Reportagen

Fotoreportage: Vom Keller in die weite Welt - mit dem Boeing 737-Simulator

Alle Fotos: Michael Jentner

Der Steirer Manfred Marbler errichtete im Keller seines Hauses in Premstätten bei Graz einen originalgetreuen B737-800 Flugsimulator und löste damit Bewunderung sowie Staunen unter Piloten und Flugsimulatorfans aus. Franz Zussner (Text) und Michael Jentner (Fotos) haben ihn besucht.

Ich nehme am linken Sitz im Sim-Cockpit Platz und fliege unter Anleitung von Kapitän Manfred einen Kurzstreckenflug von Salzburg nach Wien. Anfangs noch unter hervorragenden Wetterbedingung, doch kurz danach generierte der als mein Co-Pilot fungierende Manfred das Originalwetter, das wesentlich unangenehmer war als das noch beim Start vorhandene Schönwetter. Doch der Reihe nach.

Links Reporter Franz Zussner, rechts der Erbauer des Sim, Manfred Marbler.

Vom Gate am Flughafen Salzburg steuere ich die Boeing am Rollweg zur Piste 33 zum Start nach Wien. Allein schon das Rollen zur Startposition mit dem für mich ungewohnten Bugsteuerrad (Steering Tiller) war herausfordernd und letztlich war das Beschleunigen und Steuern mit Bugsteuerrad und Seitenruder ebenfalls gewöhnungsbedürftig und alles andere als leicht, aber mit Hilfe von Manfred gelang das Starten eigentlich ganz gut und der Autopilot übernahm als wir in der (virtuellen) Luft waren. Am Flughafen Wien war Piste 16 in Betrieb und die nicht ganz so guten Wetterbedingungen sowie der viele Anflugverkehr auf diese Piste verursachten mir ein wenig Bauchweh, aber Manfred stand mir als Co-Pilot hilfreich zur Seite und so konnte ich die Landung ganz gut meistern. Das Abrollen und Rollen zur Parkposition war dann zwar immer noch herausfordernd, aber das hatte ich relativ schon gut im Griff und schaffte es zum geplanten Gate fast ohne Fehler. Ein aufregender Kurzstreckenflug in Echtzeit war zu Ende und ich um eine ganz große Erfahrung reicher.

Größtmögliche Detailtreue zum Original war die Prämisse beim Bau. Das ist gelungen.

Vom IT-Experten zum Sim-Pilot
Manfred Marbler (64) ist gelernter Bürokaufmann und seit seiner frühesten Jugend ein begeisterter Fan der Luftfahrt. Mit 18 Jahren erwarb er den Segelflugschein am Flughafen Graz und festigte diesen mit vielen Platzrunden. Als Weiterentwicklung auch den Motorflugschein zu erwerben war keine Option für ihn, da viel zu teuer und seine Präferenz lag auf dem Fliegen großer Jets. Eine berufliche Laufbahn als Pilot bei einer Fluglinie konnte er aufgrund einer asthmatischen Erkrankung nicht anstreben und so wurde er beruflich IT-Experte bei einer großen Versicherung und konnte sich dort als Programmierer profilieren, was ihm auch in der Sim-Fliegerei zu Gute kam. Die Leidenschaft zur Fliegerei blieb stärker denn je erhalten. Hier kam ihm auch die fortschreitende Entwicklung der Fliegerei am PC sehr gelegen, war das doch genau das Richtige für ihn. Fotorealistische Flugzeuge und Szenerien, vor allem am Microsoft Flightsim, später auch aber auch von X-Plane, hatten es ihm angetan. Er hat sich im Internet monatelang schlau gemacht, verbrachte viel Zeit für das „Studium“ zu fotorealistische Szenerien und als IT-Experte sollte die Entwicklung von Szenerien für den Microsoft-Flugsimulator gar nicht so unmöglich sein, dachte er sich. Gesagt getan, entwickelte er für den MS Flightsim die Szenerien für die Flughäfen Klagenfurt und Graz und auch für den Flugplatz Kapfenberg. Diese sind auch heute noch als Download verfügbar.

Der Bau des B737-800 Flugsimulators
Der Traum vom Fliegen erweckt ungeheure Kräfte und Ideen. So reifte in ihm der Gedanke, ein originales Cockpit einer Boeing 737-800 zu bauen und davon war Manfred nicht mehr abzubringen. Viele seiner Bekannten, Nachbarn und Freunde schüttelten ihre Köpfe und meinten fast unisono: Manfred fängt jetzt an zu spinnen und durchzudrehen. Aber das stachelte ihn nur noch mehr an, sich ans Werk zu machen. Marbler ist, wie erwähnt, gelernter Bürokaufmann und eigentlich Autodidakt als IT-Fachmann. Er hat weder Matura noch Studium, aber Talent und irgendwie das richtige „Gspür“ dafür, was geht und was nicht. Er ist sozusagen ein begnadeter Handwerker und Vollender für ungewöhnliche Ideen. Die Location für den angepeilten B737-800 Flugsimulator fand er in einem freien Kellerraum seines Hauses.

Die B737-800 hatte schon digitale Cockpitinstrumente und das kam ihm sehr gelegen. Alles musste zu 100 Prozent dem Original entsprechen, also alle Schalter, Knöpfe, Bedienungselemente, Module, Lämpchen usw. mussten genauso angeordnet und platziert wie im Original sein, das war sein Credo und wohl auch keine leichte Aufgabe, die er sich damit eingehandelt hatte. Ende 2016 hat er mit dem Bau des Simulators begonnen und es kostete rückblickend viel Blut, Schweiß und Tränen sagte Marbler bei unserem Besuch in Graz. Nicht selten hat er daran gedacht, das Projekt über den Haufen zu werfen. Oft reihten sich Fehler an Fehler, die nicht selten zu Zornesausbrüchen führten. Dazu kam dann noch eine Krebserkrankung, die immer wieder Aufenthalte im Krankenhaus erforderte und den Weiterbau verzögerte. Doch der Bau am Simulator half ihm, nicht andauernd an die Erkrankung zu denken und so diese auch zu meistern, meinte Manfred Marbler im Gespräch.

