Punktlandung

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Embraer-Absturz in Kasachsten: Indizien für Abschuss der Maschine durch Boden-Luft-Rakete

Für Militärexperten gibt es kaum Zweifel: Die Schäden am Höhen- und Seitenleitwerk stammen von Schrapnellen einer Flugabwehrrakete - Foto: Screenshot Twitter

Wie von Austrian Wings berichtet, verunglückte heute ein Embraer E190 von Azerbaijan Airlines bei einer versuchten Notlandung in Aktau, Kasachstan. Mittlerweile gibt es für Experten kaum noch Zweifel daran, dass die Maschine Steuerprobleme hatte, weil zuvor in ihrer Nähe eine Flugabwehrrakete explodiert sein dürfte. Eine Analyse von Patrick Huber.

67 Menschen befanden sich an Bord der Maschine, die von Baku nach Grosny in der russischen Teilrepublik Tschetschenien fliegen sollte. Den Absturz haben nach offiziellen Informationen 28 Insassen überlebt, 7 davon befinden sich in kritischem Zustand. Die Unglücksursache ist offiziell noch unklar, doch es gibt belastbare Indizien dafür, dass das Verkehrsflugzeug von Schrapnellen einer Flugabwehrrakete regelrecht durchsiebt worden sein dürfte, wodurch die Steuerung ausfiel oder zumindest erschwert wurde. Doch der Reihe nach.

Der 11,5 Jahre alte Embraer E190 mit der amtlichen Registrierung 4K-AZ65 startete heute Früh um 03:55 Uhr UTC in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku mit Ziel Grosny (Russische Förderation). Der Flug mit der Nummer  J2 8243 verlief zunächst normal, doch wegen des schlechten Wetters war eine Landung in der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Tschetschenien nicht möglich. Die Piloten entschieden sich deshalb, eine Ausweichlandung in Machatschkala in der russischen Teilrepublik Dagestan durchzuführen. Doch dort kam die Maschine nie an. Stattdessen nahmen die Piloten Kurs auf Aktau in Kasachstan und flogen über das Kaspische Meer. Der genaue Flugverlauf und die zeitliche Abfolge lässt sich mit den online verfügbaren Trackingdiensten aufgrund gestörter GPS-Signale in der Region nicht einwandfrei nachvollziehen, doch die verfügbaren Daten scheinen zu zeigen, dass die Maschine, deren Crew zwischenzeitlich eine Luftnotlage wegen eines von ihr vermuteten Vogelschlages erklärt hatte, Probleme hatte, die Höhe zu halten - und das über einen längeren Zeitraum. Auch der Transpondercode war auf 7700 gesetzt.

Bei der Notlandung gegen 06:28 Uhr UTC (11:28 Uhr Lokalzeit) zerschellte die Maschine dann außerhalb der Flughafens und ging in Flammen auf. An Bord befanden sich 62 Passagiere und 5 Besatzungsmitglieder. Einsatzkräfte eilten sofort zur Unglücksstelle und konnten schließlich 28 Menschen lebend aus dem Wrack bergen

Begründeter Verdacht: Maschine von russischem Militär beschossen
In Sozialen Medien kursierende Aufnahmen von der Notlandung legen den begründeten Verdacht nahe, dass die Piloten massive Probleme hatten, die Längs- und Querneigung des Flugzeuges zu kontrollieren, was auf schwere Schäden an der Steuerung schließen lässt.

Beim Absturz explodierte der Treibstoff an Bord und die Maschine zerbrach in mehrere Teile, wobei das Heck äußerlich relativ unbeschädigt blieb und so nun wertvolle Hinweise auf den Zustand vor dem Aufprall am Boden liefert. Auf Aufnahmen des Höhenleitwerks sowie der Überreste des Seitenleitwerks sind nämlich Schäden zu erkennen, die laut Fachleuten keinesfalls vom Absturz stammen können. Vielmehr sind es laut Militärexperten mit hoher Wahrscheinlichkeit Schäden, die typischerweise durch die Explosion des Gefechtskopfes einer Luft-Boden-Rakete in unmittelbarer Nähe eines Luftfahrzeuges entstehen. Und tatsächlich: Vergleicht man die Aufnahmen der Schäden am Leitwerk des heute verunglückten Embraer der Azerbaijan Airlines mit Fotos des Wracks von MH 17 oder mit Aufnahmen der vom Iran abgeschossenen Boeing 737 der Ukraine International Airlines, so ist das Schadensbild nahezu identisch und entspricht ziemlich genau jenem, das eben auftritt, wenn Schrapnelle einer Flugabwehrrakete auf den Rumpf eines Flugzeuges treffen. Dann entsteht ein charakteristisches Muster.

Das lässt nach aktuellem Stand nur die stark begründete Annahme zu, dass in der Nähe von Flug J2 8243 eine solche Rakete explodiert ist und durch die Explosion die Steuerung des Embraer erheblich beschädigt wurde, sodass die Piloten keine oder fast keine Kontrolle mehr über das Höhen- sowie das Seitenleitwerk hatten und deshalb gezwungen waren, asymmetrischen Schub zu nutzen, um Kurs und Höhe zu verändern - so wie die Besatzung eines DHL-Frachters, der am 22. November 2003 nach dem Start in Bagdad von Islamisten mit einer Rakete beschossen wurde und deshalb einen totalen Hydraulikausfall hatte. Dieser Crew gelang durch Nutzung des asymmetrischen Triebwerksschubes eine sichere Landung. Weniger Glück hatten die Insassen einer DC-10-10 der United Airlines im Jahr 1989. Damals fiel nach einem schweren Triebwerksschaden am mittleren Antrieb im Heck der Maschine ebenfalls die gesamte Hydraulik aus. Die Piloten und der Bordingenieur schafften es sogar, die havarierte DC-10 nur mittels asymmetrischem Schub bis zur Landebahn von Sioux City zu steuern, stürzten dann jedoch ab. 111 Menschen starben, doch 185 überlebten.

Doch zurück zum abgestürzten Embraer der Azerbaijan Airlines. Angesichts der Flugroute der Maschine kommt für den Abschuss der mutmaßlichen Flugabwehrrakete mit hoher Wahrscheinlichkeit das russische Militär in Betracht. Russland selbst hat sich dazu nicht geäußert beziehungsweise wird seine Verantwortung - wie in früheren Fällen (Korean 007, MH 17) natürlich leugnen, alles andere wäre eine Überraschung. Allerdings vermuten selbst pro-russische Militärblogger, dass der Azerbaijan Airlines Flug das Opfer der russischen Luftabwehr geworden sein könnte, als diese ukrainische Drohnen bekämpfen wollte.

Sollten internationale Ermittler zugelassen werden, so dürfte in Kürze feststehen, ob sich der Verdacht eines Abschusses durch eine Rakete bestätigt - momentan sieht scheinbar alles danach aus, denn zu jenem Zeitpunkt als der Azerbaijan Embraer seinen Anflug auf Grosny abbrach, war dort offenbar die russische Luftabwehr wegen eines ukrainischen Drohnenangriffes aktiv.

Text: Patrick Huber

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.