Punktlandung

Teil 2 von 6: Geht der Dornröschenschlaf des Eurofighters zu Ende?

Norbert Darabos in seiner Zeit als Verteidigungsminister - Foto: Bundesheer

In Teil 1 vom 28. Mai dieses Jahres befasste sich Autor Martin Rosenkranz mit der Vorgeschichte des Eurofighter-Ankaufs. Lesen Sie nun die unrühmliche Rolle des Zivildieners Norbert Darabos, der als "Verteidigungsminister" für die "technische Kastration" der Eurofighter-Flotte maßgeblich verantwortlich zeichnete.

Die „Grundlagenplanung 2032+“ sieht für den Eurofighter die „Herstellung der Nachtkampffähigkeit der Eurofighter, dazu die Anschaffung von vier Doppel-Sitzer Eurofighter zur Sicherstellung der Pilotenausbildung“ vor. (Quelle: https://www.falter.at/zeitung/20220527/ausruesten )

Wir behandeln in sechs Teilen Vergangenheit und mögliche Zukunft des Eurofighters.

Teil 2

.eines laaaangen Blicks zurück auf das was war – und ein Ausblick auf das was kommen könnte.

11.Jänner 2007 (Bundesregierung Gusenbauer, BMLV Norbert Darabos )
Wir erinnern uns. Der Nationalrat hatte in seiner konstituierende Sitzung einen Eurofighter-Untersuchungsausschuss beschlossen. Der Traum des Dr. Peter Pilz wurde wahr. Und an und für sich sind die Regeln im Untersuchungsausschuss ja klar. Die Auskunftspersonen müssen wahrheitsgemäß antworten und alle Ämter und Behörden müssen ihre Akten vorlegen. So stehts im Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats und das ist immerhin im Verfassungsrang. Dies galt auch für alle. Naja...für fast alle....

Ende März 2007 beauftragt Norbert Darabos den Zivilrechtsexperten Prof. Helmut Koziol mit einem Gutachten, das die Sachlage im Eurofighter-Vertrag bis hin zur Möglichkeit eines Ausstiegs beurteilen soll. Während Airchief Wolf wegen der EUR 87.600 Zahlung an seien Frau suspendiert wird, ändert der Minister seine Strategie, lässt die neuen Tatsachen mit einfließen und die Ausstiegsvariante nicht nur prüfen, sondern offensiv angehen.

Darabos gibt gegenüber der Presse bekannt, dass er am Wochenende des 14./15. April das Gutachten in Händen halten werde.

Am Parteitag der SPÖ Burgenland in Oberschützen nennt er konkret Montag den 16. April an dem der erste Teil des Berichtes vorliegen werde.

Womit der Minister offenbar nicht gerechnet hat ist jedoch die Begehrlichkeit des Ausschusses, der ja auch mit seiner Stimme mit beschlossen wurde.

Der FPÖ-Antrag, der den Bundesminister für Landesverteidigung auffordert das übermittelte (Teil-) Rechtsgutachten betreffend Möglichkeiten des Ausstieges aus dem Eurofighter-Vertrag vorzulegen geht EINSTIMMIG durch den Ausschuss. Doch Darabos weigert sich! Seine Begründung – es gäbe keinen Akt im Verteidigungsministerium zu diesem Gutachten. Und es verschlechtere seine Verhandlungsposition aus Teilen dieses Gutachtens zu zitieren.

Dem Ausschuss erzählt er, dass dieser Zwischenbericht nur seiner persönlichen Begutachtung diene und nicht Grundlage des Untersuchungsauftrages sei. Auch der Vorsitzende Dr. Peter Pilz erklärt dem Minister, dass der Aktenbegriff selbst Notizen und Zetteln umfasst und mit Sicherheit auch ein Teilgutachten oder ein provisorisches Gutachten. Es hilft alles nichts – der allmächtige Ausschuss wir das Gutachten nie sehen. Und der Minister für seine Weigerung nie zur Verantwortung gezogen.

