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Germanwings-Crash: Starke Leser-Kritik an "ZEIT" nach Verbreitung von Verschwörungstheorien

Ein A320 von Germanwings, Symbolbild - Foto: GF / Austrian Wings Media Crew

Die deutsche "ZEIT" verbreitete vergangene Woche die (Verschwörungs-)Theorien des Österreichers Simon Hradecky zum Germanwings-Absturz ziemlich widerspruchslos. Die öffentlichen Reaktionen der Leser, darunter auch ein A320-Ausbildungskapitän (nach dessen eigenen Angaben), fielen entsprechend vernichtend aus.

"Wohl keine Flugzeugkatastrophe der vergangenen Jahrzehnte ist gründlicher und unter einem größeren Fokus der Öffentlichkeit untersucht worden als der Absturz von Germanwings 9525. Es gibt nach meinem Kenntnisstand für kaum einen anerkannten Fachmann bzw. eine anerkannte Fachfrau in der Branche auch nur den geringsten berechtigten Zweifel daran, dass der Co-Pilot Andreas Lubitz zuerst seinen Kapitän aus dem Cockpit ausgesperrt und dann den Airbus absichtlich gegen einen Berg gesteuert hat. Das sehen nicht nur die Ermittler der internationalen Flugunfallkommission so, sondern auch die Staatsanwaltschaft Düsseldorf und sämtliche Piloten sowie Flugexperten, mit denen ich im Zuge der Recherchen zu meinem Buch über den Absturz Gespräche geführt habe", fasst der Fachjournalist und Sachbuchautor Patrick Huber die Fakten zusammen.

Wie darin nachzulesen ist, kursieren schon seit Jahren verschiedene Verschwörungstheorien. Einer der Verbreiter von derartigen Spekulationen ist der Salzburger Simon Hradecky, Betreiber des Aviation Herald, der jetzt damit an die Öffentlichkeit gegangen ist. In Österreich verbreitete der "Kurier" Hradeckys Thesen, in Deutschland die "ZEIT". Beide Blätter boten Hradeckys Ansichten breiten Raum, ohne darauf hinzuweisen, dass er damit international ziemlich alleine auf weiter Flur dasteht und sie eine absolute Minderheitsmeinung sind, die von so gut wie niemandem in der Fachwelt geteilt wird. Beide Blätter verzichteten darauf, anderen Expertenmeinungen (zB von Flugunfallermittlern der BFU, A320-Aubildern, technischen A320-Piloten, etc ...) in ebenso prominenter Form zur Widerlegung der Verschwörungstheorien Platz einzuräumen. Die Zeit suggerierte durch ihren Titel "Wahrheit in Trümmern" im Gegenteil gar, dass es hier eine große Verschwörung gegeben haben könnte. Die großen Medien, sogar der Boulevard, hielten sich bei diesen Spekulationen dagegen bislang zurück.

Die Leserreaktionen auf den Artikel in der "ZEIT", die als renommiertes Blatt in Deutschland gilt, fielen umgehend vernichtend aus. In der öffentlichen Kommentarfunktion des Bezahlartikels hagelte es ein wahres Trommelfeuer der Kritik. Einige Auszüge:

"Liebes ZON Team, ich bin seit über 40 Jahren treuer Zeit Abonnent und seit über 20 Jahren Flugkapitän, davon 17 Jahre Ausbildungskapitän auf Airbus A320. Dieser Artikel sollte bitte entfernt werden. Bei einem Ereignis, welches das Leben von vielen Menschen beendet und das Leben von hunderten Angehörigen auf den Kopf gestellt hat, sind Spekulationen darüber in dieser Form unerträglich. Die technischen Details geben in keinster Weise eine mögliche Kausalkette wieder. Das System Autopilot funktioniert so nicht und hätte in dieser Form niemals eine Zulassung erhalten.Die Entscheidung zur Veröffentlichung des Artikels, hätte kein ernst zunehmender Fachmann unterstützt. Das kann nicht der Anspruch der Redaktion sein, auf diese Art und Weise Aufmerksamkeit zu wecken. Wenn doch ist es nicht nur traurig sondern unverzeihlich gegenüber allen Betroffenen."

"Es tauchten doch damals rasch Suchmaschinenverläufe auf seinem Laptop auf (vor dem Absturz suchte er nach Möglichkeiten die Cockpittür von innen zu verriegeln)- stützt doch sehr die Suizidthese."

"Wahrheit in Trümmern" ist eine sehr reißerische Überschrift, wo die Indizienlage pro erweiterten Suizid sehr viel stichhaltiger ist, als das contra. Die Überschrift suggeriert die nicht geringe Wahrscheinlichkeit einer Vertuschung, aber das ist doch letztlich Unsinn. Kann es sein, dass zahlreiche Zufälle zu dieser Tragödie geführt haben? Depressiver Pilot fliegt Maschine, welche immer dann Technikfehler macht, wenn der andere Pilot die Kabine verlässt, verschließt die Tür von innen und wird just in den Momenten, wo der andere Pilot wieder ins Cockpit will, ohnmächtig, er ganz alleine... Ja, es kann sein. Aber ist es wahrscheinlich? Liegt wegen klickklickklick die Wahrheit in Trümmern? Wer dem sprachlichen Witz zugetan ist, mag die Doppeldeutigkeit dieser Frage genießen."

"Der Copilot war bewusstlos während ein technischer Defekt die Maschine zum Absturz brachte, aber außreichend bei Bewusstsein, um von Innen das Öffnen der Kabinentür zu unterbinden?"

Fachwelt hält nichts von Hradeckys Spekulationen
Für Unfallermittler, deutsche Behörden, Pilotenverbände wie die Vereinigung Cockpit oder die ACA und sogar für Juristen ist jedenfalls klar, dass an den Verschwörungstheorien von Simon Hradecky überhaupt nichts dran ist. Der deutsche Jurist Elmar Giemulla, der zahlreiche Hinterbliebene vertrat und auch nach dem Absturz der Concorde (Buchtipp) oder dem Flugtagunglück von Ramstein (Buchtipp) juristisch tätig war, gilt in Deutschland als der führende Kopf in Luftverkehrsfragen und hat sich intensiv mit der Materie befasst.

Huber: "Ich habe mit Herrn Giemulla für mein Buch "Germanwings Flug 9525 - Absturz in den französischen Alpen" ein Interview geführt. Wie bei allen meinen Interviews habe ich mir auch seines autorisieren lassen, bevor das Buch in Druck ging. Diese Form der Qualitätssicherung gehört zu meinem journalistischen Selbstverständnis. Auf meine Frage, ob es seiner Ansicht nach irgendwelche Zweifel an der Verantwortung von Andreas Lubitz für den Absturz gibt, antwortete Herr Professor Giemulla unmissverständlich: ,Als Fachjurist bin ich nach Sichtung aller mir vorliegenden Unterlagen und forensischen Beweise davon überzeugt, dass an der Verantwortlichkeit von Andreas Lubitz kein berechtigter Zweifel bestehen kann. Und ich habe über die Jahre unzählige Aktenseiten gelesen und ausgesprochen gründlich recherchiert. Gleichwohl kritisiere aber auch ich offen, dass einige Fragen im offiziellen Abschlussbericht nicht zufriedenstellend aufgearbeitet wurden. Das sehe ich als Problem, denn wo Fragen offen bleiben oder nicht eindeutig geklärt sind, entstehen bei Menschen leicht Zweifel und von Zweifeln ist es, vor allem bei so einem komplexen Thema, das man selbst nicht versteht, nicht mehr weit bis zu Verschwörungstheorien'".

(red LA)