Punktlandung

Geht der Dornröschenschlaf des Eurofighters zu Ende?

Im Hintergrund der Saab Draken, davor die in Frage kommenden Nachfolger: Saab Gripen (ganz vorne), Eurofighter, F-16 - Foto: Bundesheer

Am 24.Februar 2022 brach in Europa mit dem russischen Überfall auf die Ukraine der größte militärische Konflikt seit dem Zweiten Weltkrieg aus. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von einer „Zeitenwende“. Finnland und Schweden rücken von ihrer Bündnisfreiheit ab und wollen in die NATO. In Österreich wird in den Medien der Sinn der Neutralität gesucht. Die Bundesregierung versucht, die NATO-Diskussion zu unterdrücken. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner fordert 1,5% BIP für das Wehrbudget. Die Grundsatzabteilung des Verteidigungsministeriums hat eine Grundlagenplanung 2032+“ erstellt. Und wir beschäftigen uns hier in sechs Teilen mit dem Eurofighter. Vier Teile werden die Vergangenheit aufrollen, zwei Teile werden sich mit den Möglichkeiten für die Zukunft beschäftigen. Der Eurofighter-Ankauf war die teuerste militärische Anschaffung der 2. Republik. Jahre an Vorbereitung und die Einbindung zahlloser Fachleute aus mehreren Ressorts münden in einem kastrierten Hauptwaffensystem ... und von dem zu wenig um den ursprünglich formulierten Auftrag zur Gänze wahrnehmen zu können. Es lohnt sich also einen laaaaangen Blick zurück zu werfen auf das was war ...

Teil 1

22. Dezember 2000 (Bundesregierung Schüssel 1, BMLV Herbert Scheibner)
Mittels "Request for Information" holt das BMLV Informationen zu Ausstattung und Lieferfähigkeit von Kampfflugzeugen ein. Der Brief geht an Saab für den JAS-39 "Gripen", Lockheed-Martin für die F-16C/D Block 50 "Fighting Falcon", Boeing für die F/A-18E/F "Super Hornet" sowie an Dassault Aviation für die Mirage 2000-5.

Bei der European Aeronautic Defence and Space Company (EADS) wundert man sich, bezüglich des Eurofighter Typhoon nicht um Informationen gebeten worden zu sein – und bekommt diese am 19. Jänner 2001 nachgeliefert. Mit Ende März liegen die gewünschten Informationen für den „Gripen“, die „Super Hornet“, die „Fighting Falcon" und den „Eurofighter Typhoon“ vor. Dassault verzichtet. Schon von Beginn an wird wird über 18 Stück Einsitzer + eventuell sechs Zweisitzer gesprochen. Ausgeschrieben werden am 10. Oktober 2001 aber dann doch 24 Einsitzer + Option auf sechs Zweisitzer.

Angebote kommen für F-16C/D "Fighting Falcon" Block 50/52 sowie für gebrauchte F-16A/B MLU, "Eurofighter Typhoon" sowie zwei Anbote für den JAS-39C "Gripen". Keines der Angebote erfüllt alle Muss-Kriterien und werden demnach ausgeschieden. Per 26. März 2002 erfolgt eine zweite Anbotseinholung.

Nachdem das F-16 Anbot aufgrund Nichterfüllung von Muss-Kriterien ausgeschieden wird empfiehlt die Bewertungskommission (33 Mitglieder in fünf Unterkommissionen) mit 4:1 Mehrheit zugunsten des Eurofighter und gegen den Gripen. Am 2. Juli 2002 verkündet Herbert Scheibner die Entscheidung zugunsten es „Eurofighter Typhoon“.

Nach einer "Jahrhundertflut" und einem FPÖ-Sonderparteitag in Knittelfeld werden am  9. September 2002 Neuwahlen verkündet. Es gibt keine Unterschrift unter einen Kaufvertrag. Am 11. Oktober 2002 wird der Rechnungshofbericht über die Vorbereitung der Nachfolgebeschaffung von Luftraumüberwachungsflugzeugen veröffentlicht. Dieser sieht ein Mindesterfordernis von 24 Maschinen für die Luftraumüberwachung, 30 für die Luftraumsicherung und 75 Flugzeuge für die Luftraumverteidigung. Während dessen floppt der Anti-Abfangjäger-Wahlkampf der SPÖ. Am 24. November 2002 wird die ÖVP erstmals seit 1966 wieder stärkste Partei in Österreich. 