Am 24. Mai 2007 entsteht im Gartenhotel Altmannsdorf, auf Hotelbriefpapier handschriftlich durch Prof. Koziol, im Kern jenes Qualitäts- und Mengengerüst mit dem Österreichs Luftstreitkräfte bis heute auskommen müssen. Darabos verzichtet auf Tranche 2 und Ausrüstung ( https://www.oe24.at/oesterreich/politik/geheimer-eurofighter-vertrag-entstand-in-spoe-gartenhotel/285941586 ; https://www.krone.at/572443)

Zwar sagt Darabos die Vorlage des fertigen Gutachtens dem Untersuchungsausschuss zu, wartet allerdings die letzten Ladungsbeschlüsse des Ausschusses ab bevor er gemeinsam mit Koziol das Gutachten präsentiert.

Vor versammelter Presse erklärt Darabos am 25. Juni er rechne "mit einem guten Kompromiss mit der Eurofighter GmbH, was ein Vergleichsangebot betrifft. Der Abschluss des Vergleichs mit der Firma Eurofighter stehe unmittelbar bevor“.

Darabos sagt zu diesem Zeitpunkt bereits wissentlich die Unwahrheit. Denn Tags davor war er mit Aloysius Rauen (CEO Eurofighter GmbH) am Flughafen Paris Handels eins und hat einen Vertrag dort unterschrieben.

Darabos bekam die formelle endgültige Ausfertigung des Gutachtens am 26. Juni 2007 – am selben Tag an dem sein „Vergleich“ mit dem Eurofighter Hersteller bindend wurde.

Damit schafft es Minister Darabos den Entschließungsantrag im Parlament, den er am 30. Oktober 2006 selbst mit beschlossen hat, in allen Punkten zu übergehen. Weder ist der Vertrag kostengünstig aufgelöst, noch hat Darabos den Beschaffungsvorgang oder die Verhandlungen und auch nicht die Abnahme von Leistungen unterbrochen. Und als Gipfel der Krönung hat er den Bericht des Parlamentarischen-Untersuchungsausschusses – den Darabos zwischenzeitlich mehrmals als „Verbündeten“ bezeichnet hat – nicht abgewartet.

Dass trotzdem ein Misstrauensantrag gegen Darabos im Parlament mit Mehrheit abgelehnt wird unterstreicht die ganze Hilflosigkeit des Hohen Hauses und die völlige Bedeutungslosigkeit der Wehrpolitik.

Ein laaaanger Teil 2 der vielen Kuriositäten - und es werden noch welche folgen ...

Im "Bundesgesetz über den Nachkauf von Luftraumüberwachungsflugzeugen" in Kraft per 21. August 2003 (BGBl. I Nr. 71/2003, Artikel 69) wurde der Bundesminister für Landesverteidigung nur ermächtigt 18 Stück Luftraumüberwachungsflugzeuge anzukaufen. Nicht mehr und auch nicht weniger. Und mit der Vollziehung des Bundesgesetzes wurde der Bundesminister für Finanzen, der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie und der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Landesverteidigung betraut.

Für 15 Tranche 1 im Alleingang bestand somit NIE eine gesetzliche Grundlage. Statt 75% der für die Auftragserfüllung erforderlichen Mindestmenge an Fluggerät steht man nach dem Darabos-Vergleich bei 62%.

Schon auf dem Hotelpapier in Altmannsdorf hatte Darabos auf das Selbstschutzsystem der Eurofighter verzichtet. Am Flughafen Paris verzichtet er dann auch auf die Fähigkeit in der Nacht zu sehen. In beiden Fällen übersteigen diese Entscheidungen bei weitem seine Sachkenntnis.

Das „Bundeshaushaltsgesetz“ und „Bundesfinanzgesetz“ beinhaltet Bedeckungs- und Ermächtigungsregeln für die Haushaltsführung der Organe. Vorhaben die definierte finanzielle Größenordnungen und insbesondere Vorbelastungen für zukünftige Budgets mit sich bringen, sind nur im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen erlaubt.

Die Änderungen und die Sachwerte, auf die Darabos in seinem Vertrag verzichtet und tauscht, übersteigen bei weitem diese Wertgrenzen. Insbesondere auch wenn man bedenkt, dass der Vertrag Pönalezahlungen an die Republik vorgesehen hatte.

Dies wären im Nachhinein betrachtet mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eingetreten. Darabos hat darauf verzichtet. Seither belasten Maßnahmen um die Tranche 1 Eurofighter flugfähig zu halten das Budet – somit hat der Wechsel von Tranche 2 zu Tranche 1 zu anderen, höheren Vorbelastungen geführt. Schon im Jänner 2008, sechs Monate nach Auslieferung der ersten Maschine, informiert die Eurofighter GmbH das BMLV über obsolete Komponenten in den Flugzeuge der Tranche 1- Konfiguration.

