Die Fakten
Am 20. November 1974 stürzt eine Boeing 747-130 der deutschen Lufthansa beim Start in Nairobi, Kenia, ab. An Bord befinden sich 139 Passagiere und 18 Besatzungsmitglieder. Es ist der erste Jumbo-Absturz in der Luftfahrtgeschichte überhaupt. 59 Menschen sterben, 98 überleben. Unter den Toten sind 54 Passagiere und 5 Flugbegleiter. Einer der dunkelsten Tage in der Historie der Lufthansa jährte sich dieser Tagen zum 50. Mal. Die Flugforensiker Andreas Spaeth und Benjamin Denes konnten für diese Folge mit Hans-Joachim Schacke, dem First Officer des Unglücksfluges sprechen. Flugbegleiterin Ingrid Müssemeyer sollte damals die Crew von LH540 auf dem Rückflug nach Deutschland ablösen. Beide Interviewpartner erheben heute Vorwürfe gegen die Lufthansa. Als weiteren Fachmann interviewen Spaeth und Denes den österreichischen Luftfahrjournalisten Patrick Huber, der mit dem Buch "Lufthansa Flug 540: Der erste Jumbo Absturz" nach Auswertung unzähliger Aktenseiten aus dem Bundesarchiv in Koblenz das deutschsprachige Standardwerk zu diesem Unfall verfasst hat.
Deutschsprachige Wikipedia - falsche Infos trotz Korrekturen weiter online
Wer zu dem Thema googelt und das von einer deutschen oder österreichischen IP-Adresse aus tut, landet schnell auf dem deutschsprachigen Wikipedia-Eintrag, auf den wir aufgrund der darin enthaltenen Fehler bzw. Ungenauigkeiten gar nicht erst verlinken. Doch vor eben diesem muss aus unserer Sicht eindringlich gewarnt werden. Er ist nicht nur ausgesprochen oberflächlich, sondern verbreitet (Stand 25. November 2024) auch nachweislich Fakenews. Mehrere Benutzer von Wikipedia wiesen das Moderatoren-Team über Wochen und Monate hinweg auf die Fakenews hin und korrigierten die fehlerhaften Informationen teilweise in stundenlanger Arbeit immer wieder. Mit dem Ergebnis, dass die Wikipedia-Moderatoren, darunter ein angeblicher (pensionierter) 747-Pilot, die korrekten Informationen wieder löschten bzw. löschen ließen und danach erneut Fakenews und eine ausgesprochen oberflächliche Darstellung der Ereignisse verbreitet wurden. Davon frustrierte Wikipedia-Nutzer wandten sich schließlich an Austrian Wings, mit der Bitte, der Angelegenheit nachzugehen, was wir getan haben. Aber jeder Vermittlungsversuch und Hinweis auf belegte Fakten scheiterte an der Beratungsresistenz des verantwortlichen Hauptmoderators.
Obwohl zahlreiche User ihre Änderungen mit seriösen Quellen (darunter: offizieller Abschlussbericht der Unfallermittler, Veröffentlichungen des an der Untersuchung beteiligten Lufthansa-Sicherheitspiloten Heino Caesar, O-Ton des Ersten Offiziers der "Hessen" in einem Podcast, u.v.m.) belegten, blieb vor allem jener Moderator, der von sich selbst behauptet, ein ehemaliger Boeing 747-Pilot zu sein, was freilich kein Außenstehender überprüfen kann, starrsinnig und zeichnet damit dafür verantwortlich, dass die deutschsprachige Wikipedia im Fall von Lufthansa 540 bis heute Fakenews in einem insgesamt sehr oberflächlichen Artikel verbreitet. Das Verhalten dieses angeblichen Experten mutet wie jenes des Flugkapitäns des Hapag Lloyd Airbus A310, der im Jahr 2000 ohne Sprit in Wien bruchlandete, an: Obwohl ihm sein Co-Pilot immer wieder auf das falsche Verhalten und die Notwendigkeit einer früheren Landung hinwies, blieb der Kommandant, ein älterer Herr mit sehr viel Flugerfahrung, bis zum Crash beratungsresistent und behauptete auch später in seinem Gerichtsverfahren sinngemäß, alles richtig gemacht zu haben. Er habe aufgrund der vielen tausend Stunden im Cockpit die Situation richtig beurteilt. Am Ende standen der Verlust der Fluglizenz und sogar eine strafrechtliche Verurteilung. Die toxische Starrsinnigkeit alter weißer Männer eben. Sie war selten konstruktiv und geht hier unseres ganz persönlichen Eindrucks nach, der keinen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit oder Vollständigkeit erhebt, zu Lasten der Qualität von Wikipedia.
Nun stellt man sich natürlich zurecht die Frage, in wie vielen anderen Themenbereichen der deutschsprachigen Wikipedia möglicherweise die Selbstherrlichkeit mancher Moderatoren, die vom Thema selbst keine Ahnung haben, eine korrekte Darstellung von Sachverhalten unter Umständen verhindert. Nicht umsonst warnen auch manche Lehrer und Professoren ihre Schüler bzw. Studenten mitunter vor Wikipedia als "wandelnde Fehlerquelle". Dass das Selbstregulativ zumindest im Fall von Lufthansa 540 nicht funktioniert, ist offensichtlich und besonders unzufriedenstellend vor dem Hintergrund, dass rund um den 50. Jahrestag der Artikel vermutlich von vielen Leuten aufgerufen wurde, die nun mit teils falschen Informationen versorgt wurden.
Vor diesem bekannten Problem verzichten Austrian Wings Autoren schon seit langer Zeit darauf, das deutschsprachige Wikipedia als seriöse Quelle zu betrachten.
Aktuell können wir als Österreichs Luftfahrtmagazin jedem Interessierten jedenfalls nur eindringlich abraten, sich im deutschsprachigen Wikipedia über den Absturz von Flug LH 540 zu informieren. Wer auf der Suche nach seriösen und gesicherten Fakten dazu ist, dem seien stattdessen folgende Quellen empfohlen:
- Buch "Commander" von Heino Caesar (ehemals Flugkapitän Boeing 747, Lufthansa)
- Buch "Prägung" von Dieter Steffen (ehemals Ausbildungsflugingenieur Boeing 747, Lufthansa)
- Buch "Lufthansa Flug 540: Der erste Jumbo-Absturz" von Patrick Huber
- Artikel im "Spiegel" vom 19. 11. 2014
- Bericht auf "Aero.de" vom 20. 11. 2024
- Bericht in der "Welt" vom 23. 11. 2014
- Podcast "Jumbo ohne Auftrieb" von Andreas Spaeth und Benjamin Denes (www.flugforensik.de)
(TuG / Mitarbeit: Nina W., Sandra B.)
Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.