Wer nicht weiß wohin er will, für den ist kein Weg der Richtige
Über den Luftraum, dessen Bedeutung in militärischen Konflikten und welche Konsequenzen daraus für die Planung der Landesverteidigung abzuleiten sind.
Dem Primat der Politik über das Militär folgend, kann das Militär zwar planen, vorschlagen und beraten, letztlich muss es gehorchen. Der Auftrag und die Bereitstellung der Mittel zur Umsetzung aber obliegt der Politik. Dass dabei oft etwas herauskommt, was weder Hand noch Fuß hat, zeigt sich insbesondere bei der Luftraumüberwachung ganz deutlich.
Eine Rückblende
Vor nunmehr über 20 Jahren hat sich das Österreichische Bundesheer auf die Nachfolgebeschaffung für das Luftraumüberwachungsflugzeug Draken vorbereitet.
Eines der bemerkenswertesten Dokumente, welches auch auf Auftrag und Zahlen eingeht, hat der Bundesrechnungshof im Bericht Bund 2002/3 vorgelegt. Daraus ging hervor, dass das ÖBH per Stand 1.Jänner 2002 über 23 Maschinen Saab 35OE Draken sowie 29 Maschinen Saab 105OE verfügte. Im Zeitraum von 1998 bis 2001 gab es in Summe rund 1,8 Millionen Überflüge über die Republik Österreich, davon rund 55.000 militärische, es kam zu 914 Luftraumverletzungen und 48 Identifizierungen.
Das ÖBH rechnete dem Rechnungshof vor – und dieser konnte das nachvollziehen – dass für eine Luftraumüberwachung mindestens 24 Stück Kampfflugzeuge, für eine Luftraumsicherung mindestens 30 Stück Kampfflugzeuge und für eine Luftraumverteidigung 75 Stück Kampfflugzeuge aufwärts erforderlich sind. Womit wir bei der Begriffsbestimmung sind.
Die Luftraumüberwachung ist die Gesamtheit aller passiven und aktiven Maßnahmen der Luftraumbeobachtung. Man ist also in der Lage permanent festzustellen wer gerade den Luftraum nutzt.
Die Luftraumsicherung stellt die Lufthoheit in einem festgelegten Luftraum her. Sprich man selbst legt fest, wer, wann, womit und unter welchen Voraussetzungen den definierten Luftraum nutzen darf und setzt auch die Mittel ein um bei eventuellen Verstößen dies durchzusetzen.
Die Luftraumverteidigung ist der Konfliktfall und umfasst den defensiven und offensiven Kampf gegen feindliche Luftstreitkräfte.
Und man bemerke – Einsatzarten wie die Luftunterstützung – also der Kampf gegen feindliche Streitkräfte am Boden zur Unterstützung der eigenen Bodentruppe, oder die Luftaufklärung und somit das Auskundschaften gegnerischer Truppen und Absichten mit Mitteln der Luftstreitkräfte, ist in den erwähnten drei Szenarien noch überhaupt nicht Thema.
Der Ist-Zustand
20 Jahre nach diesem Papier sind statt den ehemals 52 Maschinen mit zweifelhaftem Kampfwert nur noch 15 Maschinen mit zweifelhaftem Kampfwert über. Das heißt, die Politik hat dafür gesorgt, dass das Bundesheer nicht mal das definierte Minimum der militärischen Anstrengungen in Friedenszeiten – die Luftraumüberwachung – vollständig abdecken kann. Zwar läuft 24/7 das Goldhaube-Radarsystem. Aber über ausreichend Flugzeuge und Personal um auch 24/7 Luftraumverletzer mit Flugzeugen zu stellen und zweifelsfrei identifizieren zu können verfügt man nicht.
Das geht so weit, dass die das Bundesheer niemals über „Shelter“ oder „Kavernen“ verfügte - also über jene Luftschutzbunker, in die man Kampfflugzeuge stellt um sie vor Waffenwirkung zu schützen, damit sie auch noch am Tag 2 nach Kriegsbeginn verfügbar und nicht brennende Buntmetallhaufen am Vorfeld sind.
Folglich war die Fähigkeit zur Luftraumverteidigung in der 2. Republik nie gegeben und wurde auch nie ernsthaft angestrebt.
Die Bedeutung des Luftraumes im Krieg
Spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg ist klar, dass ohne zumindest einem Patt im Luftraum ein erfolgreiches Bestehen von klassischen Armeen im Krieg nicht möglich ist.
Geeignetes Terrain, hohe Motivation und der unbeugsame Wille trotz hoher Verluste Widerstand zu leisten haben aber z.B. in Vietnam und auch Afghanistan gezeigt, dass eine fortgesetzte Verteidigung und letztlich der Erfolg gegen hochtechnisierte und mit absoluter Luftraumkontrolle ausgestattete Streitkräfte möglich ist wenn man sich anpasst.
Leicht aufzuspürendes Großgerät am Boden eignet sich dazu eher wenig. Denn welch zerstörerische Wirkung der Verlust der Kontrolle über den Luftraum haben kann, hat sich zuletzt im Kaukasus gezeigt und zeigt sich gerade eben auch wieder in der Ukraine.
Oberstleutnant Dr. Reisner hat dazu auch folgenden Artikel für das IIP verfasst:
https://www.iipvienna.com/new-blog/2020/10/5/kamikazedrohnen-ber-dem-kaukasus
Um es auf den Punkt zu bringen. Letztlich geht es um den Preis – wirtschaftlich, politisch, gesellschaftlich – auch um Menschenleben - den jemand bereit ist zu zahlen um sich am Ende durchzusetzen.
