Erhältlich ist das Buch „Lufthansa Flug 540: Der erste Jumbo-Absturz ‒ als die ,Hessen’ von Nairobi ins Verderben startete“ ab sofort über den Webshop des Verlages „Epubli“. Außerdem kann es unter Angabe der ISBN über alle Buchhandlungen sowie diverse Onlineplattformen bezogen werden.
U. Strauss (US): Herr Huber, weshalb haben Sie gerade den ersten Absturz einer Boeing 747 als Thema für ihr mittlerweile 16. Buch gewählt?
P. Huber (PH): Nun, ich konzentriere mich sowohl bei meinen Reportagen als auch in meinen Büchern gerne auf Nischenthemen, zu denen öffentlich wenig Informationen vorhanden sind. Der Absturz der „Hessen“ ist genau so ein Fall. Dieses Unglück war nicht nur der erste Absturz einer Boeing 747 überhaupt, sondern traf mit der renommierten Lufthansa auch noch eine als besonders sicher geltende Qualitätsfluglinie. Trotzdem ist dieser Crash, der sich heuer am 20. November zum 50. Mal jährt, in der Öffentlichkeit kaum noch bekannt. Selbst viele Luftfahrtinteressierte wissen nur wenig darüber, wie ich im Zuge meiner Recherchen immer wieder erstaunt festgestellt habe.
US: Was genau ist damals eigentlich passiert?
PH: In aller Kürze: Der Lufthansa Flug 540, durchgeführt von der Boeing 747-130 mit dem Kennzeichen D-ABYB und dem Namen „Hessen“, befand sich in der Nacht vom 19. auf den 20. November 1974 auf dem Weg von Frankfurt nach Johannesburg. In Nairobi erfolgte ein Tankstopp, bei dem eine neue Crew an Bord ging. Doch beim Start zum Weiterflug nach Südafrika gewann die Maschine nach dem Abheben nicht an Höhe, stürzte ab und explodierte. In dem Inferno starben 59 Menschen und hätten Piloten und Flugbegleiter nicht so Heldenhaftes bei der Evakuierung geleistet, wäre die Opferzahl mit Sicherheit noch höher gewesen. Dieses großartige Verhalten der Crew, das über jede Form der dienstlichen Pflichterfüllung hinausging, habe ich in meinem Buch entsprechend gewürdigt.
US: Was war die Absturzursache?
PH: Rein physikalisch betrachtet lag es an den nicht ausgefahrenen Vorflügeln. Der offizielle Abschlussbericht machte einen Fehler der Besatzung dafür verantwortlich. Doch ganz so einfach war es nach dem heutigen Stand der Dinge nicht. So kam vor einigen Jahren dank der hervorragenden Recherchen eines deutschen Investigativjournalisten, den ich für mein Buch ebenfalls interviewen konnte, heraus, dass Lufthansa schon VOR dem Absturz von Problemen mit den Vorflügeln wusste und trotzdem kein zusätzliches Warnsystem einbaute – was andere 747-Betreiber sehr wohl taten, obwohl es nicht vorgeschrieben war. Lufthansa rüstete ein solches System erst NACH dem tödlichen Absturz von Nairobi nach, es wurde danach auch verpflichtend. Alle Details dazu habe ich in meinem Buch zusammengetragen.
US: Der Unfall liegt nun 50 Jahre zurück. Wie schwierig waren die Recherchen und worauf haben Sie sich gestützt?
PH: Die Arbeit an diesem Buch war durchaus herausfordernd. Die meisten Zeitzeugen sind, anders als beim Flugtagunglück von Ramstein, tot oder in einem Alter, in dem sie nicht über Internetzugang verfügen oder sie sind einfach pflegebedürftig, also de facto nicht mehr greifbar. Aber zum Glück konnte ich auf viele Unterlagen des deutschen Bundesarchivs in Koblenz zurückgreifen, in denen Aussagen und O-Töne von Zeitzeugen enthalten waren. Immerhin befasse ich mich seit über 10 Jahren mit diesem Thema, da habe ich sehr viel Material zusammengetragen. Für die fachliche Beratung standen mir außerdem mehrere ehemalige Boeing 747-Piloten beziehungsweise Flugingenieure zur Verfügung, die ich bei den Quellennachweisen in meinem Buch in Sinne der Transparenz auch namentlich anführe, natürlich mit deren Einverständnis. Ich bin sehr stolz darauf, dass einer dieser mich beratenden Flugingenieure das gesamte Buch VOR Veröffentlichung gelesen und „freigegeben“ hat. Durch diese Arbeitsweise konnte ich sicherstellen, dass sich auch dieses Buch auf fachlich höchstem Niveau bewegt.
