Austrian Wings Leser kennen die Vorgeschichte: Nach einem Vogelschlag im Endanflug auf den Flughafen von Muan (Südkorea) starteten die Piloten einer Boeing 737-800 der südkoreanischen Billigfluglinie Jeju Air zunächst durch. Doch sie brachen das Manöver nach wenigen Augenblicken ab, kehrten um und machten eine Bauchlandung ohne Landeklappen, bei der die Maschine mit viel zu hoher Geschwindigkeit erst spät auf der Piste aufsetzte, dadurch über das Pistenende hinausschoss, mit Hindernissen kollidierte und explodierte. 179 der 181 Menschen an Bord starben.
Nun gibt es neue Erkenntnisse. Sowohl der Flugdatenschreiber (FDR) als auch der Stimmenrekorder (FDR) haben die letzten vier Minuten des Unglücksfluges nicht aufgezeichnet. Rund vier Minuten vor dem Unfall ereignete sich der Vogelschlag, der von der Crew noch über Funk gemeldet wurde.
Das deutet darauf hin, dass, anders als bisher angenommen, offenbar icht nur ein, sondern beide Triebwerke vom Vogelschlag betroffen waren. Der Strom für die elektrischen Systeme der Boeing 737 wird jedoch primär über die beiden Triebwerke geliefert. Alternativ kann sie über die Hilfsturbine (APU) erfolgen, die ist jedoch während des Fluges regulär nicht aktiviert. Mit dem wahrscheinlichen Ausfall beider Triebwerke infolge des Vogelschlages wurde auch die Stromversorgung der beiden Flugdatenschreiber unterbrochen, weshalb nun die letzten vier Minuten des Fluges nicht aufgezeichnet wurden.
Unklar ist, weshalb die Stromversorgung der Datenschreiber nicht über die Batterie erfolgte. Laut Auskunft eines langjährigen Boeing 737-Piloten verfügt die Boeing 737 über eine Batterie, die bei Ausfall beider Generatoren (die von den Triebwerken versorgt werden) die Stromversorgung übernimmt. Sowohl der CVR als auch der FDR hängen direkt an dieser Batterie, so der Experte.
In den Fokus der Ermittler rückt daher nun die Entscheidung der Piloten, durchzustarten, obwohl sie sich im Endanflug befanden. Das Boeing-Handbuch stellt den Piloten die Entscheidung zwar grundsätzlich frei, doch üblicherweise wird bei einem Vogelschlag im Endanflug die Landung fortgesetzt, weil es in der Regel die sicherere Option ist. Dass die beiden Piloten trotzdem durchstarteten, könnte mit der asiatischen Kultur zu tun haben. In asiatischen Cockpits herrschen oft strenge Hierarchien und Vorgaben, von denen ein Kapitän gemäß interner Vorschriften nicht abweichen darf, selbst wenn es ihm vom Gesetz her erlaubt wäre.
Außerdem wird untersucht, weshalb beide Triebwerke offenbar kurz hintereinander ausgefallen sind. Möglich ist auch, dass die Piloten versehentlich das noch funktionstüchtige Aggregat abschalteten - derartige Vorfälle gab es in der Vergangenheit bereits.
Text: Patrick Huber