Reportagen

Vor 20 Jahren: Das Ende von Balkan Bulgarian Airlines

Mit der Boeing 767-200ER setzte Balkan ab 1992 westliches Gerät auf Langstreckenflügen ein - Foto: Paul Spijkers / GFDL

Nach 55 Jahren musste der bulgarische Flagcarrier Balkan Bulgarien Airlines im Jahr 2002 den Betrieb einstellen. Noch im gleichen Jahr wurde der neue Flagcarrier, Bulgaria Air aus der Taufe gehoben, die heuer ihr 20-jähriges Bestehen feiert.

Balkan Bulgarian Airlines wurde 1947 ins Leben gerufen und nahm am 29. Juni 1947 mit einem Flug von Sofia nach Burgas den Betrieb auf, damals allerdings noch unter dem Namen "DLV Direktion Luftverkehrsdienste".

Nur etwas mehr als einen Monat danach, am 2. August 1947, folgte Sofia-Warna. 10 Tage später hob Balkan Bulgarian erstmals zu einem internationalen Flug ab - das Ziel war das ungarische Budapest. Noch im gleichen Jahr wurde eine zweite Gesellschaft namens TABSO ins Leben gerufen, die mit Lisunow Li-2 den Betrieb aufnahm.

Li-2 der TABSO - Foto: Peter H. Feist / CC BY SA 4.0

Dabei handelte es sich um einen sowjetischen Lizenzbau der DC-3, allerdings bezahlte die Sowjetunion niemals die vereinbarten Lizenzgebühren. Mit Hilfe des "großen Bruders" Sowjetunion wurden Piloten und Techniker geschult. Inden 1950er Jahren flottete das Unternehmen die modernere IL-14 mit Bugfahrwerk ein.

IL-14, aufgenommen in Wien 1962 - Foto: Ralf Manteufel / GFDL 1.2

Neuer Name: Balkan Bulgarian Airlines
Auch ins Frachtgeschäft stiegen die bulgarischen Fluglinien ein. 1963 wurden dafür mehrere Antonov An-12 direkt aus der Sowjetunion beschafft. Fünf Jahre später erfolgte die offizielle Umbenennung in Balkan Bulgarian Air Transport, allerdings setzte sich dieser Name in der Öffentlichkeit niemals durch. Weltweit war das Unternehmen als Balkan Bulgarian Airlines oder der Kurzform Balkan Bulgarian bekannt. Für den Passagierverkehr war bereits 1962 die viermotorige Ilyushin IL-18 beschafft worden, mit der Langstreckenziele in Afrika und Südamerika angesteuert wurden.

Die viermotorige IL-18 war das erste richtige Langstreckenflugzeug von Balkan Bulgarian - Foto: Michel Gilliand / GFDL 1.2
Die AN-12 kam auf Frachtflügen zum Einsatz - Foto: JetPix / GFDL 1.2

Mit der Tu-154 auf der Langstrecke
1968 folgte mit der zweistrahligen Tu-134 der erste Jet, vier Jahre später stieß mit der dreistrahligen Tu-154 ein weiteres Muster zur Flotte. Während die Tu-134 ausschließlich im innereuropäischen Kurzstreckenverkehr operiert wurde, konnte die Tu-154 auch auf längeren Mittel- sowie kürzeren Langstreckenflügen eingesetzt werden.

Mit der Tu-134 stieg Balkan Bulgarian ins Jet-Zeitalter ein - Foto: Michael Gilliand / GFDL 1.2

Im Gegensatz zu anderen Airlines im Ostblock verzichtete Balkan Bulgarian auf den Kauf des Langstreckenjets IL-62 und nutzte stattdessen das Turbopropflugzeug IL-18 und die dreistrahlige Tu-154 für ihre Langstrecken. Die Tu-154 entwickelte sich zu DEM Arbeitstier der bulgarischen Fluggesellschaft und blieb bis Mitte der 1990er Jahre im Einsatz. Daneben wurden auch An-24 und Yak-40 genutzt.

Der Mittelstreckenjet Tu-154 wurde bei Balkan auch für Langstrecken genutzt und blieb bis in die 1990er Jahre in der Flotte - Foto: Ken Fielding / CC BY SA 3.0

Zusätzlich zu den Flächenflugzeugen betrieb die staatliche Balkan Bulgarian auch Hubschrauber (unter anderem Mil Mi-4 und Mil Mi-8), die einerseits für Inlandsflüge, andererseits aber auch für Sonderaufgaben im Auftrag der Regierung genutzt wurden. Unter anderem gehörten Agrarflüge (das Besprühen von Feldern mit Pflanzengift und Insektiziden) ebenfalls zur Aufgabe des Unternehmens, das sich beim Betrieb strikt an die im Kommunismus üblichen Fünfjahrespläne zu halten hatte.

