Punktlandung

Gastbeitrag von Airchief a. D. Karl Gruber: Schutz von Einsatzflughäfen

Der Fliegerhorst Zeltweg aus der Luft - hier sind alle 15 Abfangjäger des Bundesheeres stationiert - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Der völkerrechtswidrige Überfall Russlands auf die Ukraine hat gezeigt, dass in Kriegen das erste Angriffsziel oft die Flugplätze der Verteidiger sind, um deren Lufthoheit zu brechen. Für Austrian Wings analysiert der ehemalige Oberbefehlshaber der österreichischen Luftstreitkräfte, Generalmajor a. D. Karl Gruber, was notwendig ist, um auf solche Szenarien vorbereitet zu sein.

Meistens beginnen militärische Konflikte mit dem Versuch, die gegnerischen Luftstreitkräfte auszuschalten. Es gibt viele historische Beispiele dafür, erfolgreiche und weniger erfolgreiche. Auch die russische Luftwaffe leitete im Februar 2022 ihre Operation gegen die Ukraine mit derartigen Aktionen ein. Im Gegensatz zu propagandistischen Meldungen ist es aber nicht gelungen, die ukrainische Luftwaffe völlig handlungsunfähig zu machen. Sie hatte ihre einsatzklaren Luftfahrzeuge offenbar auf viele dezentrale Basen verlegt und dort gut getarnt.

Angriffe gegen die feindliche Luftwaffe werden in der westlichen Terminologie als „Offensive Counter Air Operations“ bezeichnet. Diese Art von Luftkriegsaktionen richten sich in den ersten Angriffswellen gegen Führungseinrichtungen wie Radaranlagen oder Kontrollzentralen, gegen Fliegerabwehrraketenstellungen und gegen Einsatzflugplätze, auf denen wichtige Einsatzmittel des Gegners stationiert sind. In weiteren Angriffswellen werden dann auch Wartungseinrichtungen, Treibstofflager oder Flugzeugfabriken zum Angriffsziel. Angriffe gegen Militärflugplätze können dabei sowohl mit Marschflugkörpern und ballistischen Raketen als auch mit herkömmlichen Bomben oder Spezialbomben erfolgen. Aber mittlerweile wurden auch schon leichte Drohnen eingesetzt, um im Freien abgestellte Luftfahrzeuge oder betriebswichtige elektronische Flugplatzanlagen zu zerstören. Selbst Terroristen könnten damit großen Schaden anrichten.

In Erwartung dieser Bedrohungsformen versuchen Luftstreitkräfte auf verschiedene Art und Weise, ihre Einsatzmittel zu schützen. Ein herkömmlicher Flugplatz mit traditionellen großen Hangars oder den heute eher gebräuchlichen Einzelboxen für Kampfflugzeuge bietet im Grunde genommen nur Schutz gegen die Witterung oder gegen leichte Drohnen. Es bedarf daher anderer Konzepte, um das längere Überleben der wertvollen Einsatzmittel zu gewährleisten. Im Wesentlichen kann dabei zwischen drei Möglichkeiten unterschieden werden:

  1. Der Bau von Sheltern auf den bestehenden Flugplätzen.

  2. Die Errichtung unterirdischer Kavernen.

  3. Die rechtzeitige Verlegung von Flugzeugen auf „Straßenbasen“.

Ein österreichischer Eurofighter in einem Shelter der britischen Royal Air Force anlässlich der Teilnahme an einem Flugtag - Foto: Karl Gruber

Einzelshelter aus Beton oder Stahl mit schweren Schiebetoren sind die häufigste Methode zur geschützten Unterbringung von Luftfahrzeugen. In den Einzelbunkern wird sowohl das Flugzeug als auch das für seinen täglichen Betrieb erforderliche Gerät abgestellt. Auch kleine Wartungsereignisse können dort durchgeführt werden. In angrenzenden unterirdischen Bunkerräumen kann auch das erforderliche Personal untergebracht werden. Die gehärteten Flugzeugshelter stellen allerdings keinen absoluten Schutz dar, denn es gibt Spezialbomben, welche die Decke durchschlagen können.

Kleinere unterirdische Kavernen können die Funktion eines geschützten Hangars für eine ganze Staffel und deren Personal und Gerät haben. Große Kavernen nehmen einen gesamten Einsatzflugplatz auf, samt Wartungshalle und Treibstoff- und Munitionsvorrat. Außen liegen dann nur noch Rollwege und Startbahnen und vielleicht einige Verwaltungsgebäude für den Friedensbetrieb und die Flugbetriebsdienste. Die ehemalige jugoslawische Luftwaffe nutzte derartige Anlagen. Auch die neutrale Schweiz baute solche Einsatzflugplätze.

Straßenabschnitte als Startbahnen
Straßenbasen verfolgen ein ganz anderes Schutzkonzept. Die Flugzeuge nutzen ausreichend tragfähige Abschnitte von Autobahnen oder Straßen, die im Frieden dem normalen Verkehr dienen.

Saab JAS-39 Gripen der schwedischen Luftstreitkräfte beim Start von einer "normalen" Straße, die als Behelfsbasis genutzt wird - Foto: Saab

Die Maschinen rollen nach der Landung auf versteckte Abstellplätze in angrenzenden Wäldern, wo mobile Wartungstrupps und Flugbetriebsfahrzeuge warten. Dabei ist von Bedeutung, dass es mehrere derartige temporäre Einsatzflugplätze gibt und dort auch viele nutzbare Abstellflächen vorhanden sind. Diese Anlagen werden dann unter laufendem Ortswechsel benutzt, sodass der Gegner nur sehr schwer feststellen kann, wo sich seine Angriffsziele aktuell befinden. Schweden hat mit diesem Konzept langjährige Erfahrung. Auch die Schweiz hat derartige Verfahren geübt.