28. Februar 2003 (Bundesregierung Schüssel 2, BMLV Günther Platter )
Am 29. April 2003 trifft der Ministerrat den Grundsatzbeschluss für die Abfangjägerbeschaffung. Der Regierungsentwurf für ein "Bundesgesetz über den Nachkauf von Luftraumüberwachungsflugzeugen" welches im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes dem Parlament übermittelt wird, ist eine Stückzahl von 18 Flugzeugen festgeschrieben.

Freitag den 16. Mai 2003 gibt die Regierung erstmals Details zum Eurofighter-Ankauf bekannt. Verteidigungsminister Günther Platter und Finanzminister Karl-Heinz Grasser geben in einer Pressekonferenz bekannt, dass die 18 Eurofighter für das österreichische Bundesheer inklusive Finanzierung und allem Zubehör EUR 1,969 Mrd. kosten werden.

Am 11. Juni 2003 wird im Nationalrat das Budgetbegleitgesetz, welches das "Bundesgesetz über den Nachkauf von Luftraumüberwachungsflugzeugen" enthält, beschlossen. Dieses tritt mit der Kundmachung im Bundesgesetzblatt (BGBl. I Nr. 71/2003, Artikel 69) per 21. August 2003 in Kraft.

Das ist Teil 1a der vielen Kuriositäten die noch folgen sollen.
Denn die Regierung legt ein Gesetz vor, das Parlament beschließt es und der Bundespräsident zeichnet es ab, obwohl die darin festgehaltene Stückzahl nicht der im Prüfbericht „
Vorbereitung der Nachfolgebeschaffung von Luftraumüberwachungsflugzeugen“ vom Rechnungshof ermittelten Mindestanforderung von 24 Stück entspricht. Vom Grundsatz der Zweckmäßigkeit der öffentlichen Gebarung – insbesondere angesichts der mit Abstand teuersten militärischen Beschaffung der zweiten Republik - kann somit schon bei der Gesetzwerdung keine Rede mehr sein. Im Gesetz wird festgeschrieben, dass die zu beschaffende Menge nicht ausreichend ist um die vorgesehene Aufgabe zu erfüllen ... für 1,969 Milliarden Euro. Das US Offert für 24 Stk. F-16 „mit allem“ lag dem Vernehmen nach bei rund EUR 1,7 Milliarden ...

Inder Folge lässt das Thema Eurofighter die Innenpolitik nicht mehr los. Es gibt Indizien, dass EADS mit der Lieferung in Verzug kommen wird. Obwohl der Vertrag nicht öffentlich bekannt ist, wird über mögliche Ausstiegsszenarien debattiert.

14.12.2004 - Mit rund 15 Monaten Verspätung werden die Verträge zur zweiten Bautranche des Eurofighter Taifun unterzeichnet. Für Österreich deshalb ein relevantes Datum weil bis auf die ersten sechs Maschinen alle weiteren aus dieser Tranche kommen sollen. Die „Slots“ der ersten sechs Maschinen stammen aus der Tranche 1 und wurden von den Herstellerländern an Österreich abgetreten.

Was so einfach klingt ist es nicht. Jedenfalls sprengen die Extras hier und Nachbesserungen da bald den gesetzlich festgeschriebenen Finanzrahmen von EUR 1,969 Mrd. Die Axt muss es richten.

Das ist Teil 1b der vielen Kuriositäten die noch folgen sollen.

Einiges was bereits bestellt wurde wird wieder storniert. Um innerhalb des gesetzten Finanzrahmens von EUR 1,969 Mrd. zu bleiben storniert Bundesminister Günther Platter auch die AMRAAM-Mittelstrecken-Luft/Luft-Lenkwaffe für den Eurofighter. Aus dem Eurofighter-Simulator, der schon in Zeltweg steht, wird AMRAAM deshalb wieder heraus programmiert ...

