Punktlandung

Analyse: Ausgezeichnete ARD True Crime Dokumentation über den Absturz von Germanwings Flug 9525

Harte Fakten und forensische Beweise, von seriösen Experten korrekt eingeordnet: Die ab dem 28. Jänner online in der ARD-Mediathek verfügbare ARD/WDR-Doku über den Germanwings-Absturz ist zweifellos der allerbeste Filmbeitrag, der bislang zu diesem Thema erschienen ist und sollte unbedingt gesehen werden.

Wie gestern von Austrian Wings berichtet, hat die ARD eine True Crime Doku über die Tat von Andreas Lubitz, der am 24. März 2015 den Germanwings Flug 9525 absichtlich zum Absturz brachte, produziert. Abrufbar ist sie ab 28. Jänner in der ARD-Mediathek, wir berichteten. Die ARD hat es dem Fachjournalisten Patrick Huber ermöglicht, den Vierteiler bereits vorab zu sehen. Hier sind seine Eindrücke.

Entgegen diversen unseriösen Verschwörungstheorien und kruden alternativen, zum Teil sogar in ein umstrittenes Privatguchtaten gegossene, Szenarien, die unter anderem aus dem Umfeld der Familie Lubitz und unglücklicherweise auch von einem österreichischen Webseitenbetreiber verbreitet werden, liegen die Fakten unbestreitbar auf der Hand. Am großen Gesamtbild und den Fakten ändern auch kleinere Ungereimtheiten im offiziellen Abschlussbericht nichts, denn solche kann man in jedem Bericht finden, wenn man nur möchte.

Doch wohl kein Flugunfall der jüngeren Vergangenheit wurde gründlicher und unter größerem öffentlichen Fokus untersucht als Absturz der Germanwings-Maschine am 24. März 2015. Flugschreiber, Stimmenrekorder, Flugprofil, die medizinische Vorgeschichte des Ersten Offiziers und nicht zuletzt die an der Unfallstelle gesicherten DNA-Spuren beweisen unumstößlich: Der psychisch schwer kranke Erste Offizier Andreas Lubitz sperrte an diesem Tag seinen Kapitän, den 34-jährigen Familienvater Patrick Sondenheimer, aus dem Cockpit aus und brachte den Airbus A320 anschließend bei vollem Bewusstsein vorsätzlich zum Absturz. Die "Generalprobe" dafür hatte Andreas Lubitz - das ist ebenfalls forensisch unstrittig nachweisbar - bereits auf dem Hinflug durchgeführt, ebenfalls in einem Zeitraum als sein Kapitän das Cockpit für den WC-Besuch verlassen hatte. Bei seiner dramatischen Selbsttötung riss dieser unglückliche schwer kranke Mensch leider 149 Unschuldige, darunter 2 Babys und mehrere weiter Kinder sowie Jugendliche, mit in den Tod. Doch diese forensische Wahrheit ist scheinbar für die Eltern, vor allem für den Vater, des Täters nur schwer zu ertragen und auch aus anderen Kreisen werden Zweifel angemeldet, wo es keine Zweifel geben kann und teilweise rund um den bevorstehenden 10. Jahrestag der Katastrophe Verschwörungsszenarien gestreut, was natürlich für die Angehörigen und Freunde der 149 unschuldigen Opfer von Andreas Lubitz ausgesprochen belastend ist.

Umso wichtiger ist da die am 28. Januar 2025 erscheinende ARD-True Crime Doku "Der Germanwings-Absturz - Chronologie eines Verbrechens". Dank der ARD hatte ich die Gelegenheit, alle vier Folgen bereits vor dem offiziellen Release anzusehen - und ich bin von der professionellen journalistischen Arbeit "begeistert".

In dieser Dokumentation werden nämlich alle forensischen Beweise nochmals klar verständlich für Laien präsentiert und von seriösen und anerkannten Experten ihres Fachs, darunter der "Flugforensiker" und deutsche Luftfahrtjournalist Andreas Spaeth, fachkundig eingeordnet. Spaeth gilt nicht nur seit Jahrzehnten als absoluter Kenner der Materie, sondern hat sich auch intensiv mit dem Absturz der Germanwings-Maschine befasst.