Mastermind, Tüftler und Erbauer: Manfred Marbler.

Das Original-Cockpit und die Bauanleitung studierte Manfred akribisch im Internet und bekam auch Ratschläge von echten 737 Piloten. Trotzdem lief aber nicht alles immer nach Plan. Alle Einzelteile für die Cockpit-Instrumente kamen aus Spanien und schachtelweise per Post ins Haus geliefert. Ein Puzzle aus gefühlten Millionen Einzelteilen musste zusammengesetzt werden, da war es ganz logisch, dass sich manchmal auch Fehler an Fehler reihten und die Suche nach Lösungen ihm manchmal viele Sorgenfalten auf die Stirne trieben. "Die Fehlersuche im Kabelsalat, fehlende Anleitungen, daher viel Improvisation, gestalteten den Zusammenbau des Cockpits oft zum Glücksspiel", so Marbler. Außer bei einer kleinen Hilfe betreffend Elektronik durch einen Nachbarn, fertigte der mittlerweile pensionierte IT-Techniker alles selbst in seiner Werkstatt. Nach drei Jahren und sechs Monaten konnte er sich Anfang 2020 endlich über den Erfolg freuen und feierte die Fertigstellung seines B737-800 Simulators, der rund 70.000 Euro an Kosten verursacht hatte, mit Verwandten und Bekannten sowie mit seiner Gattin, die viel auf ihn verzichten musste und noch immer muss, so der Sim-Flug-Kapitän. Die Szenerien stammen von X-Plane, die zwar nicht so detailverliebt wie bei MS gestaltet sind, dafür aber wesentlich billiger und eine höhere Framerate ermöglichen. "Da gibt es kein ruckeln", so Marbler. Vom „Spinner“ war dann keine Rede mehr, sondern es herrschte nur großes Staunen und Bewunderung über die Leistung von Manfred Marbler.

Stolzer (Sim)-Flugkapitän
Anfangs waren nur Verwandte, Nachbarn und Freunde seine Kunden, die sich für die Sim-Flüge im Keller interessierten. Mittlerweile kommen die Hobbypiloten aus ganz Österreich und sogar aus Deutschland. Nicht nur Laien, sondern auch hauptberufliche Airline-Piloten konnte er schon zu seinen Kunden zählen und sie alle lobten das hervorragend gelungene und professionelle Cockpit der 737-8. "Ein Kunde aus der Nähe von Stuttgart kam nach sechs Stunden Autofahrt zum Simfliegen nach Premstätten, um gleich danach wieder die Rückfahrt anzutreten", unglaublich betonte Marbler.

Marbler erzählte Franz Zussner (rechts) seine Geschichte.

Sein Original-Simulator hat sich bei B737 Piloten herumgesprochen und so gibt es mittlerweile Anfragen von Airlines, um eventuell ihre Piloten auf seinen Simulator trainieren zu lassen, aber soweit sollte es dann doch nicht kommen, denn die Verantwortung dafür (Zertifizierung, Service, Zeit u.v.m.) will und kann Marbler nicht übernehmen, es sollte Hobby bleiben, betonte er, denn das Feedback der beruflichen Piloten ist ihm Ehre genug.

Jedermann kann bei Manfred Marbler im Premstätten gegen eine geringe Gebühr Termine am Simulator buchen und gar nicht so wenige davon sind bereits fixe Stammkunden bei ihm, die auch einen gewissen Rabatt zugestanden erhalten. Diese Gutscheine zum Simulator-Fliegen eignen sich für Interessierte zu Geburtstagen und anderen Feierlichkeiten und gehen zu gewissen Zeiten weg wie die sprichwörtlich warmen Semmeln, so Marbler.

Durch Berichte im ORF-Fernsehen (Vera, Bundesland heute) sowie in steirischen Tageszeitungen erreichte sein Werk eine Publicity, von der Marbler kaum zu träumen gewagt hätte. Ob er sich vorstellen könnte auch einen Airbus Simulator zu bauen? Nach einer kurzen Nachdenkpause verneinte er dies umgehend, denn fliegen mit Sidesticks, wie es in den Airbus-Flugzeugen der Fall ist, gefällt ihm nicht so gut, er bevorzugt das „richtige“ Fliegen mit der klassischen Steuersäule der Boeing-Flugzeuge.

Am Ende unseres Gesprächs verriet er mir, dass es auch Anfragen von Schienenverkehrs-Unternehmen gegeben hat eventuell auch einen Lok-Simulator zu errichten, denn die Fähigkeit dazu hat er zweifellos. Diese Anfrage löste in ihm doch ein gewisses Schmunzeln hervor, da sein Vater beruflich Lokführer gewesen ist, doch der Sim-Flugkapitän hat dankend abgelehnt (Stichwort: Verantwortung!) Beim Verlassen des Simulator-Raumes zeigte mir Manfred noch einen Raum im Keller und ich staunte, denn dort befand sich eine große Eisenbahn-Modellanlage, höchstpersönlich von Manfred Marbler erbaut und betrieben und bei jungen und alten Eisenbahnfans Freude aufkommen lässt. Mehr infos unter. www.flysunsim.com.

Text: Franz Zussner
Fotos: Michael Jentner