiß ich, dass regelmäßiges Training ein Garant für Flugsicherheit ist. Leider wurden die Warnungen aber von der Politik ignoriert.

Um das hochkomplexe System Eurofighter sicher bedienen zu können, ist neben einer fundierten Grundausbildung viel Training erforderlich - genau das wird von der Politik jedoch verhindert, weil dem Bundesheer die dafür erforderlichen finanziellen Mittel seit vielen Jahren vorenthalten werden - und das wiederum wirkt sich unmittelbar negativ auf die Flugsicherheit aus - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

AW: Konkret zum System Eurofighter. Gibt es außer dem von der Politik verschuldeten zu geringen Budget für das Heer noch weitere Gründe dafür, dass so wenig geflogen wird?

KG: In der Tat. Die fehlenden Flugstunden lagen nicht nur daran, dass die Flugstunden auf dem Eurofighter um ein Mehrfaches teurer sind als auf anderen Abfangjägern, sondern auch daran, dass es ständig Ersatzteilmangel gab. Darüber klagten alle Staaten die dieses System betreiben.

AW: Spät aber doch wacht die Politik nun scheinbar auf und will jetzt die vom früheren SPÖ-Verteidigungsminister Norbert Darabos begangenen Fehler, der die Eurofighter technisch abspecken ließ, korrigieren und die Maschinen aufrüsten. Was ist Ihre Meinung dazu?

KG: Grundsätzlich ist alles zu begrüßen, was die Verteidigungsfähigkeit erhöht. Aber: Es ist erstaunlich, dass nicht auch ein Umstieg auf ein anderes System geprüft wird, welches nicht nur kostengünstiger ist, sondern auch bereits jene Fähigkeiten hat, die man auf dem 15 Jahre alten Eurofighter erst nachrüsten muss.

AW: In einem Kommentar auf Austrian Wings schrieb der bekannte Luftfahrtjournalist und Militärexperte Martin Rosenkranz, dass Österreich jetzt dringend mindestens 24 leistungsstarke Jet-Trainer benötigt. Was ist Ihre Ansicht dazu?

KG: Trainer sind für die Ausbildung hilfreich. Im Bedrohungsfall sind sie als Jagdbomber nutzbar aber leider nicht als Abfangjäger. Es war vielleicht falsch, der Öffentlichkeit jahrelang vorzuspiegeln dass sie das könnten. Sie reichen nur zur Kontrolle unbewaffneter langsamer Transportflugzeuge.

AW: Scheitert die 24/7-Einsatzfähigkeit der Eurofighter wirklich nur an technischen Gründen oder liegt es nicht auch daran, dass wir zu wenig Piloten haben?

KG: Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. Es ist korrekt, dass die Einsatzfähigkeit bei Nacht weniger am fehlenden Aufklärungspot scheitert, sondern mehr am Fehlen von mindestens 20 weiteren Piloten. Diese können aber nur mit ausreichend Flugstunden trainiert werden. Und dafür braucht es Ersatzteile und Geld, beim Eurofighter sehr viel Geld.

AW: Wie sieht es mit der fehlenden Eigenschutzausrüstung der Maschinen aus?

KG: Die ist das größte Manko. Der Eurofighter ist eines der besten Flugzeuge die es gibt. Aber in der aktuellen Österreich-Version (für deren technisch abgespeckten Zustand maßgeblich der frühere SPÖ-Verteidigungsminister Norbert Darabos verantwortlich ist Anm. d. Red.) ist er, was den Selbstschutz betrifft, auf dem Stand der 1950er-Jahre.

Der frühere SPÖ-Verteidigungsminister Norbert Darabos schloss einen fragwürdigen Vergleich mit Eurofighter ab, wodurch weniger Maschinen in technisch schlechterer Qualität als ursprünglich vorgesehen geliefert wurden, was sich nun bitter rächt. Der Staat wird jetzt viele Millionen in die Hand nehmen müssen, um diesen Fehler zu korrigieren (wir berichteten) - Foto: Austrian Wings Media Crew

AW: Wie ist es eigentlich um den Schutz der Maschinen am Boden auf dem Fliegerhorst Zeltweg bestellt? Wir haben ja im Ukraine-Krieg gesehen, dass ein Teil der ukrainischen Luftwaffe auf dem Boden durch Zerstörung der Flugplätze durch russische Luftschläge ausgeschaltet wurde.