Auch die Wartung und Betankung der Flugzeuge erfolgt auf diesen Behelfsbasen - Fotos: Saab

Welches dieser drei Konzepte oder welche Kombination dieser drei Konzepte gewählt wird ist letztendlich vom verfügbaren Budget abhängig. Unterirdische Flugplätze stellen die teuerste Lösung dar, sowohl in Hinblick auf die Errichtung als auch in Hinblick auf den infrastrukturellen Betrieb. Sie bieten dafür den höchst möglichen Schutzgrad. Die Errichtung einzelner Flugzeugbunker ist kostengünstiger als die komplett unterirdische Lösung, der Schutzgrad ist allerdings geringer. Auch die Abstützung auf Straßenbasen erfordert Investitionen, wie zum Beispiel die Verbreiterung einer geeigneten Straße, eine Erhöhung der Tragkraft oder die Errichtung von Abstellplätzen. Dennoch stellt es insgesamt die kostengünstigste Lösung mit einem relativ hohen Schutzgrad dar. Für Staaten mit geringerem Wehrbudget wäre es daher das am besten geeignete Modell.

Es gilt dabei aber zu berücksichtigen, dass sich Straßenbasen nicht für alle modernen Flugzeugmuster eignen. Maschinen wie der Eurofighter Typhoon, deren Betreuung zwischen Landung und Start einer komplexen High Tech Umgebung und zeitaufwendiger Tätigkeiten durch hochqualifiziertes Personal bedürfen, sind dafür nicht geeignet. Aber es gibt andere, die genau für dieses Konzept optimiert sind. So hat Schweden das System Gripen vom grundlegenden Design her auf die Nutzung von Straßenbasen ausgerichtet. Die Maschine ist kleiner und leichter und kann auch unter Einsatz von Rekruten in wenigen Minuten für einen neuen Start vorbereitet werden.

Alle drei Konzepte bedürfen der Bereitstellung eigener Pionierkräfte, welche darauf spezialisiert sind, beschädigte Manövrierflächen über Nacht zu reparieren. Die Nutzung von Straßenbasen benötigt darüber hinaus auch mobile Flugverkehrskontrolleinrichtungen. Österreich hätte mit seinen mobilen Radaranlagen bereits einen wichtigen Teil davon verfügbar.

Sie fliegen für Österreich - doch eine verantwortungslose Politik hat die Luftstreitkräfte (sowie das übrige Heer) in den vergangenen Jahrzehnten de facto zu Tode gespart - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Die bedauerliche Entwicklung der europäischen Sicherheitslage wird jedenfalls nicht nur Investitionen in die Steigerung der konventionellen Kampfkraft erfordern. Auch die Neutralen und Blockfreien werden Maßnahmen ergreifen müssen, um ihre Luftstreitkräfte besser gegen Überraschungsangriffe in der ersten Nacht zu schützen. Schweden und die Schweiz sind uns in diesem Bereich voraus. Sie haben schon vor mehreren Jahren begonnen, alte Betriebskonzepte mit höherem Schutzgrad zu reaktivieren. Österreich wird wohl nachziehen müssen. In Anbetracht des insgesamt hohen Investitionsbedarfs würde das Modell der Straßenbasen dabei eine effiziente Lösung darstellen. Dabei könnten ohnehin geplante Straßensanierungsmaßnahmen genutzt und durch das BMLV mitfinanziert werden. Entsprechende gesetzliche Regelungen für Errichtung und regelmäßigen Übungsbetrieb könnten geschaffen werden.

Text: Generalmajor a. D. Karl Gruber

Zur Person
Karl Gruber wurde 1955 in Wien geboren und leistete nach der Matura im Jahr 1974 seinen Grundwehrdienst als Einjährig-Freiwilliger ab. Danach besuchte er von 1975 bis 1978 die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt und absolvierte anschließend beim Hubschraubergeschwader 1 auf dem Fliegerhorst Brumowski in Tulln-Langenlebarn die Ausbildung zum Hubschrauberpiloten. Von 1979 bis 1981 diente Gruber als Einsatzpilot auf dem Muster OH-58 Kiowa und übernahm im Jahr 1982 die Führung der 3. Hubschrauberstaffel.

Als Hubschrauberpilot absolvierte der leidenschaftliche Flieger auch zahlreiche Display-Flüge bei Airshows und militärischen Flugvorführungen in Österreich. Bis 1985 absolvierte Gruber weiters an der Landesverteidigungsakademie den Generalstabslehrgang und wirkte danach am Aufbau des Luftraumüberwachungssystems Goldhaube aktiv mit. 1988 erfolgte die Bestellung zum Chef des Stabes "Kommando Luftraumüberwachung in Salzburg". Generalmajor Gruber war seit 2006 Leiter des Teilstabes "Luft" im ehemaligen Streitkräftekommando und seit 1. Jänner 2017 mit der Führung der Luftstreitkräfte betraut. Mit Wirkung vom 1. September 2017 wurde er vom damaligen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil offiziell zum Kommandanten der österreichischen Luftstreitkräfte bestellt. 2018 trat er seinen wohlverdienten Ruhestand an.

Generalmajor Gruber hat zahlreiche Ausbildungen im Ausland absolviert, darunter Lehrgänge bei der kanadischen, der deutschen und auch der spanischen Luftwaffe. Auf Basis seiner Erfahrungen unterrichtet er das Fach "Safety-Management" am FH Joanneum Graz

Neben der Luftfahrt befasst sich Gruber auch mit der Seefahrt. Der zweifache Familienvater ist leidenschaftlicher Segler und Autor des Buches „Seemacht unter rot weiß roter Flagge“, das sich mit der Geschichte der k. u. k. Kriegsmarine befasst.

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.