Ein gewaltiges Dilemma für Politik und Militär
Und jetzt sind wir beim Militär der Republik Österreich, welches von der Politik im §2 a) des Wehrgesetzes mit der „militärischen Landesverteidigung“ beauftragt ist, obwohl die Grundvoraussetzung den Luftraum verteidigen zu können, damit die Armee am Boden überhaupt die Handlungsfähigkeit behält und nicht nur wehrloses Ziel ist, überhaupt nicht darstellbar ist. Und gleich vorweg - die Politik will und wird den Preis für eine Luftraumverteidigung nicht zahlen. Das geht in der Schweiz, in Schweden, in Finnland...an der Wiener Ringstraße wird man vergebens diesen Willen suchen.
Und ich gehe mit Dr. Reisner, der die „Verhältnismäßigkeit“ von „Kamikaze-Drohnen“ in Frage stellt ausdrücklich nicht konform. Sondern ich halte es da eher mit US General George S. Patton: „Kein dummer Bastard hat jemals einen Krieg gewonnen, indem er ausgezogen ist um für sein Land zu sterben. Er hat gewonnen, indem er einen anderen dummen Bastard für sein Land sterben ließ."
In diesem Sinne war das römisches Pilum, der Wurfspeer der sich nach einmaligem Gebrauch verbog und nicht zurück geschleudert werden konnte, oder der Stuka Bomber gegen den sich die Polen 1939 auch nicht wehren konnten, ebenso „unverhältnismäßig“ wie heute die „Kamikaze-Drohnen“. Es ist eben Stand der Technik. Schon Suniz schrieb vor über 2.500 Jahren „Der geschickte Angreifer fährt aus den höchsten Höhen des Himmels hernieder, denn so macht er es dem Feind unmöglich, sich gegen ihn zu wappnen.“
Somit obliegt es dem Militär für die Landesverteidigung ein Konzept zu entwickeln, das den Eintrittspreis so hoch ansetzt, dass niemand ihn bereit ist ihn zu zahlen, obwohl „die Höhen des Himmels“ niemals unsere sein werden. Und die Aufgabe der Politik ist es die Mittel zur Umsetzung bereit zu stellen und dieses Konzept und seine Kosten dem Wähler zu vermitteln. Andernfalls bleibt der §2 a) des Wehrgesetzes das was es heute ist - totes Recht.
Luftraumsicherung
Bleibt der Sicherungseinsatz. Um diesem Anspruch im Luftraum wieder näher zu kommen braucht es zuerst einmal eine Personalaufstockung - sowohl am Boden als auch beim fliegenden Personal.
Und um das klar zu stellen, ich schreibe hier nicht von einem Einsatz Marke „Davos“ für den man sich ein Jahr lang sammelt um eine Woche glänzen zu können. Sondern von einem Sicherungseinsatz der viele Wochen, Monate oder sogar länger dauert und in seiner Intensität unabsehbar auf längere Zeit schwankt – oder weiß heute schon wieder wer genau wie lange der Krieg in der Ukraine dauert, mit Russland wieder alles easy ist und die Panzerschlachten dann aber endgültig und für alle Zeiten Geschichte sind? Die Namen dieser „Hellseher“ sind bekannt und müssen hier nicht wiederholt werden.
Um solch einen Sicherungseinsatz auf Zeit durchhalten zu können war das ersatzlose Abstellen der Saab 105 eindeutig der Schritt in die falsche Richtung.
Was es braucht
Zwei Staffeln leistungsfähige Jet-Trainer samt Bewaffnung(!!) muss man als Untergrenze bezeichnen um ein einem ersten Schritt wieder vermehrt Personal ausbilden und in einem zweiten Schritt damit Aufgaben der Luftraumsicherung unterhalb der Ebene des Eurofighters abdecken zu können.
Parallel dazu benötigen die Eurofighter per Kampfwertsteigerung jene Fähigkeiten, die man ihnen im Zuge der Beschaffung letztlich vorenthalten hat. Auch hier ist der Ankauf und der Einbau nur der erste Schritt. Es braucht zusätzliches Personal und Ausbildung und letztlich einiges an Übung und Erfahrung bis man über wirklich nutzbringende Fähigkeiten verfügt.
Es stehen neue Eurofighter-Wartungsverträge an und es wird zu klären sein wie viel man zukünftig fliegen möchte. Die Flugstunden pro Jahr für die man Ersatz- und Umlaufteile beziehen möchte stehen in diesem Vertrag. Die Ausschreibung für die Draken-Nachfolge lautete auf 2.700 Flugstunden pro Jahr. Erreicht wurde das nicht annähernd.
Und es ist am besten jetzt schon zu klären wie der Hersteller die Versorgung der Tranche 1 über das laufende Jahrzehnt hinaus plant. Ist der Hersteller in der Lage die Versorgung langfristig zu sichern wäre ein Aufwuchs der Flotte durch Übernahme gebrauchter Maschinen aus den Herstellerländern zumindest eine Überlegung wert. Ist eine Ende in den 2030ern absehbar müssen die Planungen für einen überschallfähigen Nachfolger beginnen. Es sei denn man möchte – vielleicht aus Gründen der Traditionspflege – nach dem Eurofighter wieder mit Übergangslösungen herumbasteln.
Mit gut 1,5-2 Mrd. Investition und etwa dem doppelten an Betriebskosten müsste man vorerst schon rechnen um wieder auf den Pfad in Richtung einer Luftraumsicherung zu kommen. Alles andere wäre auch wieder nur reine Augenmauswischerei. Nur zum Vergleich – die Schweiz veranschlagt 6 Mrd. für neue Kampfflugzeuge, Finnland über 8 Mrd.
Also selbst mit zwei Milliarden landet man daran gemessen gerade noch so bei der Schulnote „Genügend“.
Text: Martin Rosenkranz, Airpower.at
Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.