KG: Die Sicherung der Eurofighter am Boden in Zeltweg ist ein weiteres Problem. Auch hier müsste die Politik viel Geld in die Hand nehmen, um für einen höheren Standard zu sorgen. Es bräuchte einzelne gehärtete Shelter oder man sollte sich auch einmal über Flugzeugkavernen wie beispielsweise in der Schweiz Gedanken machen. Für den Fall, dass der Fliegerhorst im Ernstfall zerstört wird, beziehungsweise schon, sobald von so einem Fall ausgegangen werden muss, müsste man den Flugbetrieb auf Behelfsbasen verlegen können, etwa auf geeignete Straßenabschnitte, so wie in Schweden. Aber auch das gehört regelmäßig trainiert und damit man das kann, muss die Politik es finanzieren. Anmerkung der Redaktion: Entsprechende Trainings führte das Bundesheer vor vielen Jahren mit Saab 105 durch, mit Draken und Eurofighter jedoch nicht mehr.

AW: Zum Abschluss: Was wünschen Sie unserer Fliegertruppe?

KG: Ich wünsche meinen ehemaligen Kameradinnen und Kameraden bei den Luftstreitkräften sowie allen Soldatinnen und Soldaten des Österreichischen Bundesheeres, dass die Politik den Investitionsrückstau der vergangenen Jahrzehnte rasch abarbeitet und das Heer in jeder Hinsicht endlich auf den neuesten technischen Stand bringt. Das wäre auch ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber der Truppe. Sicherheit gibt es nun einmal nicht umsonst. Dazu muss sich die Politik endlich klar bekennen.

AW: Herr Generalmajor a. D., vielen Dank, dass Sie sich in Ihrem Ruhestand die Zeit für dieses Gespräch genommen haben.

KG: Sehr gerne.

Zur Person
Karl Gruber wurde 1955 in Wien geboren und leistete nach der Matura im Jahr 1974 seinen Grundwehrdienst als Einjährig-Freiwilliger ab. Danach besuchte er von 1975 bis 1978 die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt und absolvierte anschließend beim Hubschraubergeschwader 1 auf dem Fliegerhorst Brumowski in Tulln-Langenlebarn die Ausbildung zum Hubschrauberpiloten. Von 1979 bis 1981 diente Gruber als Einsatzpilot auf dem Muster OH-58 Kiowa und übernahm im Jahr 1982 die Führung der 3. Hubschrauberstaffel.

Als Hubschrauberpilot absolvierte der leidenschaftliche Flieger auch zahlreiche Display-Flüge bei Airshows und militärischen Flugvorführungen in Österreich. Bis 1985 absolvierte Gruber weiters an der Landesverteidigungsakademie den Generalstabslehrgang und wirkte danach am Aufbau des Luftraumüberwachungssystems Goldhaube aktiv mit. 1988 erfolgte die Bestellung zum Chef des Stabes "Kommando Luftraumüberwachung in Salzburg". Generalmajor Gruber war seit 2006 Leiter des Teilstabes "Luft" im ehemaligen Streitkräftekommando und seit 1. Jänner 2017 mit der Führung der Luftstreitkräfte betraut. Mit Wirkung vom 1. September 2017 wurde er vom damaligen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil offiziell zum Kommandanten der österreichischen Luftstreitkräfte bestellt. 2018 trat er seinen wohlverdienten Ruhestand an.

Generalmajor Gruber hat zahlreiche Ausbildungen im Ausland absolviert, darunter Lehrgänge bei der kanadischen, der deutschen und auch der spanischen Luftwaffe. Auf Basis seiner Erfahrungen unterrichtet er das Fach "Safety-Management" am FH Joanneum Graz

Neben der Luftfahrt befasst sich Gruber auch mit der Seefahrt. Der zweifache Familienvater ist leidenschaftlicher Segler und Autor des Buches „Seemacht unter rot weiß roter Flagge“, das sich mit der Geschichte der k. u. k. Kriegsmarine befasst.

(red)