Francesco Sciortino ist Jahrgang 1973 und bekleidet seit 1. April 2021 die Funktion des COO im Vorstand der österreichischen Lufthansa-Tochter Austrian Airlines. Dabei ist er nicht nur Manager, sondern auch Absolvent der Lufthansa-Verkehrsfliegerschule. Seine fliegerische Karriere startete Sciortino im Jahr 1997 als Erster Offizier auf dem A320 bei Austrian Airlines. Noch heute hält er eine Trainerlizenz als Airbus A320/A330 Kapitän.
Patrick Huber (PH): Herr Sciortino, wann gab es im AUA-Management die ersten Überlegungen für einen Boeing 787-Simulator am Standort Wien?
Francesco Sciortino (FS): Das ging direkt los als wir beschlossen haben, die Boeing 787 als Nachfolgemuster der Boeing 767 und der Triple Seven einzuflotten. Das war also vor rund zwei Jahren. Diese Flottenumstellung bedeutet sehr viel Umschulung und in der Folge natürlich auch das reguläre immer wiederkehrende Training unserer Piloten. Deshalb macht ein Simulator hier am Flughafen Wien Sinn.
PH: Wie viel Überzeugungsarbeit hat es Sie bei der Konzernmutter Lufthansa gekostet, bis man in Frankfurt zugestimmt hat, den Simulator nach Wien zu stellen?
FS: Am Ende des Tages ist es ein Business-case. Als Faustregel gilt, dass sich ein Simulator pro 20 Flugzeuge rechnet. Diese Dreamliner-Zahl hat die AUA auch nach Einflottung aller Boeing 787 nicht. Wir werden so auf 10, 11, 12 Flugzeuge anwachsen. Das ist natürlich umgerechnet nur ein halber Simulator. Es gibt jedoch viele externe Kunden von Lufthansa Aviation Training, die Bedarf an einem 787-Simulator haben, und ob diese Kunden nun nach Frankfurt oder nach Wien fliegen, ist für die egal. Die Lufthansa-Gruppe hatte die Simulatoren ohnedies bestellt, in Wien war noch Platz und die AUA braucht ebenfalls Trainingskapazität auf einem 787-Simulator. Da hat es sich dann angeboten, den Sim nach Wien zu holen.
PH: Wer hat die Entscheidung betreffend den Hersteller CAE getroffen?
FS: Das war eine Entscheidung der LAT, nachdem man verschiedene Hersteller evaluiert hatte. Als es dann darum ging, den Simulator abzunehmen, gab es eine enge Zusammenarbeit zwischen der AUA und der LAT.
PH: Über Geld spricht man bekanntlich nicht – aber vielleicht können Sie uns dennoch verraten, in welcher Größenordnung sich dieser Highend-Simulator bewegt …
FS: Wir liegen da so im zweistelligen Millionenbereich.
PH: Eher bei 10 oder bei 20 Millionen Euro?
FS: Wir gehen hier schon in Richtung 20 Millionen Euro.
PH: So ein Simulator ist ja ein hochkomplexes System. Den baut man nicht einfach auf, steigt ein und fliegt virtuell los. Welche Herausforderungen gab es bei der Implementierung?
FS: Richtig, diese Geräte sind nicht so wie ein Computer mit installierter Software den man sich kauft und nur noch einschalten muss. Jeder einzelne Schritt der Installation muss für sich abgenommen werden und muss für sich auch funktionieren. Daher dauert es vom Aufbau bis zur Einsatzbereitschaft ein paar Monate. Es ist auch ein Phänomen: Keine zwei Simulatoren sind gleich. Sie kaufen zwei idente Modelle und der eine funktioniert zunächst besser als der andere und dann muss man mal auf Fehlersuche gehen. Denn erst wenn ein Simulator für uns als Unternehmen und für die Behörde einwandfrei arbeitet, kann er für das Training und die Ausbildung genutzt werden. Das dauert 2, 3, 4 Monate, in denen ganz viele Menschen, Piloten und Techniker, daran beteiligt sind, um den Simulator am Ende auch abnahmefähig zu machen. Sicherheit ist in der Luftfahrt oberstes Gebot, da gibt’s für uns keine Kompromisse.
PH: Sie sind selbst ausgebildeter Verkehrspilot und Instruktor. Aus Ihrer Sicht: Wie realitätsnah ist der neue 787-Simulator?
FS: Dieser Level D Full Flight Simulator hat einen starken Trainingseffekt. Eine Landung in so einem Simulator ist fliegerisch genau so viel wert wie eine Landung in der echten Boeing 787. Da muss natürlich alles stimmen.
PH: Bislang gingen AUA-Piloten, die von der 767 oder der 777 auf die neue 787 wechselten für das Type Rating zur LAT nach Frankfurt oder sogar nach London. Wird das auch künftig zum Teil so sein oder finden ab sofort alle Umschulungen auf die 787 direkt am Standort Wien statt?
FS: Die Type Rating Ausbildungen für die Boeing 787 führen wir jetzt hier bei der LAT in Österreich durch. Das steigert die Effizienz und senkt mittelfristig auch die Trainingskosten. Wenn die Modernisierung der Langstreckenflotte 2028 abgeschlossen ist und die 767 sowie die 777 ausgeflottet sind, haben wir Simulatoren für alle von der AUA betriebenen Muster direkt hier in Wien: Boeing 787, Embraer E195, Airbus A320 und A320neo. Das ist optimal.
PH: Vielen Dank für das Gespräch.
FS: Sehr gerne.
Interview: Patrick Huber
Foto: Johannes Bauer