Sonntag, 28. August 2022, 14:40, Luftwaffenstützpunkt Malacky/Kuchyna, etwa 40 Kilometer von der slowakischen Hauptstadt Pressburg/Bratislava entfernt. Zigtausende Menschen tummeln sich auf dem Veranstaltungsgelände des SIAF und bestaunen ebenso interessante wie imposante Flugvorführungen. Doch in diesem Moment liegt über dem ganzen Areal eine deutlich spürbare Spannung in der Luft. Denn in wenigen Minuten wird sich ein historischer Moment in der Geschichte der Slowakei ereignen, eine Solidaritätsbekundung eines kleinen Landes, das selbst jahrzehntelang unter dem Einfluss von Sowjetrussland gelitten hat, mit der von Russland angegriffenen Ukraine: der letzte öffentliche Auftritt der MiG 29 der slowakischen Luftstreitkräfte (Vzdušné sily Slovenskej republiky), ehe die Flugzeuge der Ukraine übergeben werden.
War bei den vorangegangen Flugvorführungen in der ersten Reihe hinter der Absperrung durchaus noch der eine oder andere Platz zu ergattern, so sind die Zuschauerreihen nun fest geschlossen. Nicht einmal mehr eine Maus könnte einen Platz direkt an der "Flightline" ergattern.
Tausende Männer, Frauen und Kinder drängen sich gegen die Absperrgitter, ihre Köpfe nach Norden gerichtet. Dann kündigt der Sprecher die MiG 29 an. In der Ferne sind vier schwarze Punkte sowie die charakteristischen Rauchfahnen des Zweistrahlers sowjetischer Provenienz erkennbar. Und dann kommen sie endlich. Zu den Klängen von Vangelis' "Chariots Of Fire" überfliegen vier MiG 29 der slowakischen Luftwaffe ein letztes Mal den Platz. Zwei Maschinen brechen sodann schneidig aus der Formation aus und kehren zu ihrem Stützpunkt nach Sliac zurück.
Die verbliebenen zwei Jets fliegen ein etwa 15-minütiges Display, während der Sprecher die Geschichte der MiG 29 Revue passieren lässt. So manchem Besucher steigen die Tränen in die Augen, viele blicken nachdenklich gen Himmel. 29 Jahre lang, seit der Gründung des Staates im Jahr 1993, beschützten die MiG 29 und ihre Piloten das slowakische Volk.
"Viele Jahre lang haben die MiG 29 unseren Luftraum hervorragend geschützt. Insgesamt haben unsere Piloten mehr als 20.240 Einsatzstunden auf diesem Muster absolviert."
Der slowakische Verteidigungsminister Jaroslav Nad
Viele der Zuschauer haben selbst ihren Militärdienst abgeleistet und sind dabei mit den Maschinen in Berührung bekommen.
Nach einem letzten Low pass der Zweierformation dreht auch die dritte Maschine mit Kurs Sliac ab. Die letzte MiG 29 aber setzt nun zur vom Publikum schon sehnlichst erwarteten Landung in Malacky/Kuchyna an. Der Pilot fliegt eine weite Kurve und steuert dann zum Endanflug auf die Piste 19 an. Zur gleichen Zeit aktivieren am Boden zwei Fahrzeuge der Flughafenfeuerwehr ihre Wasserwerfer und bereiten sich auf den "Water salute" zum Abschied vor. Dann ist es soweit.
Butterweich setzt das Flugzeug mit der taktischen Nummer 0921 auf der Landebahn auf. Der Bremsschirm öffnet sich. Unter dem Jubel, dem Winken und dem Applaus tausender Airshow-Besucher, der Großteil von ihnen Slowaken, rollt die MiG 29AS Fulcrum auf den Taxiway ab und danach langsam in Richtung der bereitstehenden Flughafenfeuerwehr. Während des Rollens winkt der Pilot der emotional sichtlich bewegten Masse zu. Eine Gänsehautstimmung liegt in der Luft. Was wohl im Kopf des Mannes im Cockpit vorgeht? Man kann es nur erahnen, das Gesicht ist hinter der Sauerstoffmaske und dem schwarzen Visier seines Pilotenhelms verborgen. Einige Menschen salutieren dem Mann im Cockpit - und seiner Maschine. Dann erhält der Kampfjet den traditionellen Abschiedsgruß der Flughafenfeuerwehr, ehe er seine Parkposition erreicht. Stunden später wird die Maschine Malacky/Kuchyna ein letztes Mal verlassen und nach Sliac zurückkehren.