Ebenso werden Angehörige von Opfern gehört und mit Christoph Kumpa konnte auch ein kompetenter Vertreter der Staatsanwaltschaft Düsseldorf als Auskunftsperson gewonnen werden, die an den Ermittlungen beteiligt war und aufgrund molekularbiologischer Erkenntnisse zweifelsfrei bewiesen hat, dass der Erste Offizier Andreas Lubitz zum Zeitpunkt des Absturzes alleine im Cockpit und natürlich auch handlungsfähig war - beides Punkte, die von der Familie Lubitz und/oder  Verschwörungstheoretikern immer wieder in Zweifel gezogen werden. Manche Schwurbler behaupten gar, dass überhaupt nicht der Erste Offizier, sondern der Kapitän im Cockpit gewesen sei, als das Flugzeug abstürzte, obwohl die alleinige Anwesenheit von Lubitz - wie gerade ausgeführt - sogar durch molekularbiologische Analysen wissenschaftlich belegt ist.

Doch dieses "in Zweifel ziehen" unbestreitbarer objektiver forensischen Fakten ist so, als würde man anzweifeln, dass die Erde tatsächlich rund ist. Gegen Verschwörungstheoretiker und Menschen, die einem solchen (W)Irrglauben verfallen sind, kommt man mit Fakten allerdings kaum an. Deshalb beleuchte ich in meinem am 17. 1. erschienen Buch "Germanwings Flug 9525 - Absturz in den französischen Alpen" unter anderem gleich in mehreren Kapiteln nicht nur wie hanebüchen diese Verschwörungstheorien und ähnliche Szenarien an sich sind, sondern gehe auch die psychologische Komponente ein, also darauf, wie solche Menschen eigentlich "ticken", die in ihrer eigenen Gedankenwelt leben, die sich ihre eigene Version der Wahrheit zurechtzimmern und sich dabei auch noch stolz als "Wissende" vorkommen. Doch zurück zur gegenständlichen ARD-Doku.

Der Vierteiler ist eine vollumfängliche Darstellung der Ereignisse, der folgenden Ermittlungen und der daraus resultierenden Fakten. Sie verdient das Prädikat "absolut sehenswert". Mehr möchte ich an dieser Stelle ganz bewusst nicht verraten, denn es soll ja nicht "gespoilert" werden, man auf "Neudeutsch" so schön sagt.

Natürlich wird die ARD/WDR-Doku niemanden, der in seinem "Verschwörungswahn" gefangen ist, davon abhalten, weiterhin blind die forensischen Fakten zu ignorieren, aber die ARD-Dokumentation trägt sicherlich dazu bei, dass sich (luftfahrt-)technisch unbedarfte Medienkonsumenten an die Fakten halten und damit immun gegen die kursierenden hanebüchenen Verschwörungstheorien sind. Nicht nach journalistischen und/oder forensischen Kriterien aufbereitete Fake News sind nämlich eine große Gefahr.

Übrigens, 2017 lud der Vater von Todespilot Andreas Lubitz, ein auf mich völlig verbittert wirkender Günter Lubitz, zu einer Pressekonferenz, die skurril anmutete. Dabei präsentierte er das von seinem Privatgutachter in seinem Auftrag erstellte Gutachten, das vom größten Teil der Fachwelt mit Kopfschütteln quittiert wurde und erklärte, man wolle das Gutachten "auf der Suche nach der Wahrheit" (die ja längst auf dem Tisch lag, es gab und gibt also nichts anderes als die bekannten Fakten zu finden) "den Behörden zur Verfügung stellen". Das ist allerdings nie geschehen, wie die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft mir telefonisch bestätigte. Tief in seinem Inneren weiß wohl auch Günter Lubitz, dass an den Fakten nichts zu rütteln ist und dass, so tragisch das für ihn als Vater auch ist, sein Sohn krankheitsbedingt zum Massenmörder an 149 unschuldigen Menschen wurde.

Auf die schweren qualitativen Mängel dieses Gutachtens gehe ich in meinem Buch natürlich umfassend mit harten Fakten ein - ebenso wie die ganz ausgezeichnete ARD-True Crimi Doku  "Der Germanwings-Absturz: Die Chronologie eines Verbrechens", die ich mir, obwohl ich sie ja bereits vorab gesehen habe, mit Sicherheit noch einmal ansehen werde, weil sie derart professionell und seriös gemacht ist.

Text: Patrick Huber

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.