Reportagen

Reportage: Absturz einer Ju 52 bei Aussig an der Elbe kurz vor Kriegsende

SYMBOLBILD: Restaurierte Ju 52 in den Farben der deutschen Luftwaffe des Zweiten Weltkrieges. Die Maschine wird von Amicale Jean Baptiste Salis (AJBS) in Frankreich betrieben. Es handelt sich dabei um die letzte flugfähige Ju 52 Europas - Foto: Foto Kogo / GFDL

Im Jahr 1945 war der Zweite Weltkrieg für Deutschland längst verloren. Doch weil sich der Kriegsverbrecher und Diktator Adolf Hitler sowie die restliche kriminelle Nazi-Führung noch immer weigerten zu kapitulieren, ging das tägliche Sterben an allen Fronten ebenso weiter wie in den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nazis. Glück im Unglück hatte die Besatzung einer Junkers Ju 52/3m, die in der Nacht vom 6. auf den 7. April 1945 nahe dem nordböhmischen Aussig an der Elbe abstürzte. Wir erzählen die kaum bekannte Geschichte dieses Unfalls.

Die Anfang der 1930er Jahre entwickelte Junkers Ju 52/3m (ihr Konstrukteur, der Demokrat und Pazifist Hugo Junkers, wurde von den Nazi-Barbaren enteignet und schikaniert) bildete während des gesamten Zweiten Weltkrieges das Rückgrat der Transportverbände der deutschen Luftwaffe. Dieser Typ galt als zuverlässig und geradezu unverwüstlich. In der Nacht vom 6. auf den 7. April 1945 sollte eine Ju 52 Nachschub für die von der Roten Armee eingeschlossen deutschen Truppen nach Breslau fliegen. Das Flugzeug gehörte laut tschechischen Quellen zur 1. Staffel des Transportgeschwaders 3 der Luftwaffe. Dieser Verband war 1939 aufgestellt worden und unter anderem bei der Luftlandeoperation zur Einnahme Kretas sowie bei der Schlacht um Stalingrad im Einsatz. Ob die Maschine allerdings tatsächlich zu diesem Verband gehörte, ist zweifelhaft. Denn offiziell wurde das Geschwader bereits im Oktober 1944 aufgelöst.

Zu welcher Einheit das Flugzeug schlussendlich auch gehörte, dieser nächtliche Flug schien weitgehend ungefährliche Routine für die vierköpfige Besatzung zu sein.

Start kurz vor Mitternacht
Die Ju 52/3m mit der Werknummer 130935 und der taktischen Kennung 4V+KK startete gegen 23:50 Uhr im deutschen Buchenwald. An Bord des Flugzeugs befanden sich der Pilot Leutnant Barde, Bordtechniker/Hilfsflugzeugführer Feldwebel Baier, Funker Unteroffizier Tollfrank und der Obergefreite Trowe als Beobachter/Bordschütze, obwohl aufgrund der Flugstrecke und der Uhrzeit mit keinerlei Angriffen alliierter Jäger zu rechnen war. Die größte Gefahr für Besatzung und Flugzeug war allenfalls der am Zielort zu erwartende Beschuss durch die Rote Armee. Die Entfernung von Buchenwald nach Breslau beträgt rund 400 Kilometer, womit die Crew, je nach Windverhältnissen und Beladung, eine Flugzeit von 3 bis 4 Stunden plus Reserven kalkulieren musste. Doch es sollte ganz anders kommen.

Die militärisch genutzten Ju 52 der Luftwaffe verfügten im Krieg über einen Gefechtsstand auf dem Rumpfrücken, um feindliche Jagdflieger abzuwehren; in der Praxis war die Ju 52 jedoch chancenlos gegen solche Angriffe.

Absturz am Berg
Nach knapp 3 Stunden Flug, mittlerweile schrieb man den 7. April, 02:45 Uhr, befand sich die Maschine im nordböhmischen Luftraum über dem Erzgebirge bei Tellnitz (Tschechisch: Telnice), etwa neun Kilometer nordwestlich von Aussig an der Elbe (Tschechisch: Ústí nad Labem) als die Ju 52 plötzlich Bodenberührung hatte und einen Fichtenwald stürzte - wäre die Tante Ju nur um ein paar Dutzend Meter höher geflogen, hätte sie den Bergkamm problemlos passiert. Als Ursache für den Absturz nennt der tschechische Luftfahrthistoriker Pavel Krejčí einen "Ausfall der Navigationsgeräte".

(Fast) unverletzt überlebt
Doch die Männer an Bord der Tante Ju hatten Glück im Unglück: Nur der Pilot wurde verletzt, alle übrigen Insassen überstanden den Crash wie durch ein Wunder ohne gröbere Blessuren. Dieser erfreuliche Umstand war vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Ju im flachen Winkel aufschlug und der Aufprall zusätzlich durch Bäume gebremst wurde. Doch das Funkgerät war offenbar zerstört und so konnten die Überlebenden keinen Kontakt mit deutschen Stellen herstellen um eine Rettungsmannschaft anzufordern, was ansonsten grundsätzlich problemlos möglich gewesen wäre.

Die Absturzstelle rund 70 Jahre nach dem Unglück - Foto: Pavel Krejčí

Denn Tschechien war seit 1939 Deutschland besetzt und die Region, in der sich der Unfall ereignet hatte, gehörte zum Sudetenland. Dieser Teil Tschechiens war seit Jahrhunderten von Deutschen besiedelt sowie bis 1918 (damals wurde die Erste Tschechoslowakische Republik gegründet) Teil der österreichisch-ungarischen Donaumonarchie.

Fußmarsch vom Berg in die Stadt
Da also keine externe Hilfe zu erwarten war, begannen die Männer damit, wichtige Geräte, Instrumente, Karten und Dokumente aus dem Wrack zu entfernen und machen sich anschließend zu Fuß auf den Weg ins Tal und weiter nach Aussig, wo sie gegen 6 Uhr Früh eintrafen und den Unfall meldeten, wie der tschechische Autor Martin Veselý in seinem 2005 erschienenen Buch "Hvězdy nad Krušnohořím" (Deutsch: "Sterne über dem Erzgebirge") schreibt. Obwohl die Wehrmacht danach alle brauchbaren Teile der Maschine abtransportierte, fanden sich auch Jahrzehnte später noch Überreste des Flugzeuges an der Absturzstelle.

Teile der Auspuffanlage der BMW-Motoren der Ju 52 - Pavel Krejčí
Wrackstücke - Foto: Pavel Krejčí
Der Rest eines Sitzes - Foto: Pavel Krejčí

Ungewisses Schicksal
Rund einen Monat nach dem Crash später endete der Zweite Weltkrieg in Europa mit der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht. Ob die vierköpfige Besatzung der 4V+KK bis dahin überlebte, oder doch noch in den letzten Tagen der Kriegswirren ums Leben kam, ist leider ebenso wenig bekannt wie ihr weiteres Schicksal.

Austrian Wings dankt Herrn Pavel Krejčí für die Erlaubnis zur Verwendung der Bilder von der Absturzstelle.

Austrian Wings děkuje Letecký novinář panu Pavlu Krejčímu za svolení k použití fotografií z místa havárie.

(red CvD)