Dem gemäß hat der Rechnungshof später auch festgestellt, dass der Bundesminister für Finanzen, entgegen der haushaltsrechtlichen Bestimmungen, nicht in die Vergleichsverhandlungen eingebunden war.

Mehr noch - jedem der etwas Sachverstand mitbringt, musste am 06.02.2007 – der Tag an dem AS007 mit der Endfertigung begann - erkennen, dass ein Liefertermin für AS007 im April 2008 illusorisch ist – somit Pönalen für die Republik schlagend werden. Mit welcher Geschwindigkeit EADS bauen kann war bekannt. Österreichische Techniker waren dabei. AS001 / 7L-WA begann die Endfertigung am 08.03.2006, war zum Zeitpunkt von Darabos Unterschrift somit 16 Monate im Bau.

AS007 wird erst im November 2008 aus den Werkshallen rollen. AS015, der letzte gebaute Ex-Österreicher wäre im Dezember 2008 zu liefern gewesen. Er rollt im März 2010 aus der Fertigung.

Jedenfalls unterzeichnet Darabos am 24. Juni 2007 seinen Vergleich. Soll Liefertermin für den ersten österreichischen Tranche 2 Eurofighter AS007 war gemäß Vertrag im April 2008. Doch erst am 1. November 2007 wird IPA6 mit den Testflügen für die Tranche 2 beginnen. ( https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20071101_OTS0073/erstflug-von-eurofighter-typhoon-ipa6-tranche-2-avionik-jetzt-im-flugtest )

Der gesamte Prozess der Beschaffung, hielt über Jahre hinweg unzählige Fachleute in mehreren Ministerien auf Trab, insbesondere fünf Fachkommissionen im BMLV, den Bundesrechnungshof, die Finanzprokuratur, nicht zuletzt vielfach das Parlament. Die gesamte Materie übersteigt bei weitem die Kenntnisse, die eine einzige Person mitbringen kann. Darabos hat die Eurofighter GmbH von der Angel gelassen, diese vor der Verpflichtung befreit die absehbaren Pönalen leisten zu müssen und hat einen Deal zu Lasten der Republik abgeschlossen.

Die Rechtsordnung kennt dazu den Begriff der „Übernahmefahrlässigkeit“. Diese liegt vor, wenn jemand eine Tätigkeit übernimmt, ausführt oder weiterführt, ohne die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu besitzen.

Und dem „Legalitätsprinzip“, nämlich dass die gesamte staatliche Vollziehung nur aufgrund von Gesetzen und Verordnungen ausgeübt werden darf, wurde im Rahmen all dieser Handlungen offenbar auch keine Aufmerksamkeit zuteil.

Teil 2A - ein Sonderplatz im Kuriositätenkabinett
An Skurrilität nicht zu überbieten ist der sogenannte "Besserungsschein".
Auf diesem lies sich Norbert Darabos zusichern, dass Mehrerlöse durch die Verwertung der Tranche 2 Flugzeuge der Republik Österreich zufallen würden - und er sprach diesem Papier einen Wert von EUR 30 Mio zu.
In der Detailvereinbarung wurde dieses auf sechs der neun betroffenen Maschinen eingeschränkt. Real hatte dieses Papier gar keinen Wert, da ein Mehrerlös nicht erzielt wurde. Wieso auch sollte die Deutsche Luftwaffe freiwillig etwas für den Tranche1 zu Tranche 2 Deal zahlen? Das Geld war in die rauschende Party, die man ob der dummen Österreicher gefeiert hat, sicher besser angelegt.

Was folgt ist ein Trauerspiel. Bereits gelieferte Tranche 2 Ersatzteile werden wieder verladen und zurück geschickt. Das ausgearbeitete Logistik- und Materialerhaltungskonzept ist ein Fall für die Rundablage - „verlorener Aufwand“ nennt man das im Wirtschaftsleben. Die mittels Steuergeld bezahlte und erbrachte Arbeit war völlig umsonst. Die Werknummern AS007 bis AS015, von österreichischen Luftfahrzeugtechnikern beim Bau begleitet und Güte-geprüft landen bei der Deutschen Luftwaffe. Bis Ende 2007 wird nicht klar sein was Österreich überhaupt an Material und Maschinen erhält....die Deutsche Luftwaffe sucht sich aus was sie an Österreich abgibt.

