Punktlandung

Teil 5 von 6: Geht der Dornröschenschlaf des Eurofighters zu Ende?

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner mit Generalstabschef Robert Brieger - Foto: Gunter Pusch / Bundesheer

Vor zwei Jahren hat sich die damals gerade einmal einen Monat im Amt befindliche Verteidigungsministerin Klaudia Tanner mit dem Satz "Airbus wird mich noch kennenlernen" in die Schlagzeilen geschrieben. Der Satz ist jedenfalls hängen geblieben. Sie schloss damit nahtlos an Ihre Vorgänger an, die alle ihre liebe Mühe mit dem Eurofighter hatten. Mit der „Unterstützung“ Moskaus, auf die wir alle nur zu gerne verzichtet hätten, schickt sich Bundesministerin Tanner nun an, die Österreichischen Eurofighter von Friedenstauben zu Greifvögeln zu machen. Teil 5 unserer 6-teiligen Punktlandung zum Thema.

Am 24. 02. 2022 bracht in Europa der größte militärische Konflikt seit dem zweiten Weltkrieg aus. Das Land mit dem größten stehenden Heer in Europa – Russland – überfällt das Land mit dem zweitgrößten stehenden Heer in Europa – die Ukraine.

Während in viele Ländern laufende Rüstungsprogramme beschleunigt werden, praktisch überall Militärbudgets angehoben werden, Finnland und Schweden sich entscheiden einen Antrag zum Beitritt zur NATO abzugeben, gibt sich Österreich dem sicherheitspolitischen Stillstand hin. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner fordert zwar 1,5% BIP Budget fürs Bundesheer und das Parlament fordert ebenso eine nicht genauer definierte Erhöhung. In der Regierung fehlt aber ein Konsens bezüglich rascher und konkreter Schritte zur Steigerung der militärischen Kraft des verwahrlosten Bundesheeres. Die Grundsatzabteilung des Verteidigungsministeriums beschäftigt sich seither mit der „Grundlagenplanung 2032+“ Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Papier wie viele seiner Vorgänger ohne Umsetzung auf dem Misthaufen landet, muss man befürchten.

Österreich ist etwa 50% durch in der erwartbaren Nutzungsdauer des Eurofighter. Das kann sich natürlich ändern, falls größere Betreiber der Tranche 1 sich entscheiden, dass ein Weiterbetrieb möglich, notwendig und mittels Leistungssteigerung auch militärisch sinnvoll ist. Nicht ausgeschlossen ist auch eine Weiterverwendung der Tranche-1 Maschinen im Zuge eines 2nd-Hand Rüstungsexportes. Polen war kürzlich im Gespräch.

Die primär zu behandelnden Probleme sind

a) Es muss wieder mehr eigenständige Handlungsfähigkeit im Ausbildungszyklus gewonnen werden. Sowohl beim fliegenden als auch beim Bodenpersonal ist die Fähigkeit zum raschen Aufwuchs verloren gegangen. Die Fähigkeit zur Ausbildung der Piloten endet nach der Basisausbildung. Danach ist man – gemäß der erklärten Linie der Bundesregierung auch als „neutraler Staat“ - zu 100% vom (NATO)-Ausland abhängig. Beim Bodenpersonal ist die Situation naturgemäß besser. Aber selbst hier benötigt der Aufbau einer Personalstruktur, die eine aktive 24/365 Überwachung ermöglichen würden, mehrere Jahre.

b) Ein potentieller Wechsel des Flugzeugtyps ist derzeit überhaupt nicht darstellbar. Es gibt eine stärkere Staffel mit einer Type und einen kleinen Kader der die technischen Rahmenbedingungen für den Betrieb gewährleistet. Schickt man hier Leute weg um „etwas anderes“ zu lernen kommt selbst das bisschen aktive Luftraumüberwachung zum Stillstand. Bestenfalls bliebe für mehrere Jahre ein Betrieb 5x die Woche Halbtags über. Und selbst das könnte, wenn man gewisse Spezialgebiete berücksichtigt, schwierig werden. Eine Staffel ist also immer zu wenig.

c) Fähigkeitslücken der Maschinen. Radargelenkte Lenkwaffen für außerhalb Sichtweite sind wichtig und international Standard. Selbstschutz und Fähigkeiten im Bereich der elektronischen Kriegsführung sind wichtig und international Standard. Und auch Fähigkeiten zur Sichtidentifikation über große Entfernungen bei Nacht und auch bei Tag(!), sind wichtig und international Standard. Und...ganz wichtig. Die Reduktion der Abhängigkeit vom Primärsensor „Radar“ und das stärkere Zurückgreifen auf passive Sensoren, als Grundlage für taktisch ganz neue Spielregeln, wird massiv zunehmen....wir werden uns damit im Teil 6 näher beschäftigen.

d) Eine politische Entscheidung welche Rolle man spielen möchte. Abgesehen von der Neutralität ist jedenfalls der Art. 42 Abs. 7 EUV zu berücksichtigen....die „BESTIMMUNGEN ÜBER DIE GEMEINSAME SICHERHEITS- UND VERTEIDIGUNGSPOLITIK“. (https://www.ris.bka.gv.at/NormDokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10008048&Artikel=42&Paragraf=&Anlage=&Uebergangsrecht= )

Was soll der Österreichische Eurofighter können?

