Heftiger Rauch in Cockpit und Kabine zwang die Piloten des gestrigen SWISS-Fluges LX 1885 von Bukarest nach Zürich zu einer Notlandung in Graz. Ein Flugbegleiter wurde reanimiert ins Krankenhaus geflogen, mindestens 14 weitere Insassen erlitten ebenfalls teils erhebliche gesundheitliche Schäden und mussten auch hospitalisiert werden. Aktuell kocht in diversen Sozialen Medien die Diskussion auf, warum die Besatzung die Sauerstoffmasken in der Passagierkabine nicht aktiviert habe, um den Passagieren das Atmen zu erleichtern. Auch manche Journalisten von Tagesmedien zeigen sich über diesen Umstand verwundert. Dabei war die Entscheidung der Piloten, die Masken in der Kabine NICHT zu aktivieren absolut richtig. Hier ist die fachlich-technischeErklärung dafür.
Die Sauerstoffmasken in der Kabine von Passagierflugzeugen sind ausschließlich zur Verwendung bei einem plötzlichen Kabinendruckabfall ausgelegt. Sie führen über einen begrenzten Zeitraum (meist chemisch erzeugten) Sauerstoff zu, um zu verhindern, dass die Passagiere bei einem Druckverlust in großer Flughöhe das Bewusstsein verlieren. Dieser chemisch generierte Sauerstoff reicht für 10 bis maximal 20 Minuten (Zeit genug für die Piloten, um einen Notsinkflug auf eine niedrigere Höhe durchzuführen, wo man ohne zusätzlichen Sauerstoff atmen kann) und wird nur mit einem geringen Druck zugeführt. Außerdem deckt die Maske Mund und Nase nur relativ lose und nicht "hermetisch" ab. Man atmet also immer auch Umgebungsluft mit ein. Heißt: Ist die Kabine mit Rauch gefüllt, würde man bei Benutzung dieser Masken den Rauch beziehungsweise die entstandenen Rauchgase weiterhin einatmen und das möglicherweise (unbewusst) sogar besonders tief in die Lungen saugen, da man auf die Sauerstoffmaske vertraut. Es wäre also völlig kontraproduktiv von der Besatzung, bei Rauch in der Kabine die Sauerstoffmasken auszulösen.
Zudem gilt es noch einen weiteren Faktor zu beachten: Wo Rauch ist, ist häufig auch Feuer. Sauerstoff ist ein enorm guter Brandbeschleuniger. Ist der Rauch an Bord durch einen Brand entstanden, so könnte die Sauerstoffzufuhr in der Kabine über die Passagiermasken diesen Brand weiter anfachen und so im schlimmsten Fall ein Flammeninferno in der Kabine auslösen. Das wäre, gelinde gesagt, auch kontraproduktiv.
Daher ist es völlig richtig und verständlich, dass bei Rauch und/oder Feuer an Bord die Sauerstoffmasken grundsätzlich in der Passagierkabine NICHT aktiviert werden, weil sie keinerlei Nutzen bieten, sondern die Situation sogar noch verschlechtern können.
Anders sieht es übrigens bei den Piloten im Cockpit aus. Sie verfügen über "Full Face Masken" mit Gummidichtungen, die hermetisch abschließen und zudem an Sauerstoffflaschen angeschlossen sind. Bei Feuer und Rauch oder auch "Fume Events" (also Geruchtsvorfällen) legen sämtliche Besatzungsmitglieder im Cockpit diese Masken automatisch an. Sie benötigen dafür auch keine Checkliste, so etwas läuft unter "Memory Item".
Damit atmen die Piloten 100 Prozent reinen Sauerstoff ein, der nicht nach außen gelangt, und bleiben handlungsfähig. Es allerdings gar nicht möglich, solche "Full Face Masken" mit 100-prozentiger Sauerstoffversorgung in der gesamten Kabine zu installieren, jedenfalls nicht mit einem vertretbaren technischen Aufwand.
"High level emergency”
Feuer und Rauch sowie der Verdacht darauf zählen zu den gefährlichsten Zwischenfällen an Bord von Verkehrsflugzeugen und werden deshalb als “High level emergency” behandelt. Eine sofortige Landung ist das Standardverfahren, sofern die Quelle des (vermuteten) Rauches nicht umgehend lokalisiert und ausgeschaltet werden kann.
Im Jahr 1987 verunglückte eine Boeing 747-244B Combi von South African Airways, nachdem an Bord aus bis heute ungeklärter Ursache ein Brand ausgebrochen war, alle 159 Insassen starben. Hierzu darf ich auch auf mein Buch "Tödliche Flammen im Frachtraum - der mysteriöse Absturz der ,Helderberg'", verweisen, das dieses Unglück und die möglichen dramatischen Auswirkungen von Feuer und Rauch an Bord von Verkehrsflugzeugen ausführlich beleuchtet.
Text & Foto, sofern nicht anders angegeben: Patrick Huber, www.der-rasende-reporter.info
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