Österreich hat jetzt einen Luftüberlegenheitsjäger – geplant und gebaut dazu den Himmel absolutistisch zu beherrschen - hat sich also für die teuerste (und auch leistungsfähigste) der möglichen Varianten entschieden, davon aber zu wenig um den Auftrag zu erfüllen – und kann diese nun nur noch rudimentär bewaffnen.

Am 1. Oktober 2006 bringt die Nationalratswahl einen Wechsel der Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat. Die SPÖ wird stimmenstärkste Fraktion, gefolgt von der ÖVP, Grünen und FPÖ.

Die konstituierende Sitzung des Nationalrats der neuen Gesetzgebungsperiode am 30.Oktober 2006 beginnt mit einer Eurofighter-Debatte. Es folgt eine Abstimmung über einen SPÖ-G-FPÖ-Entschließungsantrag betreffend Eurofighter-Ausstieg der mehrheitlich angenommen wird. Anschließend an die dringliche Anfrage setzte der Nationalrat mit Mehrheit einen Eurofighter-Untersuchungsausschuss ein.

Übrigens – der „Gott-sei-bei-uns der Draken-Nachfolgebeschaffung – Dr.Peter Pilz – war immer schon auf der „richtigen Spur“. Der sieht im Jänner 2002 im Amerikahaus die ÖVP pro F-16 und die FPÖ pro Gripen. Und kündigte damals schon US General Tome H. Walters einen Untersuchungsausschuss an. ( https://www.derstandard.at/story/835609/die-wahl-zwischen-zwei-fliegenden-parteibuechern )

Während militärische Sachpolitik gefragt gewesen wäre – und die muss durchaus nicht konsensuell, jedenfalls aber seriös geführt werden – liefert man sich im hohen Haus zu diesem Thema nur noch Parteipolitik ... und das ohne Rücksicht auf Verluste, besser gesagt internationale Reputation.

Sozialdemokraten liefern Tiefpunkt
Denn den Tiefpunkt in der ganzen Angelegenheit liefert dabei die SPÖ. Dort geniert man sich nicht, die innerösterreichische Kindergartenstreiterei zu Internationalisieren in dem man einen, als „Verschlussache“ gegenzeichneten 67 Seiten-starken Eurofighter-Sachstandsbericht an das Deutsche Bundesministerium der Verteidigung – wie auch immer man dessen habhaft wurde(?) -, auf der SPÖ-Internetseite zum globalen Download bereit stellt. Dass der damalige SP-Wehrsprecher Anton Gaál daraus nicht mal sachlich korrekt zitieren kann, macht die Sache auch nicht besser. Zitat SPÖ-Wehrsprecher Anton Gaal: "...die Eurofighter-Flugzeuge dürfen unter fünf Grad gar nicht abheben....es gebe in Zeltweg 150 Frosttage pro Jahr...es wurde ein sündteueres Flugzeug gekauft, das rund die Hälfe des Jahres gar nicht fliegen darf..." Das wirklich traurige dabei.....verschiedentlich hält sich dieser Unsinn noch bis heute ...

Dabei ist der Tiefpunkt der ganzen Affäre noch lange nicht erreicht. Den heben wir uns für Teil 2 des laaaangen Blicks zurück auf....NOVEMBER, OSCAR, ROMEO, BRAVO, ECHO, ROMEO, TANGO approaching.

Text: Martin Rosenkranz

Über den Autor
Luftfahrtexperte Martin Rosenkranz ist Gründer und Chefredakteur des Militärluftfahrtmagazins "Airpower.at" und hat sich in den vielen Jahren der Eurofighter-Ausschreibung, Beschaffung und den Nachwehen intensiv mit diesen Vorgängen beschäftigt. Er war auch im Untersuchungsausschuss live dabei und gilt als einer der international am besten informierten Experten auf diesem Gebiet. Aktuell schreibt er unter anderem auch für das Militärmagazin "Militär aktuell".

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.