Den extremen Belastungen durch Corona-Krise und Jahrhunderthochwasser folgte ein extremes Aufkommen an Notfalleinsätzen: Noch nie seit Bestehen der ADAC Luftrettung mussten die Crews der gemeinnützigen Rettungsdienstorganisation so häufig ausrücken wie 2022. Mit 55.675 Alarmierungen verzeichneten die ADAC Rettungshubschrauber ein Plus von fast sieben Prozent oder 3441 Einsätzen gegenüber dem Vorjahr (52.234). Pro Tag hoben die fliegenden Gelben Engel damit im Durchschnitt zu rund 153 Notfällen ab. Die ADAC Luftrettung gGmbH gehört mit 37 Stationen zu den größten Luftrettungsorganisationen Europas. Für Spezialeinsätze sind sechs Stationen mit einer Rettungswinde und sechs mit Nachtflugsystemen ausgestattet.
Als Grund für die Rekordzahlen sieht die ADAC Luftrettung zum einen die steigende Mobilität nach Ende der Coronaeinschränkungen sowie die wachsende Bedeutung von Flügen in der Dämmerung und Spezialeinsätzen mit Rettungswinde. Zum anderen auch regionale Überlastungen des bodengebundenen Rettungsdienstes sowie einen weit verbreiteten Notarztmangel. In vielen Regionen ist der Rettungshubschrauber bei einem Notfall häufig das einzig verfügbare Rettungsmittel.
„Wir haben eindrucksvoll gezeigt, dass sich der öffentlich-rechtliche Rettungsdienst auch in schwierigen Zeiten auf unsere Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit verlassen kann“, sagte der Geschäftsführer der ADAC Luftrettung Frédéric Bruder bei der Vorstellung der Jahresbilanz 2022. „Mehr als 55.000 Einsätze unter Einhaltung maximaler Patienten- und Flugsicherheit sind nur durch große Erfahrung und ein außergewöhnliches Engagement der Crews möglich“, betonte er im Rahmen der Landespressekonferenz Baden-Württemberg im Stuttgarter Landtag.
Einsatzgründe
Einsatzgrund Nummer eins waren bei den oft lebensrettenden Einsätzen mit 30 Prozent Verletzungen nach Unfällen. Dazu gehören Freizeit-, Sport-, Arbeits-, Schul- und Verkehrsunfälle. Dahinter folgen mit 28 Prozent Notfälle des Herz-Kreislauf-Systems wie Herzinfarkte und Herzrhythmusstörungen. In 14 Prozent der Fälle diagnostizierten die Lebensretter aus der Luft neurologische Notfälle wie zum Beispiel einen Schlaganfall. Bei acht Prozent war ein Notfall des Atmungssystems wie akute Atemnot oder Asthma die Ursache. Bei fast jedem zehnten Patienten handelte es sich um Kinder oder Jugendliche.
Einsatzorte und Einsatzstatistik
Die meisten Einsatzorte lagen 2022 in Bayern mit 13.423 (Vorjahr 12.179), hier befinden sich auch die meisten Stationen. Dahinter folgen Rheinland-Pfalz mit 9313 (9129), Nordrhein-Westfalen mit 6503 (5509) und Niedersachsen mit 5903 (5313). Unter den 37 Stationen liegt in der Einsatzstatistik erstmals Koblenz vorne. „Christoph 23“ startete von dort zu 2192 Notfällen und gehört damit zusammen mit „Christoph 10“ in Wittlich mit 2082 Einsätzen, „Christoph 18“ in Ochsenfurt mit 2015 Einsätzen und „Christoph 31“ in Berlin mit 2005 Einsätzen zu den vier ADAC Rettungshubschraubern mit den meisten Alarmierungen in Deutschland.
Windeneinsätze, Windensofortbereitschaft und Nachtflüge
Die Bedeutung von Windenrettungen hat auch 2022 weiter zugenommen. Die bestehenden Windenstationen in München, Murnau, Straubing (alle Bayern) und Sande in Niedersachsen sowie die neu mit einer Rettungswinde ausgestatteten Stationen in Imsweiler in Rheinland-Pfalz sowie in Hamburg verzeichneten 377 Windeneinsätze – das sind rund drei Prozent mehr als im Vorjahr. Um mit der Winde noch schneller beim Patienten zu sein, hat die ADAC Luftrettung 2022 als erste Organisation in Deutschland eine Winden-Sofortbereitschaft eingeführt. Dadurch können die Crews ohne Umrüstung der Kabine und Zwischenlandung direkt nach der Alarmierung zu Windeneinsätzen fliegen und haben so im Notfall bis zu zehn Minuten Zeitersparnis. Erstmals erfolgreich in der Praxis umgesetzt hatten die Luftretter das neue Konzept bei der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal.