US: Haben Sie auch Wikipedia für Ihre Recherchen genutzt?
PH: Ein klares NEIN. Generell habe ich in den vielen Jahrzehnten meiner journalistischen Tätigkeit festgestellt, dass die Qualität der deutschsprachigen Wikipedia-Einträge häufig sehr mangelhaft ist, jedenfalls bei Luftfahrtthemen, in anderen Bereichen kann ich das nicht so gut beurteilen, nehme aber an, dass es sich ähnlich verhält. Das englischsprachige Wikipedia ist hier um Welten besser, trotzdem verlasse ich mich nicht darauf.
US: Wie meinen Sie das?
PH: Anhand von Lufthansa 540 kann ich ganz klar belegen, dass im deutschsprachigen Wikipedia-Eintrag zum Unfall teilweise völliger Unsinn steht, oder, um es auf „Neudeutsch“ zu sagen, dort Fakenews verbreitet werden. Ich verließ mich bei meinen Recherchen daher bewusst nur auf offizielle Dokumente, die ich, soweit möglich, einem Gegencheck unterzogen habe, ganz konkret durch Rückfragen bei fachkundigen Zeitzeugen, in diesem Fall pensioniertes Lufthansa-Personal, das selbst auf der Boeing 747 geflogen ist. Einer dieser Flugingenieure kannte sogar den mittlerweile verstorbenen Flugingenieur der „Hessen“ noch persönlich und hat mir viel über dessen Persönlichkeit berichten können.
US: Dann wäre es doch höchste Zeit, dass Sie die Fehler auf Wikipedia korrigieren, finden Sie nicht?
PH: Puh, dafür fehlt mir ehrlicherweise die Zeit. Außerdem wüsste ich nicht einmal wie das geht. Ich bin aber zuversichtlich, dass früher oder später, nicht zuletzt auch dank meines Buches, die falschen Informationen dort verschwinden und durch die korrekten ersetzt werden.
US: Kommen wir noch einmal zur Recherche: Hat Sie Lufthansa eigentlich unterstützt?
PH: Aber wo, überhaupt nicht. Mauern und schweigen scheint mir dort die Devise zu sein, wenn es um dieses Kapitel geht. Als ich 2014 für ein Fachmagazin eine Reportage über den Absturz von Lufthansa 540 verfasste, erhielt ich auf meine Anfrage immerhin noch eine Antwort von Lufthansa, in der es hieß, dass man „generell kein Material über Unfälle an die Öffentlichkeit“ gebe und jedes Statement zu bzw. jede Unterstützung meiner Arbeit verweigerte. Trotzdem fragte ich im Sinne des journalistischen Sorgfaltsgebots „Audiatur et altera pars“ für mein Buch „Lufthansa Flug 540: Der erste Jumbo Absturz“ bei Lufthansa erneut um eine Stellungnahme an und bat um Beantwortung einiger Fragen, welche die Rolle der Lufthansa zum Thema hatten. Eine Antwort bekam ich nicht, man stellte sich einfach tot. Angekommen ist meine Mail aber ohne jeden Zweifel, wie eine Empfangsbestätigung belegt.
US: Haben Sie schon Pläne für weitere Bücher?
PH: Ja, da gibt es einige ...
US: Verraten Sie uns die Themen?
PH: Einiges ist noch in Schwebe, daher möchte ich nicht ins Detail gehen. So viel kann ich aber schon jetzt sagen: Mein nächstes Buch erscheint voraussichtlich in ca. 14 Tagen und behandelt ein in Vergessenheit geratenes Thema der österreichischen Luftfahrtgeschichte, aber keinen Unfall.
US: Vielen Dank für das Gespräch.
PH: Sehr gerne.
(red US)