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AUA-Hagelvorfall: Kommandant wohl nicht im Cockpit

Symbolbild Flugkapitän - Foto: Austrian Wings Media Crew

Wie Austrian Wings bereits am Mittwoch erfuhr, war der Kommandant unmittelbar vor dem Hagelvorfall der OE-LBM offenbar nicht im Cockpit - und die F/O hatte angeblich erst 100 Stunden Erfahrung auf dem A320. Einen Tag später, am 15. Juni, dementierte die AUA dies. Die AUA-Krisenkommunikation in dieser Causa ist einmal mehr völlig dilettantisch und unprofessionell.

Austrian Wings Leser kennen die Vorgeschichte: Am 9. Juni 2024 geriet der AUA-Flug OS434, durchgeführt vom Airbus A320, OE-LBM, während des Sinkfluges auf Wien über der Steiermark in einen Hagelsturm und wurde schwer beschädigt. Die AUA-Pressestelle gab zunächst an, dass die Crew die Schwere des Unwetters auf dem Wetterradar nicht erkannt habe. Eine durchaus plausible Erklärung, denn es kam und kommt immer wieder vor, dass die Anzeigen auf dem Wetterradar im Cockpit das tatsächliche Wettergeschehen nicht 1:1 abbilden. Die Letztentscheidung über die Wahl der Flugroute liegt bei den Piloten im Cockpit, die Fluglotsen am Boden sind nicht dafür verantwortlich, Luftfahrzeugführer aktiv um Unwetter herumzuführen, wie auch die Austro Control mehrfach offiziell bestätigt hat.

Die große Frage lautet nun: Warum entschied die Crew sich für den Flugweg, der sie ins Hagelunwetter hineinführte, das nach Aussagen der Piloten, die von der AUA offiziell kommuniziert wurden, auf dem Wetterradar nicht zu erkennen war. Schwer vorstellbar, dass ein erfahrener Kommandant und ein Erster Offizier - die Piloten der AUA gehören zu den besten der Branche - sich derart verschätzt haben. Und vorsätzlich würde ohnedies kein professioneller Pilot in ein Unwetter hineinfliegen.

Kommandant in kritischer Phase nicht im Cockpit
Die Antwort auf diese Frage könnte in unglücklichen Umständen liegen, die der Autor dieser Zeilen erstmals am Mittwoch zu hören bekam und seither über interne Quellen bei Austrian Airlines verifizierte. Die Pressestelle verhielt sich in dieser Causa übrigens derart dilettantisch, dass man meinen musste, ein Praktikant verantworte die Krisenkommunikation. Nach den mir seit Mittwoch vorliegenden Informationen befand sich der sehr erfahrene Kommandant (mehrere tausend Flugstunden Erfahrung) zu jenem Zeitpunkt, zu dem OS434 den Sinkflug in den Hagelsturm durchführte, nämlich nicht im Cockpit, sondern absolvierte gerade einen Toilettengang. Auf dem rechten Sitz soll eine junger noch relativ unerfahrene Erster Offizierin mit gerade einmal rund 100 Stunden Erfahrung auf dem A320 gesessen sein und den Sinkflug eingeleitet haben. Diese Information wurde von mehreren Seiten aus AUA-Kreisen an mich herangetragen.

Mit meinen Recherchen konfrontiert, gab es seitens der AUA-Pressestelle weder eine Bestätigung noch ein Dementi. Stattdessen übermittelte man eine Antwort auf eine Frage, die überhaupt nicht gestellt worden war - aufgrund dieses Dilettantismus war klar, dass meine Rechercheergebnisse korrekt waren und sich der Kapitän in dieser kritischen Flugphase tatsächlich nicht im Cockpit befunden haben dürfte. Zur Flugstundenanzahl der Besatzung, insbesondere der Ersten Offizierin, machte die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der AUA ebenfalls keine Angaben. Erst einen Tag später, am 15. Juni 2024, dementierte die AUA -Pressestelle diese Angabe, allerdings nannte sie keine genaue Zahl, sondern verwendete den Terminus "sehr erfahren". Das kann man glauben oder auch nicht.

Grundsätzlich ist es nicht ungewöhnlich und auch nicht verboten, dass einer der Piloten das Cockpit kurz für einen Toilettenbesuch verlässt. Offen bleibt jedoch, warum in einer herausfordernden Wettersituation eine junge Erste Offizierin in der Sinkflugphase allein im Cockpit war und ob bei Anwesenheit des Kommandanten ein anderer Kurs geflogen worden wäre. Und es muss auch festgehalten werden, dass jeder Erste Offizier vor dem Gesetz ein voll qualifizierter Verkehrsluftfahrzeugführer ist, der imstande ist, das Flugzeug genau so zu fliegen wie der Kommandant. Es liegt allerdings in der Natur der Sache, dass ein Berufsanfänger mit wenig Erfahrung überhaupt nicht die Routine eines erfahrenen Fliegers, der seit 10, 20 oder 30 Jahren im Dienst ist und zusätzlich die Kommandantenschulung absolviert hat, haben kann.

Seitens der AUA wurden beide Piloten vom Dienst freigestellt und werden gegebenenfalls einer Nachschulung unterzogen. Dies ist ein Beleg für die hohe Sicherheitskultur bei Austrian Airlines, in der es auch darum geht, aus Fehlern zu lernen und die Fliegerei noch sicherer zu machen. Bei manchem Billigflieger herrscht dagegen die Mentalität vor, Piloten nach Fehlern (die immer passieren können) einfach zu feuern - das wiederum führt dazu, dass Piloten ihre Fehler nicht melden bzw. aktiv vertuschen, was langfristig zu einer Gefährdung der Flugsicherheit führen kann. Festgehalten werden muss allerdings an dieser Stelle, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt nicht bekannt ist, ob ein Fehlerverhalten eines oder beider Piloten vorliegt. Die entsprechende Beurteilung obliegt der Kommission, die den Vorfall behördlich untersucht (siehe nächster Absatz) sowie der internen AUA-Untersuchungskommission. Beide Ermittlungen sind noch im Laufen und nicht abgeschlossen und folglich ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zulässig, der Cockpitbesatzung von Flug OS434 in irgendeiner Form Fehlverhalten zu unterstellen.

Im konkreten Fall hat die Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes, kurz SUB, bereits eine Untersuchung nach EU-Verordnung Verordnung (EU) Nr. 996/2010 eingeleitet, zu der sie gesetzlich verpflichtet ist. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wollte man sich zum Stand der Ermittlungen nicht äußern.

Text: Patrick Huber, www.der-rasende-reporter.info
Mitarbeit für Update: TM, JA