Punktlandung

Kommentar aus aktuellem Anlass: Absturz im Nebel - der Tod des iranischen Präsidenten

Pilot am Steuer eines Bell 204 (Vorgängermodell des Bell 212, Symbolbild) - Foto: Austrian Wings Media Crew

Gemeinsam mit dem iranischen Außenminister und sieben weiteren Insassen starb der iranische Präsident Ebrahim Raisi bei einem Hubschrauberabsturz im Iran. Es ist ein Unfall wie aus dem Lehrbuch dafür, wie gutes Airmanship NICHT geht. Eine Punktlandung aus aktuellem Anlass.

Gemeinsam mit 8 weiteren Personen (inkl. der Piloten), darunter der Imam von Juma Tabriz, der iranische Außenminister und der Gouverneur der Region Ost-Aserbaidschan, befand sich der iranische Staatspräsident gestern auf dem Rückflug von einem Termin in Ost-Aserbaidschan. Für seine Reise nutzte er einen von zwei von der iranischen Luftwaffe betriebenen Bell 212. Dabei handelt es sich um einen als zuverlässig geltenden zweiturbinigen Helikopter, der weltweit im zivilen und militärischen Bereich eingesetzt wird. Beim Start entsprachen die Wetterbedingungen noch jenen, die für einen Flug nach Sichtflugregeln (VFR) erforderlich sind. Das kann man auf Videoaufnahmen im iranischen Staatsfernsehen erkennen.

Doch auf der Flugstrecke verschlechterte sich das Wetter zunehmend, tiefhängende Wolken und Nebel zogen auf. So ist es auf Fotos aus dem Iran zu sehen. Obwohl die Fortsetzung des Fluges unter diesen Umständen unter dem Aspekt der Sicherheit nicht mehr zu verantworten war, führten die Piloten keine Ausweichlandung durch. Dabei ist es bei Drehflüglern, anders als bei Flächenflugzeugen, sogar besonders einfach, eine solche Sicherheitslandung vorzunehmen. Eine halbwegs ebene Fläche, egal ob Wiese oder Asphalt, von wenigen Quadratmetern reicht völlig. Man kann mit einem Helikopter so gut wie überall landen, wenn es erforderlich wird. Ein großes Sicherheitsplus gegenüber Flächenflugzeugen, das allerdings nur dann etwas bringt, wenn man es auch (rechtzeitig) nutzt.

Allerdings wäre es voreilig, den Piloten die alleinige Schuld für das Unterlassen einer außerplanmäßigen Landung  zu geben. Es kam schon in der Vergangenheit - wie etwa beim Absturz der polnischen Regierungsmaschine 2010 in Russland - vor, dass die Crew von hohen Militärs oder Politikern unter Druck gesetzt wurde, die Mission sprichwörtlich "um jeden Preis" zu erfüllen - mit schließlich tödlichem Ausgang. Die Islamische Republik Iran ist ein autoritär regierter Terrorstaat, in dem Menschen schon wegen geringster Vergehen in Folterkellern verschwinden oder hingerichtet werden. Es ist fraglich, inwieweit in einem solchen Umfeld überhaupt eine hohe Sicherheitskultur im Flugbetrieb vorhanden sein kann.

Auch der Flug des iranischen Präsidenten endete bekanntermaßen tödlich. Der Hubschrauber kollidierte im Reiseflug mit Gelände, explodierte und brannte völlig aus. Es ist die Lehrbuchdefinition eines sogenannten Controlled Flight into Terrain Unfalles, in der Fachsprache kurz CFIT genannt. Das bedeutet nichts anderes, als dass ein voll funktionsfähiges Luftfahrzeug mit ebenso voll handlungsfähigen Piloten mit dem Gelände kollidiert. Meist geschieht dies bei schlechten Wetter- oder Sichtverhältnissen.

Das Wetter im Iran war zum Unfallzeitpunkt sogar so schlecht, dass eine Suchaktion aus der Luft unmöglich war. Erst heute in den frühen Morgenstunden wurde das Wrack mit den Leichen entdeckt.

Ob womöglich zusätzlich während des Fluges technische Probleme aufgetreten sind, müssen die iranischen Unfallermittler erklären. Alleine ursächlich waren sie jedoch mit Sicherheit nicht. Das dürfte die, aus welchen Gründen auch immer getroffene, verhängnisvolle Entscheidung der Piloten gewesen sein, im Sichtflug in Wetter, das Instrumentenflugbedingungen (IMC) entsprach, weiterzufliegen. Das kostete am Ende des Tages 9 Menschen das Leben und wäre so leicht vermeidbar gewesen.

Text: Patrick Huber, www.der-rasende-reporter.info

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.