Flüge in der Dämmerung und Dunkelheit wurden insgesamt 3276 absolviert. Ein Plus von rund 23 Prozent (Vorjahr 2658). Darunter waren auch hochanspruchsvolle Notfalleinsätze in der Nacht mit Landung auf unbeleuchteten Plätzen. Möglich sind diese unter anderem durch spezielle Nachtsichtbrillen als Teil eines hochmodernen „Night-Vision-Imaging-Systems“, kurz NVIS genannt. Solche Einsätze fliegen die Crews in Greven und Köln (beide Nordrhein-Westfalen), Senftenberg in Brandenburg, Sande in Niedersachsen, Mainz in Rheinland-Pfalz und Ulm in Baden-Württemberg.
Nachhaltigkeit, CO2-Fußabdruck und Innovationen
Baden-Württemberg ist zudem Standort von zwei Forschungs- und Innovationsprojekten zur Verbesserung der Notfallversorgung: So kooperieren ADAC Luftrettung und der DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg - Hessen im Pilotprojekt MediCargo bei der Entwicklung einer Drohnenlogistik für den Transport von Blut, Blutproben, Medikamenten und Gewebeproben. Der Startschuss für den Transport von Blutproben per Drohne im täglichen Krankenhausbetrieb ist für den Sommer 2023 im Rahmen eines Probetriebs am Universitätsklinikum Ulm geplant.
Als weltweit erste Organisation positioniert sich die ADAC Luftrettung zudem, um den Betrieb von elektrisch angetriebenen Multikoptern für den Transport von Notärzten zu testen. Mit dem Hersteller Volocopter aus Bruchsal ist noch in diesem Jahr der erste öffentliche Probeflug für die Luftrettung mit einem „VoloCity“ am Flughafen Lahr geplant. Ein Multikopter dieses Typs soll 2024 im Rahmen von operativen Tests in Bayern und Rheinland-Pfalz in den Realbetrieb gehen.
Um Nachhaltigkeit und die Reduzierung von CO2 geht es außerdem an zwei Stationen in Nordrhein-Westfalen. Der Flughafen Köln/Bonn ist mit „Christoph Rheinland“ Standort des ersten Forschungsprojektes zum Einsatz von umweltfreundlichem Biokerosin in der Luftrettung. Ein zweites Projekt mit Biokraftstoffgemisch aus erneuerbaren Abfällen und Reststoffen wurde zudem mit „Christoph Europa 1“ in Aachen/Würselen gestartet. Ergebnisse zum dauerhaften Einsatz von nachhaltigen Flugkraftstoffen erhofft sich die ADAC Luftrettung schon Ende 2024. Mit ihrem Engagement in diesem Bereich will die gemeinnützige Organisation Vorreiter bei der Verringerung des CO2-Fußabdrucks in der Luftrettung sein und ihren Beitrag leisten, um die Klimaschutzziele in Deutschland und Europa zu erreichen.
Um die notfallmedizinische Versorgung aus der Luft in Deutschland sicherzustellen, arbeiten für die ADAC Luftrettung gGmbH und deren Tochterunternehmen bundesweit fast 1300 Menschen – darunter rund 170 Piloten und Pilotinnen, etwa 600 Notärzte und Notärztinnen, 250 Notfallsanitäter und Notfallsanitäterinnen (TC HEMS) und 130 Techniker und Technikerinnen. In der Regel besteht das Team einer Station aus drei Piloten, fünf Notfallsanitätern und 15 Notärzten. Die Station „Christophorus Europa 3“ in Suben, Österreich, wird gemeinsam mit dem ÖAMTC Christophorus Flugrettungsverein, Wien, betrieben. Die ADAC Luftrettung fliegt mit Hubschrauber und Piloten hier im Winterhalbjahr – im Sommer der ÖAMTC.
Über die ADAC Luftrettung gGmbH
Mit mehr als 50 Rettungshubschraubern und 37 Stationen ist die gemeinnützige ADAC Luftrettung eine der größten Luftrettungsorganisationen Europas mit bis heute mehr als 1,2 Millionen Einsätzen. Die ADAC Rettungshubschrauber gehören zum deutschen Rettungsdienstsystem, werden immer über die Notrufnummer 112 bei der Leitstelle angefordert und sind im Notfall für jeden Verunglückten oder Erkrankten zur Stelle. „Gegen die Zeit und für das Leben“ lautet der Leitsatz der ADAC Luftrettung gGmbH. Denn gerade bei schweren Verletzungen oder Erkrankungen gilt: Je schneller der Patient in eine geeignete Klinik transportiert oder vor Ort vom Notarzt versorgt wird, desto besser sind seine Überlebenschancen bzw. seine Rekonvaleszenz. Die Crews der ADAC Luftrettung werden trainiert von der ADAC HEMS Academy GmbH. Die Wartung und technische Bereitstellung erfolgt über die ADAC Heliservice GmbH. Die ADAC Luftrettung ist ein Tochterunternehmen der ADAC Stiftung.
(red / ADAC Luftrettung)