Neben dem Linienverkehr war Balkan Bulgarian auch im Charterverkehr aktiv. Besonders während der Sommermonate waren hohe Passagierzahlen im Charterflugverkehr zu verzeichnen. Die touristischen Ziele an der Schwarzmeerküste wurden beispielsweise von allen größeren Verkehrsflughäfen der DDR aus angeflogen, dazu gehörten Flüge von den Flughäfen Berlin-Schönefeld, Dresden, Erfurt und Leipzig-Schkeuditz nach Burgas und Warna.

Auch Wien stand auf dem regulären Flugplan der Balkan Bulgarian Airlines und wie die meisten Airlines unterhielt die Gesellschaft lange Jahre auch ein Stadtbüro in Wien - es lag auf der Wienzeile vis a vis des Naschmarktes und wies auch den deutschen Schriftzug "Balkan - Bulgarische Fluglinien" auf. Dem Vernehmen nach soll so mancher dort tätige Airliner Zuträger oder aktiver Mitarbeiter des bulgarischen Geheimdienstes gewesen sein.

Fall des Eisernen Vorhanges
Mit der politischen Wende und dem Zusammenbruch des Kommunismus in Europa 1989 sah sich auch Balkan Bulgarian Airlines plötzlich mit einem völlig neuen Marktumfeld konfrontiert, zumal die Regierung der Airline die Subventionen strich. Die sowjetischen Tupolevs waren aufgrund ihrer hohen Betriebs- und Personalkosten nicht rentabel zu betreiben und so entschied sich das Unternehmen, möglichst rasch auf westliches Fluggerät umzusteigen.

1990 flottete Balkan ihre erste Boeing 737, ein Modell der Baureihe -500, ein - Foto: Miche Billiand / GFDL 1.2

Boeings und Airbusse
Bereits 1990 wurden drei Boeing 737-500 eingeflottet, 1991 folgte der erste Airbus A320, 1992 stießen zwei weitere A320 zur Flotte.

Der erste A320 folgte kurz nach der ersten 737 - Foto: Tim Rees / GFDL 1.2

Für Langstrecken beschaffte Balkan Bulgarian noch im gleichen Jahr zwei Boeing 767-200ER, während man den Bestand der Tu-154 sukzessive verringerte und die alten sowjetischen Spritfresser vornehmlich auf Flügen nach Osteuropa und im Charterverkehr einsetzte. Den zahlungskräftigen westeuropäischen Linienpassagieren wollte man moderne westliche Jets bieten.

Ab 1992 ging es mit der 767-200ER auf die Langstrecke - Foto: Paul Spijkers / GFDL

Doch die wirtschaftliche Situation blieb angespannt. Der Einstieg eines israelischen Konsortiums Mitte der 1990er Jahre schien vielversprechend, doch weil nun jüdische Geschäftsleute als Geldgeber fungierten, musste die Airline einen Großteil ihrer Flüge in den arabischen Raum wegen des dort herrschenden politischen Antisemitismus aufgeben, wodurch wichtige Einnahmen verloren gingen.

Das letzte Aufbäumen
Ab 1999 wurde ein Teil der 737-500 durch die größere Boeing 737-300 ersetzt, auch moderne Turboprops vom Typ ATR 42 beschaffte sich die Airline. Doch am Ende half der Modernisierungskurs nicht und Balkan Bulgarian musste im Oktober 2002 schließlich Insolvenz anmelden.

Der Nachfolger
Um nicht ohne nationale Fluglinie dazustehen, gründete Bulgarien bereits im November 2002 die Nachfolgegesellschaft Bulgaria Air, die im Dezember des gleichen Jahres den Flugbetrieb aufnahm und den offiziellen Status als bulgarischer Flagcarrier erhielt. Seit 2007 befinden sich die drei bulgarischen Gesellschaften Bulgaria Air, Hemus Air und Viaggio Air endgültig im Besitz der Hemus Air und damit der Balkan Hemus Group mit gemeinsamer Führung. Seit September 2007 trugen alle Flugnummern der Flüge von Bulgaria Air, Hemus Air und Viaggio Air den IATA-Code FB der Bulgaria Air. Im Zuge der Vereinheitlichung sind seit Anfang 2009 die beiden Markennamen Hemus Air und Viaggio Air komplett verschwunden. Die Marke Bulgaria Air bleibt damit als einzige der drei erhalten. Bulgaria Air bündelt damit die Flugziele, Flugzeuge sowie Flugstrecken aller drei Gesellschaften in sich.

Die Flotte von Bulgaria Air besteht aus 2 Airbus A319, fünf Airbus A320 sowie 4 Embraer E190. Langstreckenflüge werden vom neuen bulgarischen Flagcarrier nicht angeboten.

Text: NG