Am 12.07.2007 ist es schließlich so weit. Mit 7L-WA landet um 10:44 der erste Österreichische Eurofighter in Zeltweg. Der ehemalige Zivildiener und nunmehrige Bundesminister für Landesverteidigung Norbert Darabos zieht es vor dem Festakt fern zu bleiben und verbringt den Tag mit „militärpolitischen Beratungen“ in Mazedonien..... (https://www.bundesheer.at/cms/artikel.php?ID=3511)

Teil 2B – noch ein Sonderplatz - Fotografierverbot „EZ/B“
Am 25. Jänner 2007 besucht Bundesminister Norbert Darabos gemeinsam mit Medienvertretern den „Berg“. So nennt das Bundesheer im Umgangston den inzwischen nicht mehr ganz so geheimen "Regierungsbunker" in St.Johann im Pongau. Offiziell wird die Einrichtung als "Einsatzzentrale Basisraum" – kurz „EZ/B“ bezeichnet.

Üblicherweise läuft so eine Visite wie folgt ab. Der Gast wird über die Sicherheitsbestimmungen belehrt und unterschreibt anschließend eine Vertraulichkeitsvereinbahrung – auch der Minister(!) - und er lässt hier auch seine Film- und Fotoausrüstung zurück.

Am 4. Februar 2007 unter dem Titel "Der Besuch der Woche - Regierungsbunker - Geheimster Ort des Landes" in der Tageszeitung "Österreich"....samt Fotos von dem Besuch!

https://www.oe24.at/oesterreich/politik/der-geheime-bunker-der-regierung/65627445

Was folgt ist eine parlamentarische Anfrage an Minister Darabos.

Anfrage:

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIII/J/J_00380/imfname_073105.pdf

Antwort:

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIII/AB/AB_00418/imfname_076890.pdf

Darin wird die Frage über ein Fotografierverbot in der Anlage zwar mit „Ja“ beantwortet. Und es wir auch bestätigt, dass sämtliche Personen persönlich und schriftlich belehrt wurden. Die Fragen wer die Erlaubnis für das Fotografieren erteilt hat und ob diese Person zum erteilen berechtigt war bleibt aber unbeantwortet. Auch das geht! Wie bereits geschrieben.... „die Hilflosigkeit des Hohen Hauses“.

Die Folge davon ist, dass sich das Thema „Fotografierverbot“ seither offenbar gegessen hat. Diesbezüglich dort kaum mehr etwas so wie es einmal war. Fotos von Einrichtung und Personal findet man inzwischen ganz leicht im Internet...selbst das ÖBH macht schon mit.

https://salzburg.orf.at/v2/news/stories/2532366/

https://kurier.at/politik/inland/staatsbesuch-im-bunker/308.134.427

https://www.bundeskanzleramt.gv.at/themen/unsere-Zukunft-eu-neu-denken/oesterreich-dialoge-zur-eu-in-salzburg/oesterreich-als-vorreiter-in-der-europaeischen-datensicherung.html

https://www.sn.at/wiki/Einsatzzentrale_Basisraum

https://www.derstandard.at/story/2000097144889/mehr-ueberwachung-durch-militaer-und-bvt-sorgt-fuer-kritik

https://www.meinbezirk.at/lungau/c-lokales/landeshauptmann-haslauer-besucht-geheimsten-ort-salzburgs_a1004075#gallery=null

Damit ist die Geschichte aber weit noch nicht am Ende. Die Bemühungen von Darabos Nachfolger behandeln wir im Teil 3 des laaaangen Blicks zurücks.

Text: Martin Rosenkranz

Über den Autor
Luftfahrtexperte Martin Rosenkranz ist Gründer und Chefredakteur des Militärluftfahrtmagazins "Airpower.at" und hat sich in den vielen Jahren der Eurofighter-Ausschreibung, Beschaffung und den Nachwehen intensiv mit diesen Vorgängen beschäftigt. Er war auch im Untersuchungsausschuss live dabei und gilt als einer der international am besten informierten Experten auf diesem Gebiet. Aktuell schreibt er unter anderem auch für das Militärmagazin "Militär aktuell".

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.