Die italienische Luftwaffe feiert dieses Jahr ihren 100. Geburtstag. Auf der Basis Pratica di Mare bei Rom, Europas zweitgrößtem Militärflugplatz nach Ramstein, fand am 17. und 18. Juni eine zentrale Großveranstaltung statt. Sie bot neben zahlreichen Bodenexponaten eine große Flugschau von allen wichtigen Mustern, die die Aeronautica Militare jemals flog – angefangen vom hölzernen Doppeldecker Caproni CA-3 über die Spad, die Spitfire, den zweimotorigen US-Jäger P-38 bis zu Jets wie F-86, G-91, Tornado und F-35. „Wir haben für unser Jubiläum bewusst nur Luftwaffenflugzeuge ausgewählt“, berichtet Generalmajor a.D. Salvatore Gagliano, ex-Informationschef der Luftwaffe. „Muster der italienischen Marine oder des Heeres sind nicht dabei“, fügt er augenzwinkernd hinzu. Übertriebene Sorgen über eine Konkurrenz der anderen Teilstreitkräfte sind nicht nötig: Die etwa 40.000 Soldaten umfassende Aeronautica Militare genießt in der Öffentlichkeit ein hohes Ansehen und bietet Anwärtern mit modernstem Gerät attraktive Karrierechancen.
Unter den vielen Flugzeugmustern stach am Festwochenende ein rabenschwarz lackiertes Modell mit Jubiläums-Logo am Heck besonders hervor: eine TF-104 G-M, die doppelsitzige Version des legendären Lockheed F-104 Starfighter.
Die „bemannte Rakete“ mit den Stummelflügeln entstand in den frühen 1950er Jahren als Höhenjäger für die US Air Force und Antwort auf die russische MiG-21. Bald darauf wurde der Mach-2-taugliche Jet mit den spektakulären Flugleistungen (er erzielte gleichzeitig Weltrekordrekorde über Geschwindigkeit, maximale Flughöhe - 31.513 Meter - und maximale Steigrate) zum ersten europäischen Rüstungsprojekt nach dem 2. Weltkrieg. Unter den vielen Betreibernationen befand sich auch Italien mit 360 teils in Lizenz gebauten Maschinen. Die Aeronautica Militare stellte als letzte Nation ihre Starfighter im Jahre 2004 außer Dienst.
Der einstrahlige Jet war wegen zahlreicher Abstürze in der Öffentlichkeit hoch umstritten. Allein in der Bundesrepublik verunglückte ein Drittel der 916 beschafften F-104, 116 Piloten kamen dabei ums Leben. Als einzige Nation hatte Spanien keine tödlichen Unfälle zu beklagen. Dies mag daran liegen, dass die dortige Luftwaffe die F-104 in ihrer ursprünglichen Rolle als Höhenjäger und nicht im Tiefflug als Jagdbomber betrieb wie die übrigen Nutzer. Trotz der hohen Unfallraten genoss die F-104 bei ihren Piloten stets einen legendären Ruf. Es galt als Auszeichnung, den schnittigen Kult-Jet zu fliegen.
Fast genau 19 Jahre nach seinem letzten Flug von italienischem Boden hatte die Aeronautica Militare einen Starfighter mitsamt Crew, Wartungspersonal und Ersatzteilen an Bord einer Hercules C-130J aus den USA einfliegen lassen. Der Ort der diesjährigen Airshow, die Luftwaffenbasis Pratica die Mare südlich von Rom, schien perfekt gewählt: Hier hatte eine italienische F-104 am 30 Mai 2004 den finalen Einsatzflug der Luftwaffe gemacht.
„Der schwarze Starfighter mit dem Spitznamen Black Beauty gehört der US-Firma Starfighters Aerospace in Florida“, erklärt Generalmajor Gagliano. „Es ist ein Lizenzbau von FIAT Aviazione aus dem Jahre 1969.“ Der Doppelsitzer mit dem zivilen Kennzeichen N9991SF flog die meiste Zeit auf der Luftwaffenbasis Grosseto in der Toskana. 2011 erwarb Starfighters Aerospace das Flugzeug mit drei weiteren italienischen F-104 für seinen Flugbetrieb am Kennedy Space Center. Die Starfighter fliegen dort zu Forschungszwecken der Luft- und Raumfahrt, zum Pilotentraining, zur Gegnersimulation im Luftkampf oder als Startplattform für kleine Satelliten.
„Black Beauty“ landete mit dem Hercules-Transporter zunächst in Grosseto, wo sie zusammengesetzt und flugklar gemacht wurde. Flugbetriebsleiter Piercarlo „Capone" Ciacchi von Starfighters Aerospace, ein früherer Starfighterpilot der italienischen Luftwaffe mit jahrelanger Erfahrung bei den Frecce Tricolori, flog den Jet anschließend nach Pratica di Mare.
Am Freitag vor der öffentlichen Airshow war die Luftwaffenbasis für Militärangehörige und ihre Familien und Freunde geöffnet. Am Boden gab es eine historische Ausstellung mit Luftfahrzeugen, Fahrzeugen und Alltagszenen mit Darstellern in historischen Kostümen, die an Flugzeugen schraubten, im Feldlazarett Verbände anlegten oder in voller Fliegermontur auf den Einsatz wartend Karten spielten. Über den Köpfen donnerten die Jets, brummten Props und Hubschrauber den ganzen Tag über – ein Fest der Sinne.
Starfighter führte zu Begeisterungsstürmen
Als Piercarlo Ciacchi den Schubhebel seiner F-104 auf der Startbahn ganz nach vorn schob und das legendäre J-79-Triebwerk aufheulte, waren die Zuschauer vor Begeisterung nicht zu halten. Viele frühere Starfighterpiloten der italienischen Luftwaffe – viele davon noch im aktiven Dienst – verfolgten gebannt und sichtlich ergriffen die Vorführung „ihres“ Flugzeuges. Der eine oder andere Zuschauer musste sich eine Träne aus den Augen wischen. Was folgte, war ein absoluter Leckerbissen: eine Formation aus F-35, F-16, F-104, Eurofighter und F-86 – Jets von der ersten bis zur fünften Generation, die unterschiedlicher nicht sein konnten und nun vereint mit großem Lärm an den Zuschauern vorbeiflogen. Die kleine F-86 hatte offensichtlich keine Mühe mitzuhalten, auch der viel schnellere Starfighter (übliche Reisegeschwindigkeit im Tiefflug: 450 Knoten) blieb locker in der Formation. Seine Stummelflügel erlaubten allerdings keine allzu engen Kurven, weshalb die ungewöhnliche Formation in weitem Bogen um den Platz flog und mehrfach eng aneinander gereiht an den begeisterten Zuschauern vorbei raste. Anschließend bot jeder Jet Solo-Einlagen.
Der Jubel kannte keine Grenzen, als die denkwürdige Fliegerschar gelandet war und langsam zum Abstellplatz rollte. Starfighterpilot Piercarlo Ciacchi kletterte unter dem Beifall der Anwesenden strahlend aus dem Cockpit und winkte in die Kameras. Dann wandte er sich wieder seiner Wartungscrew und dem Flugzeug zu, um es für den Folgetag bereit zu machen.
Weitere Fotoimpressionen
Text: Rolf Stünkel