In wenigen Wochen schon wird die 0921 gemeinsam mit den zehn übrigen MiG 29, die zuletzt in den Diensten der Slowakei standen, an die ukrainische Luftwaffe übergeben. Dann werden ukrainische Piloten in der engen Kanzel sitzen und mit dem Mut der Verzweiflung gegen den übermächtigen Aggressor Russland kämpfen, um die Freiheit und die Souveränität des ukrainischen Volkes, und letzten Endes auch die Freiheit Europas, zu verteidigen, so wie sie es gemeinsam mit ihren Kameraden der Landstreitkräfte schon seit mehr als einem halben Jahr erfolgreich tun.
Mutige Slowakei, feiges Österreich
Der Schutz des slowakischen Luftraumes wird bis zum Eintreffen der bestellten F-16 im Jahr 2023 von den Kameraden der polnischen und der tschechischen Luftwaffe sichergestellt werden.
"Putin ist Hitler ebenbürtig. Er muss in der Ukraine gestoppt werden, ehe er weiter nach Westen vorrücken kann. Die Ukraine kämpft buchstäblich auch für unsere Zukunft"
Der slowakische Verteidigungsminister Jaroslav Nad im April gegenüber der "New York Times"
Und während Österreich sich feige und erbärmlich weiter hinter der Selbsttäuschung und Lebenslüge Neutralität (die noch nie in der Geschichte einen Aggressor von einem Angriff auf ein neutrales Land abgehalten hat, wie jeder weiß, der des Lesens mächtig ist und einen Blick in die Geschichtsbücher wirft) versteckt, um die Ukraine nur ja nicht aktiv mit militärischer Ausrüstung (beispielsweise mit Waffen und Munition oder ballistischen Schutzwesten für Soldaten) in ihrem berechtigten Selbstverteidigungskampf unterstützen zu müssen, zeigt unser Nachbar Slowakei (mit 5,5 Millionen Einwohnern deutlich kleiner als Österreich und außerdem viel näher an Russland gelegen), was mit etwas politischem Willen und Mut der politischen Entscheidungsträger (der den so genannten "Spitzenpolitikern" in Österreich leider offenkundig fehlt, hier wird ja schon jede seriöse Diskussion über die Lebenslüge Neutralität im Keim erstickt) möglich ist.
Österreich diskutiert über Schnitzelpreis, während in der Ukraine Menschen abgeschlachtet werden
Vielleicht liegen dieser Mut und diese Entschlossenheit des slowakischen Volkes sowie seiner demokratisch legitimierten Vertreter aber auch darin begründet, dass die Menschen in der Slowakei (und in Tschechien sowie Polen, beides Länder, die die Ukraine ebenfalls massiv unterstützen) nicht vergessen haben, wie es sich anfühlt von einem Aggressor namens (Sowjet-)Russland unterdrückt und fremdbestimmt zu werden. Etwas, von dem die wohlstandsverwöhnten (um nicht zu sagen wohlstandsverwahrlosten) Österreicher (und ihre Politiker) nicht die geringste Ahnung zu haben scheinen.
Denn während russische Truppen in der Ukraine tagtäglich schwerste Kriegsverbrechen begehen, regelmäßig zivile Einrichtungen in Grund und Boden bomben, ukrainische Frauen vergewaltigen und Kinder massakrieren, während ukrainische Infanterie von russischen Artilleriegranaten in Stücke zerfetzt wird, während ukrainische Piloten sich in alten kaum noch gewarteten Kampfjets heldenhaft einer vielfachen russischen Übermacht entgegen werfen, dreht sich die Diskussion in Österreich allen Ernstes unter anderem darum, dass das Schnitzel wegen des Ukraine-Krieges immer teurer wird ...
Ďakujem za odvahu, Slovensko, dovidenia MiG 29!
Text: HP