Der Angriff auf die Ukraine am 24.02.2022 begann

  1. Mit einer Cyberattacke von der auch Westeuropa betroffen war.
  2. Mit einem Angriff von Luftstreitkräften und Raketen auf militärische Infrastruktur und die Luftwaffe der Ukraine.
  3. Dem Versuch der Ausschaltung der ukrainischen Flugabwehr
  4. Der Eroberung von Flugplätzen in der Ukraine durch Luftlandetruppen um Schlüsselziele einzunehmen bevor ukrainische Verteidigungskräfte wirksam werden können.
  5. Dem Überschreiten der Grenze durch mobile, gepanzerte Verbände.
  6. Einsatz von Infiltrationskräften zur Ausschaltung der Ukrainischen Staatsführung.

Bei den Punkten 2, 3 und 4 fand das über Entfernungen von vielen hundert Kilometern statt. Von solchen Einsätzen sind also potentiell sehr große Gebiete betroffen. Und in vier der sechs Fällen – nämlich im Punkt 2, 3, 4 und 5 – sind Jagdflugzeuge ein geeignetes Mittel um diese Operationen zumindest zu stören oder eine Grundvoraussetzung zu schaffen um diese zu stören. Sie können die gegnerische Luftstreitkräfte bekämpfen und sie dadurch an der Unterstützung der Streitkräfte am Boden stören oder hindern und die eigenen Bodenkräfte vor den gegnerischen Luftstreitkräften schützen. Luftkampf, Luftüberlegenheit und Lufthoheit.

Die eigenen Muss – Kapazität muss lauten „die Lufthoheit zu wahren"! Das war die Grundforderung bei der Draken-Nachfolgebeschaffung und sie gilt über 20 Jahre nach deren Einleitung immer noch uneingeschränkt.

Die gewohnte „Luftraumüberwachung“ ist eine Friedensaufgabe, ebenso die „Luftraumsicherung“ wie sie rund um Davos statt findet. Luftraumverteidigung ist Krieg.....und für den Luftraum heißt das Kampf um dessen Hoheit....und für Gen4 und mehr noch Gen5 Flugzeuge auch Echtzeit-Informationsgewinnung und Übermittlung.

Nun. Was ist der „Eurofighter“?
Der Eurofighter wurde in den 1980er Jahren konzipiert und in den 1990er Jahren entwickelt als Kampfflugzeug welches die Luftüberlegenheit in Europa gewährleisten soll. Das steckt nicht nur in seinen Genen sondern ist immer noch die Kernkompetenz aller Staffeln die mit dem Eurofighter ausgerüstet sind, auch wenn diese Mehrzweckrollen wahrnehmen. Die Flug-, Sensor- und Waffenleistungen eines zeitgemäß ausgestatteten Eurofighters befähigen ihn den Kampf um die Lufthoheit mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Erfolg zu führen.

Wenn ein Land der Europäischen Union angegriffen wird, dann ist Erhalt bzw. Wiederherstellung der Lufthoheit zum Schutz der zivilen und militärischen Infrastruktur die unmittelbarste, räumlich betrachtet umfassendste und zeitlich betrachtet dauerhafteste Aufgabe, die erforderlich ist um einen militärischen Konflikt zu bewältigen. Nur ballistische Raketen können Zeit und Raum noch schneller überbrücken als überschallfähige Kampfflugzeuge. Übrigens, die Befähigung der Generation 5 als Frühwarneinrichtung und gegebenenfalls auch Mittel zur Bekämpfung ballistischer Raketen läuft seit Jahren.  Denn ohne Herr über den eigenen Luftraum zu sein geht - flapsig gesprochen - „nicht viel“. Dazu offenkundig in der Lage zu sein stellt eine wesentliche Komponente konventioneller Abschreckung dar.

Somit stellt sich nur mehr die Frage, kann es sich Österreich weiterhin leisten ein potentiell sehr fähiges Waffensystem am untersten Rand seiner Möglichkeiten zu betreiben und dafür trotzdem relativ viel Geld ausgeben? Kann es sich Österreich weiterhin leisten ein „Fähigkeitshohlraum“ im Herzen Europas zu sein? Unter Berücksichtigung des Art. 42 Abs. 7 EUV muss man zum Schluss kommen ... eigentlich nicht.

"Ich glaube mich hier in Übereinstimmung mit der Frau Bundesminister, dass wir die vorhandenen Flugzeuge entsprechend modernisieren müssen.... Nachtsichtgeräte, Identifikationsfähigkeit, Selbstschutzausrüstung, die Ausstattung mit radargesteuerten Lenkwaffen.... Wir haben ein hochmodernes Flugzeug mit entsprechendem Potential so abgerüstet, dass es nicht in der Lage ist, seine vorgesehenen Aufgaben in idealer Weise zu erfüllen. Und wir sollten dieses Potential auch ausschöpfen! Letztlich auch im Sinne einer Ökonomie der Streitkräfte."
Generalstabschef Robert Brieger zum Thema Eurofighter im Ö1 Mittagsjournal am 09.April 2022

Im sechsten und letzten Teil werden wir uns mit den Möglichkeiten betreffend der Wiederherstellung der Luftkampffähigkeit auf hohem Niveau beschäftigen. Und ohne gleicht zu viel zu verraten ... wir stecken hier gerade mitten in der Frühlingsblüte einer Revolution.

Text: Martin Rosenkranz

Über den Autor
Luftfahrtexperte Martin Rosenkranz ist Gründer und Chefredakteur des Militärluftfahrtmagazins "Airpower.at" und hat sich in den vielen Jahren der Eurofighter-Ausschreibung, Beschaffung und den Nachwehen intensiv mit diesen Vorgängen beschäftigt. Er war auch im Untersuchungsausschuss live dabei und gilt als einer der international am besten informierten Experten auf diesem Gebiet. Aktuell schreibt er unter anderem auch für das Militärmagazin "Militär aktuell".

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.