Am 9. Juni 2024 flog ein AUA-Airbus A320 (OS434, durchgeführt von der OE-LBM) im Sinkflug in ein Hagelunwetter ein und wurde schwer beschädigt. Die Cockpitfenster wurden zertrümmert, Rumpf, Tragflächen und Triebwerksverkleidungen erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Die Piloten erklärten eine Luftnotlage und konnten sicher in Schwechat landen, wie aus der Chronologie der Ereignisse hervorgeht. Die AUA leitete sofort eine interne Untersuchung ein und auch die in Österreich zuständige Behörde, die Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes, kurz SUB, untersucht den gefährlichen Zwischenfall nach eigenen Angaben. Am 13. Juni stellte ich eine Anfrage zu dieser Untersuchung, die von einem Pressesprecher noch am gleichen Tag (DANKESCHÖN dafür) mit der Bestätigung der Einleitung einer Untersuchung beantwortet wurde. Weitere Angaben wollte man zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber nicht machen. Auf meine Nachfrage, ob damit die gesetzlich verpflichtende Untersuchung gemäß EU-Verordnung Nr. 996/2010 gemeint sei, antwortete der Sprecher, dass dies korrekt sei.
Aus der "schweren Störung" wurde plötzlich nur noch eine "Störung"
Heute, am 17. Juni, also vier Tage später, ruderte der Sprecher plötzlich zurück. In einem E-Mail heißt es: "Ich möchte darauf hinweisen, dass es sich im gegenständlichen Vorfall nicht um einen Unfall oder eine schwere Störung, sondern lediglich um eine Störung handelt und entsprechend die Angaben richtig stellen. Daher ist eine Untersuchung nach der Verordnung (EU) Nr. 996/2010 nicht verpflichtend."
Die Aussage wirft mehrere Fragen auf, denn es gab im Vorfeld innerhalb der AUA bereits Gerüchte, wonach die SUB den Vorfall gar nicht untersuchen wollte und dies jetzt nur aufgrund des öffentlichen Drucks tue. Mit der nun plötzlich behaupteten Verantwortung, dass man gar nicht verpflichtet sei, sondern dies nur "freiwillig" mache, lässt man sich außerdem jederzeit eine potentielle Hintertüre offen.
Untersuchung gemäß EU-Verordnung verpflichtend
Dabei ist die EU-Verordnung Nr. 996/2010 diesbezüglich unmissverständlich. Unter Artikel 2, Punkt 16 ist als Definition einer "schweren Störung" Folgendes nachzulesen: "(...) eine Störung, deren Umstände darauf hindeuten, dass eine hohe Unfallwahrscheinlichkeit bestand, die mit dem Betrieb eines Luftfahrzeugs verbunden ist (,..)"
Im Anhang der gegenständlichen EU-Verordnung findet sich eine Liste mit Beispielen für eine "schwere Störung", unter anderem: "Schäden an der Luftfahrzeugzelle oder am Triebwerk (...)"
Der Hagelvorfall von Flug OS434 am 9. Juni erfüllt damit lehrbuchmäßig die Definition für eine "schwere Störung", denn es gab erhebliche "Schäden an der Luftfahrzeugzelle", etwa völlig zertrümmerte Cockpitfenster, ein abgerissene Bugverkleidung, schwere Schäden an der Triebwerksaufhängung und erhebliche Hagelschäden an den Tragflächen, den Vorflügeln, etc ...
Die Unfallgefahr aufgrund des unbeabsichtigten und für die Piloten nach deren Angabe "überraschenden und nicht vorhersehbaren" Einfliegens in das Hagelunwetter war zweifelsohne gegeben, denn es bestand die Gefahr, dass die Hagelkörner die Cockpitscheibe komplett zerschmettern hätten können (zwar sehr unwahrscheinlich aber nicht völlig ausgeschlossen), was zu einem rapiden Druckverlust und möglicherweise schwer verletzten oder getöteten Piloten führen hätte können. Auch bestand die reale Gefahr, dass die Triebwerke beschädigt werden und in der Folge ausfallen.
Wie die SUB vor diesem Hintergrund auf die Idee kommt, davon zu sprechen, dass ihrer Ansicht nach KEINE schwere Störung vorliegt, nachdem das Verkehrsministerium vier Tage zuvor das Vorliegen einer schweren Störung aber noch selbst auf explizite Nachfrage ausdrücklich bejaht hatte, ist für keinen der von mir konsultierten Verkehrsflugzeugführer nachvollziehbar.
Das seltsame "Herumgeiere" der SUB in dieser Causa erklärt sich allerdings vielleicht dadurch, dass die internationale Zivilluftfahrorganisation ICAO die Qualität der österreichischen Flugunfalluntersuchungen generell nicht besonders gut beurteilt, wie einer ziemlich "versteckten" Statistik auf der ICAO-Webseite zu entnehmen ist. Österreich liegt demnach etwa auf dem gleichen Level wie Turkmenistan oder Uruguay und selbst hinter einigen afrikanischen Staaten. Ein trauriges Negativbeispiel für die Qualität der österreichischen SUB war meines Erachtens auch die Untersuchung des Absturzes eines Flugpolizei-Helikopters in den Achensee 2011, wo ein Unfallermittler zu einem Zeitpunkt als Wrack und Leichen noch nicht einmal geborgen waren, am Seeufer vor anwesenden Polizisten sinngemäß meinte, dass eine Untersuchung Zeitverschwendung sei und er ohnedies schon wisse, dass es "Cowboy-Fliegerei" war. "Menschliches Versagen" stand dann auch im Jahre später veröffentlichten Abschlussbericht, wobei der Ermittler nicht einmal eine Hubschrauberpilotenlizenz besitzt. Dem gegenüber stand bzw. steht ein Unfallbericht der Flugpolizei, die von einem akuten gesundheitlichen Problem des Piloten bzw. Vogelschlag als Ursache des Unglücks ausgeht - Thesen, die in großen Teilen der Hubschrauberpilotenszene als plausibel gelten.
Text: Patrick Huber, www.der-rasende-reporter.info
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